Mobile Services mit ROI-Garantie?

Die Diskussion um die Zukunft des mCommerce gehört zu den Dauerbrennern des eBusiness. Der kommerzielle Durchbruch steht aber immer noch aus. Die bisher dominante Vermarktungsstrategie, die vor allem auf technologische Innovationen gesetzt hat, ist ausgereizt. Die Akteure haben erkannt, dass jetzt klare Nutzenkonzepte gefragt sind, die die Nachfrage nach mehrwertigen Services treffen.

1 . Entertainment und „User Generated Content“

Das Segment der mobilen Unterhaltung ist zu einem der größten Hoffnungsträger der Mobilfunkbranche avanciert. Eine aktuelle Sapient-Studie prognostiziert, dass die Content-Umsätze aus mobilen Unterhaltungsangeboten von 820 Mio. Euro im Jahr 2002 bis 2006 auf 3,8 Mrd. Euro in Europa ansteigen werden. Games, Glücksspiele und Lifestyle-Angebote gehören zu den vielversprechendsten Angeboten. Der Download von Filmen und Musik werde eher eine untergeordnete Rolle spielen. Um die Potenziale vollends auszuschöpfen, sei es von entscheidender Bedeutung, stärker auf die Wünsche und Lebenssituationen der Nutzer einzugehen als lediglich technische Raffinessen zu kommunizieren.

Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommen die Experten von Frost & Sullivan, die den weltweiten mobilen Gaming-Markt untersucht haben. Eine neue Generation von Smartphones und Organizern mit Farbdisplays und Java-Technologie werde den Markt für mobile Spiele zukünftig beflügeln. Bis zum Jahr 2008 werde ein Umsatzvolumen von 12,8 Mrd. US $ erreicht. Parallel dazu erwarten die Analysten ein Anwachsen der Nutzerzahlen von 15,4 Mio. Menschen 2001 auf rund 180 Mio. im Jahr 2008. An diese Prognose ist vor allem die Bereitschaft der Nutzer geknüpft, sich von der Gratiskultur des Internets zu verabschieden und es wird die Fähigkeit der Carrier vorausgesetzt, Billing-Systeme zu implementieren, die ein Revenue-Sharing mit Dritten (Content-Providern) ermöglichen.

Eine Erweiterung des bloßen Konsumierens von Entertainment-Angeboten stellen „User Generated Contents“ dar: Die Erstellung eigener oder die Personalisierung vorhandener Inhalte zählen längst zu den Standards im „Wired Internet“. Dieser Ansatz ist auch im Mobile Business erfolgreich, wenn man an das Komponieren und Editieren von Klingeltönen oder Logos denkt. User-Generated-Content-Konzepte bieten aber den Nutzern mehr Möglichkeiten, ihre Kreativität mit anderen zu teilen: Das US-Unternehmen Dfilm bietet derzeit in Kooperation mit KPN (und zukünftig mit zwei weiteren europäischen Netzbetreibern) eine mobile Version der MovieMaker-Software an. Das Tool ermöglicht es dem Nutzer, animierte Cartoons aus einem Set von Szenen und Charakteren mit individuellen Dialogen zu erstellen und an Freunde zu verschicken. Bei der Web-Version versendet jeder Empfänger einer Cartoon-Message im Schnitt vier bis fünf weitere Botschaften. „Mobile Game Level Editors“ ermöglichen es einem Spieler, beispielsweise die Szenerie den individuellen Vorlieben anzupassen. Dabei nutzen Anbieter heute noch die Synergien mit dem stationären Web: Die Konfiguration eines Games wird am heimischen PC vorgenommen und das modifizierte Ergebnis auf das Handy exportiert. Höhere Bandbreiten und komfortablere Endgeräte machen diesen Zwischenschritt zukünftig verzichtbar.

Aktuell werden MMS-fähige Mobiltelefone („Multi Media Messaging“) eingeführt. Mit ihnen ist der Versand nicht nur von formatierten Textnachrichten, sondern auch von Fotos, Tönen, Animationen oder kleinen Filmsequenzen (aktuell bis ca.15 Sekunden) möglich. 2002 war das Boomjahr für die digitale Fotografie; das Erstellen und Versenden von Fotos wird zu den attraktivsten Angeboten unter den MMS-Services zählen. Neben der Option, Schnappschüsse in einem Freunden zugänglichen Album abzulegen, ergeben sich neue Ansätze für den Aufbau von (mobilen) Communities: sms.ac, eine mobile (Flirt-)Community aus den USA, ermöglicht einem Mitglied, das über ein MMS-fähiges Mobiltelefon verfügt, sich zunächst das Photo eines potenziellen Flirtpartners anzusehen, bevor er via SMS zu diesem Kontakt aufnimmt.

Entertainment und „User Generated Content“ werden zu den Treibern im Mobile Business zählen. Fehler der Vergangenheit sollen dabei offenbar frühzeitig umschifft werden: Anfang Oktober 2002 haben T-Mobile und Vodafone ihre MMS-Netze zusammengeschaltet. So wird das Versenden von MMS-Nachrichten aus dem D1- ins D2-Netz und umgekehrt möglich. Ein weiteres Signal kam unlängst aus dem Vereinigten Königreich: Vodafone hat mit dem Rechte-Vermarkter der Fußball-Bundesliga bereits eine Partnerschaft für die Übertragung von Informationen und Bildern via Mobiltelefon vereinbart.

2 . Location Based Services und Mobiles Marketing

Location Based Services (LBS) werden eine wichtige Vorreiterrolle in der Entwicklung mobiler Dienste einnehmen, darin sind sich die Experten weitgehend einig. In Zukunft sollen den Nutzern zunehmend auf den aktuellen Standort zugeschnittene Services und Support angeboten werden. Ein besonderes Interesse hat auch der stationäre Handel an Location Based Services: Suchende Kunden sollen durch diese Mehrwertleistungen mit den notwendigen Adressen oder auch Produktangeboten versorgt werden.

Eine repräsentative Online-Umfrage des Marktforschungsinstituts Emnid verdeutlicht das Potenzial von Location Based Services. Ohne die Nennung möglicher Anwendungsfelder erklärten 40 % der Befragten spontan Interesse an der Nutzung von LBS; gestützt sagten 80 % der Befragten aus, LBS nutzen zu wollen. Darüber hinaus ergab die Studie, dass Location Based Services insbesondere in ihrer Funktion als praktische Orientierungshilfe einen merklichen Aufschwung erfahren können: Angebote wie Stadtpläne gehören mit 49 % zu den Favoriten unter den ortsgebundenen Mobilfunkdiensten. Knapp dahinter folgen mit 30 % praktische Verweise auf in der Nähe liegende Geschäfte mit Sonderangeboten oder Apotheken. Auch Hinweise auf nahe gelegene Geldautomaten, Tankstellen und Restaurants erfreuen sich regen Interesses.

Dass es sich bei LBS nicht um einen „Peanuts-Markt“ handelt, zeigt eine aktuelle Untersuchung der ARC Group. Demnach werden mit Location Based Services in fünf Jahren weltweit über 40 % aller Umsätze in der mobilen Datenkommunikation generiert. Bereits im Jahr 2004 rechnet die ARC Group mit rund 750 Mio. Nutzern weltweit; im vergangenen Jahr waren es noch ca. 70 Mio. Trotz dieser positiven Signale sollte man sich auch möglicher Hindernisse bewusst sein. Neben Bedenken bezüglich der Wahrung der Privatsphäre könnten sich lokale Werbemails als weiteres Manko erweisen: Der unaufgeforderte Empfang solcher Botschaften wird laut Emnid von 77 % der Befragten abgelehnt.

Während Location Based Services sich noch in einem recht frühen Entwicklungsstadium befinden, haben ambitionierte Marketeers den mobilen Zugang zum Kunden bereits für sich entdeckt und entwickeln gegenwärtig mobiles Marketing zu einem der wichtigsten Instrumente des Dialogmarketings. Bislang wird mobiles Marketing ungerechtfertigt oftmals mit der Verbreitung simpler Werbebotschaften via Mobiltelefon gleichgesetzt. Dies greift zu kurz: Seine Stärken kann mobiles Marketing immer dann ausspielen, sobald Interaktion mit dem Adressaten vorgesehen ist. So prognostiziert Berlecon Research für integrierte Marketingkampagnen mit rückkanalfähigen Medien wie SMS oder eMail für das kommende Jahr ein Marktvolumen in Deutschland von rund 450 Mio. Euro. Dabei ist allerdings die Einverständniserklärung der Nutzers (Opt-in) nicht nur aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen unbedingt erforderlich: 80 % der in einer eMind@emnid-Umfrage Interviewten würden die SMS eines Unternehmens nur dann akzeptieren, wenn sie diese auch angefordert haben.

Pull statt Push lautet also die Devise: 12 % der surfenden Handybesitzer fänden es „toll“, wenn ein Dialog mit dem werbetreibenden Unternehmen via Handy möglich wäre, und weitere 20 % beurteilen es als Gewinn, wenn sie beim adressierenden Unternehmen auch über das Handy einkaufen könnten. Dass mobiles Marketing ein Erfolg sein kann, zeigte eine McDonald’s-Weihnachtskampagne. Einer jungen Zielgruppe wurde eine SMS geschickt. Darin wurde der Empfänger aufgefordert dem oder der Liebsten Weihnachtsgrüße von „Rockin’ Rudi“ zuzusenden. Dabei setzte man auf den „Viral-Effect“: Der Adressat der SMS antwortete McDonald’s und initiierte so den Anruf des Rentiers bei einem Freund oder einer Freundin. McDonald’s konnte sich über Responseraten von rund 30 % sowie den Abverkauf der Rudi-Stofftiere binnen drei Tagen freuen.

3 . Real-Time-Enterprise und Telematik

Zu geringe Bandbreiten, die fehlende Integration von mobilen Front- und stationären Backoffice-Systemen sowie wenig praktikable Endgeräte führten bis dato nur zu einem mäßigen Einsatz mobiler Office-Anwendungen. Das kann sich in Zukunft ändern: Mit breitbandigen, mobilen Zugangsmöglichkeiten (GPRS, Wireless Local Area Networks oder UMTS) sowie auf den mobilen Einsatz zugeschnittenen Applikationen eröffnen sich neue Potenziale für das mobile Arbeiten.

Berlecon Research prognostiziert, dass bis 2006 alle deutschen Großunternehmen ihren Mitarbeitern einen mobilen Zugriff auf Teile der Unternehmens-IT ermöglichen. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen liege die Quote im Jahr 2009 bei immerhin 40 %. Ziehtman den Markt für mobile Business-Lösungen als Indikator für den Mobilisierungsgrad von Unternehmen heran, ergibt sich das folgende Bild: Demnach werde bis zum Jahr 2005 das Marktvolumen in Deutschland von rund 500 Mio. Euro 2002 auf 1,9 Mrd. Euro anwachsen.

Die Bedeutung einer geschlossenen Informationskette für den Unternehmenserfolg unterstreicht Gartner: „Wireless and Mobile Business Center are vital for the real-time enterprise. [..] Wireless and mobile should take another step toward maturing in 2003. The base technologies are now being offered at reasonable prices and businesses are realizing that continuous supply chains must include a continuous information chain. […] Continuous connectivity forms the key technology in completing the information chain.“

Dies haben auch die Mobilfunknetzbetreiber erkannt. Sie agieren heute entschlossener als noch vor Jahresfrist: So lancierte bspw. Vodafone im November 2002 eine Kooperation mit führenden Herstellern von Mobile Devices (Notebooks und Organizer), die auf ihren Produkten fortan Vodafone-Zugangssoftware für mobile Datendienste auf GPRS-Basis vorkonfigurieren.

Unmittelbar am Einsatzort aktuelle Firmendaten wie Lagerbestände oder Bestellformulare abzurufen, FAQs oder den Mail-Account einzusehen, Real-Time-Interaktion mit dem Orderdesk, all das ist nichts grundsätzlich Neues. Nur, dass dies zukünftig im „Always-On“-Modus geschehen kann. Lange Wartezeiten, die beim Kunden oftmals mit einem entnervten Blick auf die Uhr quittiert wurden, entfallen. Komplexer wird es dagegen bei Aktivitäten, die die Übertragung großer Datenmengen in Form von Sprachinformationen in Kombination mit Text-, Bild- oder Videoinformationen vorsieht. Hier ergeben sich zukünftig zahlreiche neue Anwendungsgebiete, bspw. in der Unfallmedizin, dem technischen Vertrieb oder der Telematik.

Etwas abseits des allgemeinen Fokus haben sich Telematik-Anwendungen bis dato entwickelt.Waren vor ein paar Jahren GPS-Navigationssysteme im Pkw-Bereich eine kleine Revolution, so wird dieses Hightech-Feature in Fahrzeugen der Oberklasse zusehends zum Standard. Ein Ausbau der zumeist passiven, i.d.R. CD-ROM- oder DVD-gestützten Systeme erfolgt durch die Kombination mit einer Mobilfunkeinheit und der Fahrzeugelektronik: Neben der verbesserten Navigationshilfe, die frühzeitig auf Verkehrsmeldungen reagiert und alternative Routen vorschlägt, erweitern Notrufsysteme, „Car Tracking“ (das im Falle eines Diebstahls das Auffinden des Fahrzeugs ermöglicht) oder die mobile Fehlerdiagnose der Werkstatt das Portfolio.

Opel kündigte unlängst an, in seinen Fahrzeugen das Notrufsystem „OnStar SOS Service Call“ zu integrieren. Über Crash-Sensoren im Pkw (bspw. aktiviert durch das Auslösen eines Airbags) setzt das System im Falle eines Unfalls automatisch einen Notruf an ein Callcenter ab. Dank des GPS-Systems ist der Standort bekannt; dieser wird dann via Mobilfunk an das Callcenter übermittelt. Scheitert dessen Versuch, eine Sprechverbindung mit dem Verunglückten aufzubauen, wird ein Rettungsdienst an den Unfallort gelotst. Internetgestützte, mobile Ferndiagnosen stehen bei allen großen Automobilherstellern auf der Agenda oder befinden sich bereits, wenn auch derzeit noch recht eingeschränkt, im Einsatz. Und die Fahrzeughersteller gehen noch einen Schritt weiter: BMW-Ingenieure stecken derzeit die Möglichkeiten ab, via mobiler Internetanbindung Elektronikprobleme nicht nur online zu identifizieren, sondern auch zu lösen.

Wenngleich weniger im allgemeinen Blickfeld der Öffentlichkeit, handelt es sich bei der Telematik um einen Bereich mit großem Potenzial. Der weltweite Telematikmarkt wird sein Volumen laut eMarketer von 2,2 Mrd. US $ in 2001 auf 12,3 Mrd. US $ im Jahr 2007 ausweiten und Forrester prognostiziert, dass 2005 rund 30 Mio. US-amerikanische Pkws mit einem „in-car wireless data system“ ausgestattet sein werden. Ein entscheidender Faktor auf dem Weg dahin ist das Angebot attraktiver Telematik-Services, die über das reine Routing hinaus gehen, ganz gleich ob im B2C- oder B2B-Segment. Und hier ist die Verfügbarkeit breitbandiger, mobiler Netze eine entscheidende Grundvoraussetzung.

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