Branding oder die Macht der Marke

Für den ersten Eindruck gibt es bekanntlich keine zweite Chance. Nicht zuletzt deshalb verschlingt der Aufbau und vor allem die Etablierung einer Marke bei Internet Start-ups viel Geld und Aufmerksamkeit. Doch auch das garantiert noch längst nicht den gewünschten Erfolg in der Wahrnehmung durch die Nutzer.

Wenn in den vergangenen Monaten immer wieder von finanziellen Engpässen ambitionierter Internet Start-ups oder großen Aufwendungen von Venture Capital Gebern für eben solche Unternehmen die Rede ist, so hat dies nicht selten mit dem enormen Geldbedarf für die beabsichtigte Etablierung eines Markennamens zu tun. Immer noch gilt der sogenannte Brand einer Company als maßgeblicher Schlüssel, um neue Kunden für ein Unternehmen zu gewinnen oder wichtiger noch, um einmal gewonnene Kunden auch zu halten und dauerhaft an das eigene Angebot zu binden.

Ein mitunter teures Missverständnis liegt in diesem Zusammenhang in der Einschätzung, dass schon ein großes Werbeengagement allein für die erfolgreiche Einführung bzw. Etablierung einer neuen Marke bürgt. Denn die Geheimnisse erfolgreicher Brands sind weitaus vielschichtiger und ein echter Königsweg scheint sich auch bei sorgfältigster Planung nicht so ohne weiteres aufzutun. Dennoch gibt es einige Aspekte und Faktoren, die man beim beabsichtigten Aufbau einer Marke unbedingt berücksichtigen sollte.

Was ist überhaupt ein Brand?
Sagen Ihnen die Namen Coca Cola, IBM oder McDonald’s etwas? Und verbinden Sie mit diesem Namen nicht bloß eine Bezeichnung, sondern vielmehr auch eine konkrete inhaltliche oder vielleicht sogar emotionale Vorstellung? Wenn ja, dann sind Sie damit dem Geheimnis des Branding schon sehr dicht auf der Spur. So definieren die Experten des amerikanischen Unternehmens Brand Solutions Inc. einen Brand beispielsweise als versinnbildlichte, emotionale, rationale und kulturelle Darstellung dessen, was der Betrachter mit einem Unternehmen bzw. einem Produkt verbindet. Klingt dieser Erklärungsversuch vielleicht auch etwas abstrakt, so macht er jedoch deutlich, dass sich ein Brand keineswegs auf die bloße Kreation und Verbreitung einer Wortmarke und/oder eines Logos beschränkt. Vielmehr geht es darum, den Namen des Unternehmens bzw. des Produktes auf unterschiedlichen Darstellungsebenen und in den verschiedensten Kommunikationskanälen mit „Leben zu füllen“ und ihn eindeutig identifizierbar und für den Betrachter erfahrbar zu machen.

So würde man nach Brand Solutions Inc. beim Gedanken an Volvo möglicherweise auch automatisch an das Attribut „sicher“ denken, bei Nike vielleicht an den früheren Basketball-Star Michael Jordan oder den Claim „Just do it“ und beim Computerriesen IBM an die Bezeichnung „Big Blue“. Ein Brand vereinigt mit dem Namen, einem Logo, verschiedenen Assoziationen und Attributen sowie der Marktposition ein Bündel von Faktoren miteinander und schafft die auf eine Formel gebrachte, verkörperte Persönlichkeit eines Unternehmens. Wichtige Einschränkung: Der Brand funktioniert dabei nur so gut, wie ihn der Betrachter letztlich wahrnimmt. Nur wenn dieser das mit dem Brand beabsichtigte Image bzw. die entsprechenden Werte auch tatsächlich mit dem Unternehmen verknüpft, vollendet sich die Zielsetzung einer Markenbildung.

Damit ist ein Brand auch immer unmittelbar an die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens geknüpft: Denn erst dadurch, dass die bevorzugt kommunizierten Werte auch im geschäftlichen Alltag bestehen, lässt sich das gewünschte Markenbild in der Öffentlichkeit verbreiten und festigen. Die besten Branding-Experten und ausgefeiltesten Strategien werden Ihnen nichts nützen, wenn sich die Zielgruppe nicht in den Bann Ihres Brands ziehen lässt.

Ist der Erfolg eines Brands messbar?
Gerade in Bezug auf den Faktor Wiedererkennbarkeit lässt sich der Erfolg einer Marke natürlich bequem über Marktforschungsinstrumente darstellen. Und auch die Wirkung und Zuordnung von Attributen kann durch entsprechende Befragungen der jeweiligen Zielgruppe aussagekräftig gemessen werden.

Mit Sicht auf die großen, internationalen Brands reichen die Methoden dagegen noch weiter: So hat die Interbrand Group ein Verfahren entwickelt, mit dem sich geschätzte Wert einer Marke monetär darstellen lässt und veröffentlicht jährlich ein Ranking der unter diesem Aspekt weltweit erfolgreichsten Unternehmen. Abgebildet werden dabei alle Unternehmen, deren geschätzter Markenwert bei mindestens 1 Milliarde US$ liegt. Spitzenreiter des Ranking 2000 ist Coca Cola mit einem Wert von rund 72,5 Milliarden US$, gefolgt von Microsoft und IBM. Unter den insgesamt 75 Unternehmen, die unter den genannten Voraussetzungen Eingang in die Liste gefunden haben, befinden sich mit Yahoo! (Platz 38 mit einem Wert von 6,3 Milliarden US$), AOL (Platz 47 mit einem Wert von 4,53 Milliarden US$) sowie Amazon.com (Platz 48 mit einem Wert von 4,52 Milliarden US$) gerade einmal drei „echte“ Online-Companies.

Besondere Situation für Online-Unternehmen
Auch wenn für die Etablierung eines Brands zunächst einmal die gleichen Regeln gelten wie im konventionellen Handel, so unterscheidet sich die Situation für die Internet-Companies doch grundlegend. Dieses liegt zunächst einmal daran, dass der Brand – für die zumeist doch noch jüngeren und aus Sicht der Verbraucher weniger gewachsenen Unternehmen – eine viel entscheidendere Bedeutung hat: Denn natürlich besteht ein wichtiger Zusammenhang zwischen der Wortmarke und der einzugebenden URL. Wer dauerhaft mit einem Kunden Geschäfte machen will, muss bestrebt sein, Eingang in dessen Favoritenliste gespeicherter Links zu finden.

Andererseits genügt es keineswegs, durch außergewöhnliche Werbemaßnahmen kurzfristig auf sich aufmerksam zu machen, ohne mit einer entsprechenden Webpräsenz auch tatsächlich Anliegen der Zielgruppe zu befriedigen. Traditionelle Marken besitzen nicht selten noch einen immensen Vertrauensvorsprung, den es für ambitionierte Start-ups erst einmal aufzuholen gilt. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die physische Präsenz: So ermittelte eine Untersuchung von CyberAtlas, die sich mit dem Zusammenhang von Werbung und Markenerfolg beschäftigte, dass es für die Hälfte der Befragten von wichtiger Bedeutung ist, ob die E-Company auch über eine physische Präsenz verfügt. Erstaunlicherweise war dieses insbesondere den jüngeren Befragten unter 25 Jahren wichtig.

Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Werbeaufwand und der Markenfestigung beim Nutzer, konnte die Untersuchung indes nicht ableiten: So fanden sich als „Top of mind“ bei den Befragten durchaus einige Unternehmen mit einem eher geringen Werbeetat. Weitaus entscheidender erscheint indes die gelungene Kommunikation der USP (Unique Selling Proposition) sowie ein kongruenter Unternehmensauftritt über alle Kommunikationskanäle hinweg. Und hier liegt dann auch das große Plus der starken Marken: So kam eine Untersuchung von Interbrand über die Wiedererkennbarkeit von Marken im WorldWideWeb zu interessanten Ergebnissen. In einem Test mit 50 regelmäßigen Internetnutzern entfernte man Logos und Wortmarken aus einer Reihe von Internetseiten und zeigte diese anschießend den Probanten. Das Resultat: Lediglich 18 Prozent der Nutzer erkannten die Website amazon.com auf den ersten Blick, obwohl 60 Prozent dieser Personen das Angebot bereits selbst genutzt haben. Im Gegensatz dazu erkannten 80 Prozent der Nutzer die Website von Coca Cola auf Anhieb, obgleich lediglich 22 Prozent die Seite schon einmal besucht hatten.

Potentielle Erfolgsfaktoren für Online-Brands
Folgt man der Auffassung der beiden amerikanischen Marketing-Gurus Al Ries und Ralph F. Wilson, so ist es für die erfolgreiche Besetzung eines Online-Marktes bzw. einer Nische weniger entscheidend, wirklich der „First Mover“ im Sinne des „Ersten am Platze“ zu sein, als vielmehr der „Erste im Gedächtnis“ des Nutzer. Das eindrucksvollste Beispiel für diese These liefert einmal mehr Amazon.com, die weder im Bereich des Online-Buchhandels (Barnes&Noble), noch bei den CDs (CDNow) tatsächlich First-Mover waren und dennoch in beiden Segmenten erfolgreich die Marktführerschaft übernehmen konnten.

Wenngleich – wie der Interbrand Test beweist – sich der Brand von Amazon.com gegenwärtig noch nicht mit den großen etablierten Marken messen kann, so gehört er neben Yahoo! und AOL doch immerhin zu den Top-Brands im Internet. Dieses wiederum verdankt er weniger massivem Werbedruck, als vielmehr einem ganzen Bündel von Aktivitäten, zu denen insbesondere auch die Leistungsfähigkeit im Bereich des Unternehmensgegenstands führt. Soll ein Brand den notwendigen Vertrauensvorsprung beim Nutzer sichern, so stehen dem Online-Unternehmen hierfür die gleichen Mittel zur Verfügung wie den brick-and-mortars:

• Einbindung von Werbeaktivitäten
• Kundenservice
• Verkaufspromotion
• Öffentlichkeitsarbeit
• Direkt-Marketing per Mail und Newsletter
• Sonderaktionen und -verkäufe
• Event-Sponsoring
• Mundpropaganda
• Andere Kommunikationsmittel

Keines der Instrumente allein wird in der Regel dafür sorgen, dass sich ein Brand erfolgreich etabliert. Allein der geschickte Mix mit dem Ziel, eine einheitliche Botschaft über das Unternehmen, die Produkte oder den Service zu transportieren, die einer kritischen Prüfung durch die Nutzer standhält, führt auf Dauer auch zu einer starken Online-Marke. Existiert sogar ein Alleinstellungsmerkmal, so steigen die Möglichkeiten sich erfolgreich vom Markt abzugrenzen um ein Vielfaches.

Entgegen der vielleicht landläufigen Meinung ist die Etablierung eines Brands keineswegs zwangsläufig von einem großen Budget abhängig. Ein stringentes Konzept sowie ein wenig Kreativität in der Vorgehensweise können gerade im Bereich E-Commerce einiges wettmachen. Denn spätestens seit Hotmail und nicht zuletzt mit dem Erfolg des „Moorhuhns“, zeigt sich die Einzigartigkeit des Instruments Mundpropaganda („word of mouth“) in Bezug auf das Internet.

So sollte beim geplanten Aufbau einer neuen Marke bzw. einer neuen Online-Unternehmung neben der Namensfindung (wobei die vieldiskutierten Fragen, ob hierbei eher ein Oberbegriff oder ein Phantasiename gewählt werden sollte und ob die Anfügung eines Web-Verweises wie dot.com sinnvoll ist, an dieser Stelle erst einmal dahin gestellt sein sollen) das erste Augenmerk dem aus Nutzersicht stimmigen und serviceorientierten Aufbau des Angebots dienen sollte. Denn ein unzureichendes Angebot kann mit keinem Werbebudget der Welt „schöngeschrieben“ werden, wie nicht zuletzt die jüngste Vergangenheit beweist. Erleichtern Sie Ihren Nutzern weiterhin die Möglichkeit der Wiedererkennung Ihres Brands, indem Sie bei allen Formen der Öffentlichkeitsarbeit wichtige Schlüsselsymbole oder Elemente wiederaufnehmen. Viele Werbespots und Zeitungsanzeigenkampagnen von Dot.coms vernachlässigen diesen Aspekt und arbeiten stattdessen mit allgemeinen Web- oder Browsersymbolen. Dieses macht die Unternehmen austauschbar und verringert ihren Wiedererkennungswert. Und zum guten Schluß: Denken Sie auch über die Möglichkeiten einer Offline-Präsenz nach: Viele Direktanbieter aus dem Banken oder Versicherungsbereich streben heute den Erwerb von konventionellen Filialen an, der aus unternehmerischer Sicht eigentlich nicht notwendig oder gar sinnvoll erscheint. Doch insbesondere zur Festigung des Vertrauens gegenüber jungen Online-Unternehmen, erfüllt die physische Präsenz eine wichtige Funktion. Wer kleiner plant, sollte vielleicht über adäquate „Point-of-Sale“-Aktivitäten im unmittelbaren, realen Umfeld seiner Zielgruppe nachdenken.

Der Aufbau eines Brands – die Schnelllebigkeit des Mediums Internet hin oder her – erfordert eine sorgfältige Planung, einiges an Zeit sowie die Einbeziehung aller Unternehmensbereiche. Auf den Zug aktueller Trends in Sachen Optik aufzuspringen, wie es etwa in der Nutzung der Modefarbe Orange gegenwärtig bei vielen neuen Websites geschieht, fördert nicht gerade die Entwicklung eines individuellen Profils. Und auch die These, wonach ein Jahr Internet der Entwicklung von 4 Jahren in der realen Welt entspricht, hat in Bezug auf die Kreation eines Brands nur bedingt Relevanz: So kommt David Butler von Sapient zu dem Schluß, dass man noch vor einiger Zeit mit gut 50 Millionen US$ und innerhalb eines Jahres eine gute Markenaufmerksamkeit für einen großen Player erzielen konnte, während heute für den gleichen Effekt rund zwei Jahre und gut 300 Millionen US$ notwendig sind. Für die kleineren Player bedeutet dies: Es bleibt viel Phantasie gefragt!

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