Customer-Experience-Management in der Telekommunikationsbranche – Teil 1

Nicht erst seit heute lautet das Ziel jedes an Gewinn interessierten Unternehmens „Kundenzufriedenheit“ – wie diese allerdings zu erreichen ist, ist strittig. Großer Beliebtheit erfreuen sich vor allem Customer-Experience-Management (CEM) und Customer-Relationship-Management (CRM), doch auch hier stellen sich Entscheidern gewisse Probleme in den Weg. Um diese zu lösen, helfen CEM-Trends und –Einblicke aus Expertensicht.

Fokus: Die neue Customer Experience Orientierung

Branchenexperten sehen im Customer Experience Management (CEM) bereits eine entscheidende Ergänzung des CRM der nächsten Dekade. 64% von knapp 300 befragten Führungskräften in den USA messen der „Customer Experience“ eine kritische Bedeutung im Rahmen ihrer Unternehmensstrategie bei – mit steigender Tendenz.

Der Begriff der „Total Customer Experience” wurde bereits in 2002 von Berry/Carbone/Haeckel geprägt und beschreibt eine neue Sichtweise auf die Leistungserbringung von Unternehmen: Die Beschreibung von Kundenerlebnissen über den gesamten Kaufprozess von der Informationssuche bis zur Reklamation hinweg. Die Autoren empfehlen die Einzigartigkeit unternehmensspezifischer Leistungserlebnisse beim Kunden zu nutzen, um sich vom Wettbewerb abzugrenzen. Vorraussetzung hierfür ist die übergreifende Sicht auf die Kontakte der Kunden (aus deren Perspektive) mit dem Unternehmen. Alle „Hinweise“ des Kunden sollen genutzt werden, um sein Erleben der unternehmerischen Leistung zu verbessern.

Seither haben sich die Ideen von Berry et al. über verschiedene Ansätze in der Praxis entwickelt und in der Telekommunikationsbranche als Customer Experience Management durchgesetzt. CEM ist in einigen Telekommunikationsunternehmen bereits als Organisationseinheit etabliert und wird immer öfter zum Gegenstand von Detecon-Projekten bei nationalen und internationalen Kunden. Sicher ist, dass CEM ein großes Potenzial hat, aktuelle CRM-Konzepte sinnvoll zu ergänzen.

In den folgenden Kapiteln wird Customer Experience Management auf Basis von Experten- und Kundenbefragungen im Rahmen einer Marktstudie durchleuchtet. Die Ergebnisse werden im Detecon CEM Framework konsolidiert. Abschließend fassen die Handlungsempfehlungen die Ergebnisse für eine optimale Gestaltung von Kundenerlebnissen zusammen.

Expertenbefragung

Methode und Befragte der Studie

Bei unserer Befragung von 37 Experten aus 29 verschiedenen Institutionen über Face-to-Face-Telefoninterviews, sowie Onlinefragebögen sind 30% der Befragten dem C-Level zuzuordnen. Dies hebt hervor, dass Customer Experience Management mittlerweile in den Führungsetagen als wettbewerbsrelevant wahrgenommen wird. Neben Experten aus dem Telekommunikationsmarkt wurden auch Entscheider aus anderen Branchen und Wissenschaftler befragt, um vielschichtige Erfahrungen bei der Erstellung der Studie berücksichtigen zu können. Es ist davon auszugehen, dass viele der Studienergebnisse daher auch auf andere Branchen übertragen werden können. Einige Organisationen verfügen bereits über Funktionsbereiche mit CEM als zentraler Aufgabe (19% der Befragten). Ebenso findet CEM in den unterschiedlichsten Märkten, national wie international (Befragte aus 10 Ländern und 4 Kontinenten), großes Interesse und etabliert sich als übergreifende Unternehmensstrategie.

CEM aus Sicht von Experten

Aufgabenverständnis von Customer Experience Management

Unter Customer Experience Management verstehen 53% der Befragten das Schaffen von positiven Erlebnissen für den Kunden. Dabei ist vielen die Konsistenz der Kundenerlebnisse über alle Customer Touchpoints und Geschäftsvorfälle hinweg wichtig (42%) – die horizontale Perspektive.

Die vertikale Perspektive, also die Schaffung von konsistenten Erlebniswelten mit der Marke, sowie die Erfüllung des unternehmerischen Leistungsversprechens werden noch vernachlässigt. Hier gaben nur 8% der Befragten im offenen Interview an, dass Customer Experience Management über die Marke geprägt wird.

Die Einnahme der Perspektive des Kunden (36%) zur besseren Gestaltung der Interaktionen mit ihm (31% der Befragten) sind wichtige Aufgaben des CEM. 19% verstehen darüber hinaus CEM als Lernprozesse zwischen Kunden und Unternehmen zur Optimierung der Leistungserstellung. Die Berücksichtigung von Emotionen im Kaufprozess sowie die Vermeidung von negativen Erfahrungen (jeweils 17% der Befragten) geben einen Hinweis darauf, dass die Herstellung von Loyalität und Kundenbindung wichtige Aufgaben des CEM sind.

Relevanz von Kundenerfahrungen nach Phase des Kundenlebenszyklus (Nennungen in % der Befragten)

Relevanz von Kundenerfahrungen in den Kundenlebenszyklusphasen

Die Frage, welche Kundenerfahrungen entlang des Kundenlebenszyklus besonders relevant für ein Customer Experience Management sind, teilt die Befragten in zwei Lager. 41% meinen, dass alle Erfahrungen relevant sind. Customer Experience Management wird von diesen Befragten als kontinuierliche und zuverlässig positive Erfahrungsbestätigung beim Kunden verstanden. 47% halten nur ganz bestimmte Momente für CEM-relevant. Von diesen sogenannten „Moments of Truth“ wird für die Telekommunikationsbranche vor allem der technische Störungsfall als bedeutsam genannt. Wegen des deutlich höheren emotionalen Engagements des Kunden bei Kaufentscheidungen, wie z.B. für IPTV oder komplexen Installation von integrierender Hardware im privaten Haushalt, halten 53% die (Vor)kaufsphase mit kanalübergreifender Informationssuche des Kunden, Beratung und Verkaufsanbahnung bis hin zur Buchung für besonders relevant für Kundenerlebnisse (vgl. Abbildung 1).

24% der Befragten halten die Nutzungsphase ebenfalls für besonders relevant für Kundenerfahrungen. Im Festnetzbereich resultiert diese Bedeutung aus dem komplexen Prozess von Endgeräteversand, über Bereitstellung bis hin zur Installation vor Ort und Hilfe bei der Inbetriebnahme zur ersten Nutzung. Im Mobilfunk gestaltet sich die Phase zwischen Kauf und erster Nutzung deutlich einfacher und wegen des hohen emotionalen „Involvements“ bei der Auswahl eines mobilen Endgerätes bei Vertragsabschluss oder -verlängerung ebenso bedeutsam für den Kunden und damit für das CEM.

Beabsichtigte Kundenerfahrungen durch CEM

Im Laufe der Entwicklung des Telekommunikationsmarkts wurden Kommunikation, Angebote und Werbung emotionaler. Die Gefühle bzw. Erfahrungen und Erlebnisse der Kunden, welche aus Sicht der Befragten von besonderer Bedeutung sind lassen sich in drei Kategorien einteilen:

Beabsichtige Kundenerfahrungen durch CEM

(1) Unternehmens- bzw. markenbezogene Erlebnisse: Wegen der Sättigung des Marktes gewinnen die Bestandskunden des eigenen oder fremden Unternehmens an Bedeutung. 33% der Befragten möchten dem Kunden gegenüber Wertschätzung demonstrieren. Dies erfolgt indem man sich um das Vertrauen des Kunden bemüht, wodurch zusätzliche Wechselbarrieren errichtet werden sollen – für immerhin 30% der Befragten sind die Vermittlung von Verlässlichkeit und die Vermittlung von Vertrauenswürdigkeit wichtige Kundenerfahrungen. Viele Befragte begründen die hohe Relevanz von positiven Erlebnissen in der Kundenbeziehung zudem durch deren unternehmensspezifische Ausgestaltung, die aus Kundensicht nicht beliebig ersetzbar und ein wesentlicher Differentiator im Wettbewerb sind.

(2) Produktbezogene Erlebnisse: Die Befriedigung individueller Bedürfnisse des Kunden wird als wichtigste Erfahrung und Vorraussetzung für den Erfolg genannt (42% der Befragten). Grund hierfür ist der Trend von reinen Zugangs-Produkten zu Mehrwertdiensten und die steigenden Bedeutung von FMC- und Bundle-Produkten als Wachstumstreiber für den Telekommunikationsmarkt. Auch die Begeisterung für neue und innovative Produkte wird als besonders relevant gesehen (30% der Befragten). Als eines der Top-5 Erfahrungsziele wird von 18% der Befragten die Schaffung „konsistenter Erlebnisse“ für den Kunden genannt: Die Erwartungen der Kunden an die Marke und die Erlebnisse während der Betreuung durch das Unternehmen müssen an jedem einzelnen Touchpoint konsistent und positiv sein. Wegweisend ist die Konsistenz von Einzel-Erlebnissen im Rahmen des Nutzenversprechens: Der richtige Mix von funktionellen, preislichen und emotionalen Vorteilen wird bestimmend für den Markterfolg zukünftiger Angebote.

(3) Interaktionsbezogene Erlebnisse: Schlüssel für den Erfolg von Customer Experience Management ist für viele Befragte das prozess- und kanalübergreifende Denken durch die Einnahme der Sicht des Kunden. Einfachheit bleibt bei der komplexen Dienstleistung „Telekommunikation“ ein Dauerthema (18%); diese Erfahrung zu ermöglichen, wird bei immer kürzer werdenden Innovationszyklen jedoch nicht einfacher werden.Als Ergebnis eines modernen Kundenkontaktmanagements sehen 9% der Befragten das Erlebnis von Proaktivität des Unternehmens durch den Kunden. Gerade durch das Zuvorkommen vor einer Beschwerde oder durch den offenen Umgang mit Fehlleistungen, wie z.B. einem Netzausfall, prägt ein Anbieter die emotionale Einstellung des Kunden.

Erfassung und Analyse von Kundenerfahrungen

Alle Befragten erfassen oder analysieren in irgendeiner Form die Erfahrungen ihrer Kunden mit dem eigenen Unternehmen, seinen Leistungen oder Serviceangeboten. Häufig wurde das Marketing als wichtige Funktion zur Herstellung einer übergreifenden Sicht auf die Erlebnisse der Kunden genannt. Die befragten Unternehmen greifen häufiger zu externen Maßnahmen zur Erfassung und Analyse von Erfahrungen, für deren Durchführung sie i.d.R. Agenturen beauftragen (38% Kundenbefragungen, 28% Studien). Weniger stark werden interne Maßnahmen angewandt: Analysen von Kundenkontakten (24%), Beschwerden (17%) und Kündigungen (17%) sind am stärksten verbreitet, da die Kodierung des Kundenfeedbacks oder -verhaltens bereits durch die Mitarbeiter am Frontend- System erfolgt und der administrative Aufwand für die Informationsaufbereitung relativ gering ist. Qualitative Befragungen wie Mitarbeiterbefragungen (7%) und Fokusgruppeninterviews (3%), die stets eines hohen Kategorisierungs- und Konsolidierungsaufwands bedürfen, werden weniger häufig durchgeführt. Das gesamte (externe und interne) Informationspotenzial wird von den Unternehmen nur selten genutzt.

Für die Einnahme der Kundenperspektive wurde von vielen Unternehmen ein fallbasiertes Lernen vorgezogen, während Erwartungen und Anforderungen durch Befragungen ermittelt wurden. Viele Befragte bestätigten zwar die Werthaltigkeit der Informationen aus diesen Quellen, aber das generierte Wissen kann häufig nur in sehr spezifischen Fällen durch die Unternehmen genutzt werden.

Dies ist der erste Teil unserer Artikelreihe zum Thema “CEM in der TK-Branche – Sommerferien im Zeichen von CEM”. Die folgenden Teile erscheinen in den kommenden Wochen, jeweils Donnerstags, im Know-how-Bereich auf ECIN. Sämtlichen Artikeln liegen die Ergebnisse und Interviews aus der Studie „Customer Experience Management in der Telekommunikationsbranche“ der Detecon International GmbH und forum! GmbH zugrunde, die interessierten Managern im Generellen dabei helfen soll, ihr Customer Experience Management weiterzuentwickeln und letztlich professionalisieren zu können.

Teil 1

Teil 2

Teil 3

Teil 4

Teil 5

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