Kundenbindung im eBusiness – Maßnahmen und Erfolgskontrolle

Kundenbindungsprogramme gibt es nicht von der Stange. Sie müssen individuell konzipiert und auf die Bedürfnisse der Zielgruppe angepasst werden. Entscheidend ist es, verstehen zu lernen, was die Kunden denken und ihre Möglichkeiten im Hinblick auf den Beschaffungsvorgang zu erweitern – auf Neudeutsch: „Empowering“.

Planungsaspekte
Bevor Sie mit der Umsetzung von Maßnahmen beginnen, sollten Sie darüber nachdenken, welche konkreten Ziele Sie eigentlich verfolgen. Klar, Sie wollen loyale Kunden und natürlich nachhaltigen Erfolg. Aber woran messen Sie den Erfolg Ihrer Maßnahmen?

Erst wenn Sie konkrete, messbare Ziele definiert haben, ist es sinnvoll, konkrete Maßnahmen auszuwählen und umzusetzen. Ein kleines Beispiel soll dies veranschaulichen. Nehmen Sie an, Sie möchten für Ihren Online-Shop den Absatz von Zubehör und Verbrauchsmaterial an die Kunden steigern, die bei Ihnen einen Drucker gekauft haben. Offenbar kaufen diese Kunden den Drucker bei Ihnen, Toner und Tinte aber bei der Konkurrenz. Eine typische Aufgabenstellung, wenn es um Kundenbindung geht, denn einen neuen Drucker werden Sie an diese Kunden wahrscheinlich erst als Ersatzbeschaffung in einigen Jahren verkaufen. Macht es in diesem Fall Sinn, eine Community aufzubauen, Preisausschreiben zu veranstalten und jedem Kunden eine kostenlose eMail-Adresse anzubieten? Nicht besonders, oder? Auch ein Gütesiegel bringt wenig, denn die Kunden kaufen ja durchaus bei Ihnen ein – nur eben nicht regelmäßig. Dafür könnten Sie mit Soderangeboten, einem informativen Newsletter zu Ihren Recycling-Tonerkartuschen, Gutscheinen und einem interaktiven Assistenten punkten, der Ihre Kunden bei der Wahl der richtigen Verbrauchsprodukte unterstützt. Bieten Sie dann auch noch gute Mengenrabatte und eventuell die Möglichkeit einer 48 Stunden-Lieferung auf Rechnung für Online-Bestellungen registrierter Kunden, dann sieht es gar nicht so schlecht aus.

Oder Sie vertreiben Industrieklebstoffe – Spezialkleber für ein eng umrissenes Einsatzgebiet. Wieder bringt ein Gütesiegel wenig, denn im Busisness-to-Business-Sektor muss Vertrauen anderweitig aufgebaut werden. Hier könnte es sich anbieten, ein Portal aufzubauen, das Ihre Kunden stets über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden hält…nicht nur über die Nachrichten aus Ihrem Unternehmen, sondern allgemein über die Branche. Informieren müssen Sie sich ohnehin, warum nutzen Sie Ihr Wissen also nicht, um sich von der Konkurrenz zu differenzieren? Auch ein Online-Forum, in dem Kunden Fragen stellen und Anregungen zur Verbesserung des Services geben können, kann zur Kundenbindung in diesem Fall sehr nützlich sein, während ein Online-Chat eher deplaziert wäre. Ebenso können Garantien eventuell nützlich sein, damit Ihr Angebot wahrgenommen wird.

Die Beispiele zeigen, dass konkrete Kundenbindungsprogramme nicht aus dem Ärmel geschüttelt werden können. Nicht jede Maßnahme ist für jedes Unternehmen geeignet. Was für die eine Zielgruppe vielleicht ein interessanter Mehrwert ist, bedeutet für die andere eventuell nur unnötigen Schnickschnack. Entscheidend für den langfristigen Erfolg ist eine umfassende und leistungsfähige Kommunikations- und Informationsstrategie. Das „offene“, dialogorientierte Unternehmen darf im Internet nicht nur propagiert, sondern muss gelebt werden!

Zielgruppenselektion
Optimaler Service und Supportangebote im Internet können als Elemente zum Aufbau einer verbesserten Kundenbindung verstanden werden, wobei die Steigerung der Kundenloyalität für die Kundensegmente im Vordergrund steht, die den größten Profit für das Unternehmen erwarten lassen.

Zunächst müssen Sie daher definieren, wer zur Hauptzielgruppe Ihrer Kundenbindungsmaßnahme gehört. Je enger Sie diese fassen, umso einfacher ist es, die spezifischen Bedürfnisse dieses Kundensegments zu erkennen und zielgerecht zu bedienen. Aber Achtung – fokussieren Sie sich nicht zu sehr auf Ihre Wunschzielgruppe, sondern auf den Teil Ihrer Kunden, mit denen Sie den größten Gewinn erwirtschaften. Kundenbindungsprogramme sollen in erster Linie die lukrativen Kundensegmente erreichen und dienen nur mittelbar der Neukundengewinnung!

Um die Zielgruppe zu erfassen, benötigen Sie unter anderem folgende Angaben:

• Beschreibung der selektierten Zielgruppe über charakteristische Eigenschaften wie soziodemographische Merkmale, funktionale Beschreibungen usw. Je homogener die Zielgruppe desto besser!
• Wo „hält“ sich die Zielgruppe hauptsächlich auf und wie erreicht man sie am Besten? Bevorzugte Webseiten, Special-Interest-Zeitschriften, Konkurrenten (auch mit dem Hintergrund der Abwerbung) usw.
• Verhaltensmuster in der Beschaffungspolitik? Ist der Käufer zugleich der Nutzer des Produkts, welche Entscheidungshierarchien müssen beachtet werden,…?

Bedarfsermittlung und Mehrwert
Entscheidend ist die Frage: „Welchen ungelösten Bedarf hat die Zielgruppe?“ Jeder rationalen Kauf- oder Nutzungsentscheidung liegt ein Problem zugrunde, das gelöst werden muss. Häufig stellt der Erwerb eines konkreten Produktes dabei nicht die Ultima Ratio dar, sondern ist ein Kompromiss zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Versuchen Sie durch gezielte Befragung, durch Marktanalyse und Umfragen herauszufinden, wo wirklich der Schuh drückt. Gesucht ist ein zentraler Mehrwert – echter Nutzen also – den die Zielgruppe vermisst.

Im E-Business sind die Trends hier eindeutig:

Content: Der Kunde sucht keine Produkte, sondern Lösungen – die Inhalte sind es daher, die für ihn eine Differenzierung und Identifikation der Anbieter ermöglichen.
1:1-Relationship: Durch Personalisierung gilt es, dem Kunden individuelle Antworten auf individuelle Fragen zu geben.
Gruppendynamik: Communities und Mitgliedschaften schaffen zusätzliche Vorteile in informationeller, zeitlicher und finanzieller Hinsicht.
Aufwandsreduzierung: Die Senkung der Gesamtkosten für eine Transaktion (Informationsbeschaffung, Bestellung, Nachbereitung des Kaufs und Unterhalt) müssen vor allem aus Sicht des Kunden reduziert werden nach dem Motto „Anytime Anywhere“. Häufig ergeben sich dabei auch Einsparpotentiale für den Anbieter, die über die Konditionenpolitik an die Kunden weitergegeben werden können.

Konkrete Richtlinien können hier nicht gegeben werden, sondern hängen von den speziellen Anforderungen der Zielgruppen, von der Branche und den Gepflogenheiten der Wettbewerber ab.

Kriterien für die Maßnahmenselektion
Nun kann es an die Auswahl konkreter Maßnahmen gehen. In der Regel werden dabei mehrere Einzelmaßnahmen zu einem abgestimmten Programm zusammengefasst, bei dem ein Kernaspekt, beispielsweise die Reduzierung des individuellen Aufwandes durch bessere Online-Beratung, durch flankierende Elemente wie ein Weiterempfehlungssystem (mit dem Ziel der Neukundengewinnung) und einem Newsletter-Abonnement (zum Zweck der regelmäßigen Stimulation und Anreizgenerierung) ergänzt wird.

Dabei ist es das Ziel, die betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten (Kostenreduzierung, Qualitätsverbesserung und Effizienzsteigerung) mit den Wünschen der Kunden nach besserem Service und individueller Behandlung in Einklang zu bringen. Auf der Basis einer Kundensegmentierung bedeutet dies eine (Pseudo-) Individualisierung und somit Personalisierung des Kundenkontakts sowie den Einsatz von Serviceelementen als Differenzierungsmerkmal, auch im Self-Service-Sektor.

Abbildung 1: Die Inhalte, die zur Kundenbindung führen, sind nur ein Stein des Puzzles – die technologische Umsetzung muss stimmen und die Wirtschaftlichkeit gewährleistet sein.

Durch die Kombination verschiedener Anreize kann der Grad der Kundenbindung intensiviert und auf die Zielgruppe zugeschnitten werden. Hierzu gehören:

• Erinnerung
• Schnäppchenangebote
• Handlungsanreiz durch Limitierung („Bis zum 15. März…“)
• Konditionenpolitik (Übernahme der Versandkosten im Rahmen einer Sonderaktion, Lieferung auf Rechnung etc.)
• Personalisierte News
• „Kundenzeitschrift“ per eMail, mit Links auf ausführliche Informationen auf der Unternehmens-Website
• Gruppenelemente wie Communities und Foren zum Meinungsaustausch
• Rabatte und Bonussysteme für Stammkunden
• Umfassender Service und Support

Integration in ein neues Geschäftsmodell
Die meisten Firmen gehen bei der Konzeption Ihres Internetauftritts von der Frage „Was sollten unsere Kunden von uns wissen?“ aus, anstatt sich zu fragen: „Was wollen unsere Kunden von uns wissen und womit können wir ihnen helfen?“ Die zweite Frage führt zu ganz anderen, kundenorientierten Ansätzen, weg von der Website hin zu einer abgestimmten E-Business-Strategie.

Hierin liegt eine besondere Chance für die Anbieter, die sich von den üblichen Selbstdarstellungen im WorldWideWeb lösen: Sie können mit gezielten Maßnahmen die Benutzerbindung nicht nur aufbauen, sondern auch dauerhaft davon profitieren. Das folgende Fünf-Punkte-Programm bildet die Grundlage für die Umsetzung jedes Online-Kundenbindungsprogramms:

• Erster Schritt ist es, die Benutzer überhaupt einmal dazu zu bringen, die Internetpräsenz des Anbieters aufzusuchen. Dies wird durch einen abgestimmten Online-Marketingmix erreicht.
• Im zweiten Schritt muss der Anbieter erreichen, dass er in die engere Auswahl aufgenommen wird. Dazu sollte die Internetpräsenz interessant sein und auf den ersten Blick einen Nutzwert ausstrahlen, der über die „Wir über uns“ Informationen hinaus geht. Es gilt, die Zielgruppe sofort mit Kompetenz und dem Versprechen eines persönlichen Mehrwerts zu ködern.
• Im dritten Schritt sollen die Benutzer dazu gebracht werden, regelmäßig zur Internetpräsenz des Anbieters zurückzukehren. Damit wird allmählich das Vertrauen der Benutzer zu einem Anbieter aufgebaut. Durch Kompetenz, umfassende Informationen, Bequemlichkeit, Mehrwert-Leistungen, virtuelle Gemeinschaften usw. werden dauerhafte Vorteile für den treuen Kunden geboten, die sich für ihn in einer persönlichen Kostenersparnis oder einem Informations- und Zeitgewinn niederschlagen können.
• Der vierte Schritt besteht in einer Abschottung des eigenen Kundenbindungsprogramms nach außen. Dazu werden Wechselhürden implementiert, die den Wechsel des Anbieters „aus Neugier“ zu verhindern suchen.
• Parallel dazu, aber auch fortlaufend über die gesamte Laufzeit des Programms, wird in einem fünften Schritt immer wieder der Anreiz erhöht und das Angebot an Mehrwertdiensten ausgebaut, wobei sich der größte Nutzen, aber auch die größte Bindung für die Kunden im Idealfall aus der kombinierten Nutzung der verschiedenen Mehrwertangebote ergibt.

Kundenbindung entwickelt sich so zu einer Triebfeder, das eigene Geschäftskonzept und die Wertschöpfungskette zu überdenken, die mit dem Online-Auftritt verfolgt werden soll. Nicht die Masse der Kunden wird zum Maß der Dinge, sondern die Klasse – Exzellenz im Service gegenüber dem Individuum. Im Einklang mit den Unternehmenszielen müssen eigene Wege gefunden werden, die die besonderen Stärken des Anbieters, wie beispielsweise seine Kompetenz und langjährige Erfahrung, auch online vermittelt.

Abbildung 2: Loyale Kunden und erfolgreiche Differenzierung durch ein E-Business-Geschäftsmodell, das sich auf Kundenbindung konzentriert (Quelle: Broadbase)

Online-Kundenbindung muss von jedem Mitarbeiter auch gelebt werden. Wer nicht erkennt, wie wichtig eine rasche und kompetente Beantwortung von Kunden eMails ist, zerstört alle Bemühungen, ein offenes, dialogorientiertes Unternehmen aufzubauen. Die digitale Revolution verändert auch hier die Geschäftsprozesse – die Website ist nur das Aushängeschild, aber die entscheidenden Dinge passieren unter der Oberfläche.

Kundenbindung heißt, das Internet nicht mehr nur als eine Plattform für den effizienten Direktvertrieb zu betrachten, sondern einen integralen Ansatz zu suchen, der es erlaubt, individuelle Lösungen für die Kunden anzubieten. Es werden nicht mehr Produkte und Technologien verkauft, sondern Content und Mehrwert.

Me-Too-Konzepte reichen längst nicht mehr aus – im Gegenteil: Sie sind Gift für den wirtschaftlichen Erfolg und der Todesstoß für jeden Versuch, Kundenbindung aufzubauen! Gefragt ist Differenzierung, nicht Gleichbehandlung, und Mehrwert statt Einheitsbrei. Überraschen Sie Ihre Kunden, übertreffen Sie die Erwartungshaltung. Think different!

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der Publikation „Kundenbindung im E-Business. Loyale Kunden – nachhaltiger Erfolg“ von Markus Stolpman.

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