Kundenorientierte Geschäftsmodelle erfolgreich platziert

Produktorientiert war gestern, heute steht der Kunde im Vordergrund – auch bei neuen Geschäftsmodellen. Unterstützend wirken dazu natürlich produktspezifische und entwicklungsnahe Informations- und Kommunikationstechnologien. Damit einem Unternehmen der Aufstieg zu einem Anbieter für IKT-basierte Dienste gelingt, sind wichtige Planungsschritte vonnöten.

Mehr als nur Produkte

IKT-basierte Dienstleistungen erfordern neue Service-Geschäftsmodelle

Klassische produktorientierte Geschäftsmodelle geraten zunehmend unter Druck. Kunden wollen nicht mehr teure Produkte mit kostspieligen Wartungsverträgen einkaufen, sondern suchen funktionierende Lösungen und Systeme, die direkt und flexibel Produktionsabläufe und Geschäftsprozesse unterstützen. Dies erfordert neue Service-Geschäftsmodelle, die kunden- und nicht mehr produktorientiert sind. Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sind ihr Kernbestandteil. Das Produkt an sich ist nur noch eine Komponente der Lösung, vernetzt mit einer globalen Infrastruktur.

Dabei wird die IT-Abteilung vom Service Center zum wichtigen „Business Enabler“ und IKT-Innovationen zu Treibern für das zukünftige Geschäft. Die Bündelung der Kompetenzen der klassischen geschäftsunterstützenden IKT mit der produktspezifischen, entwicklungsnahen IKT ist die logische Konsequenz.

Diese Art der Geschäftsmodelle erfordert neue Fähigkeiten, die in Ihrer IT-Abteilung bereits seit Jahren vorhanden sind: Service Level Agreements (SLA) müssen ausgehandelt werden, Betriebsprozesse implementiert und überwacht, neue Preismodelle entwickelt und ein Kapazitätsmanagement – oft als Echtzeitsystem – etabliert werden. Der Wandel zu einem Anbieter IKT-basierter Dienste gelingt, wenn er rechtzeitig unternehmensübergreifend geplant und durchgeführt wird.

Geschäftsmodelle im Wandel

Klassische Geschäftsmodelle „Made in Germany“ kommen immer stärker unter Druck: Produkte werden austauschbarer; Innovationen mit echtem Mehrwert für die Kunden schwieriger; der globale Wettbewerb holt auf; der Preisdruck von Großkunden und im Handel reduziert die Margen. Zusätzlich hat das Dienstleistungsgeschäft im althergebrachten Sinne –- zunächst etwas Beratung, dann Betreuung, Wartung und Reparatur nach Auslieferung – in der Realität vielfach die hohen Erwartungen nicht erfüllt.

Wie kann es gelingen, die traditionellen Stärken vieler – „deutscher“ – Branchen einzusetzen und von geänderten Kundenerwartungen im globalen Wettbewerb zu profitieren? Kunden wollen heute nicht mehr erst teure Produkte einkaufen, dann für viel Geld ihre Mitarbeiter in der Nutzung dieser Produkte schulen und hinterher auch noch kostspielige Wartungsverträge abschließen. Kunden wollen funktionierende Lösungen und Systeme, die sie direkt und flexibel in ihren Produktionsabläufen und Geschäftsprozessen unterstützen. Kurz gefragt: wie können kunden- und nicht produktorientierte Dienstleistungen gelingen?

Die Antwort hierauf ergibt sich aus den Fortschritten der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in den letzten Jahren. Nicht neu ist, dass Elektronik und Software inzwischen in fast allen Branchen entscheidend für die Produktgestaltung und die Funktionalität geworden sind: Modernste Elektronik macht zu über 30% den Wert eines Autos aus, Kaffeemaschinen sind computergesteuert und programmierbar, der Turnschuh trägt einen Sensor und kommuniziert mit dem iPod – die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Neu ist, dass alle diese elektronischen Geräte heute vernetzbar sind und miteinander kommunizieren können. Wir sprechen in Zukunft von „Cyber-Physical Systems“, dem „Internet der Dinge“, die untereinander und mit einer Infrastruktur kommunizieren.

Einige Pioniere haben bereits begonnen, die sich hieraus abzeichnenden ungeahnten Möglichkeiten für kundenorientierte Dienstleistungen zu nutzen. Auch wenn dieser Weg oft vorsichtig und zögerlich begonnen wird, stellen dabei viele Unternehmen spätestens auf halber Strecke fest, dass sie dabei eine zumeist tiefgreifende Transformation vornehmen müssen.

Kundenorientierte Dienstleistungen

So hat zum Beispiel die Claas KGaA mbH, ein internationaler Landmaschinenhersteller mit Hauptsitz im ostwestfälischen Harsewinkel, vor einigen Jahren begonnen, Innovationen der Kommunikationstechnologien gezielt zur Entwicklung kundenorientierter Services zu nutzen. Mit telematischen Dienstleistungen ermöglicht Claas Landwirten und Lohnunternehmern, jederzeit in Echtzeit per Webservice auf alle wichtigen Daten ihrer Maschinen zuzugreifen. Mit dem System lassen sich die Leistungs- und Kampagnendaten der Maschinen analysieren, untereinander oder mit Benchmarkdaten von Maschinen anderer Nutzer vergleichen und daraufhin optimieren.

Mit detaillierten Auswertungen der Betriebszeiten können Standzeiten, Wendezeiten oder Entladezeiten von Erntemaschinen analysiert und optimiert werden. Selbst die Fahrspuren des Erntegerätes können in Google Maps dargestellt und analysiert werden und zur Optimierung der gesamten Transportlogistik verwendet werden. Die Kombination aus Standort- und Systemdaten des Erntegerätes ermöglicht darüber hinaus eine präzise Ertragskartierung.

Über den Telematik-Service können Wartungs- und Reparaturzeiten reduziert werden: Aktuelle Service-Daten werden direkt zum Claas-Partner-Portal übertragen, so dass die Service-Techniker dort bereits erste Fehleranalysen durchführen, Ursachen lokalisieren und sich optimal auf den Einsatz am Standort der Geräte vorbereiten können. Der Telematik- Service ist der Einstieg des Maschinenbauers Claas in ein Geschäftsmodell als IKT-Service- Provider. Der Telematik-Service erhöht den Wert der Kernprodukte – also der Erntemaschinen – für den Kunden und bindet Service-Partner und Händler noch enger an Claas. Langfristig ist Claas auf dem Weg, sich als Dienstleister für die Ernteunterstützung neu zu erfinden und damit vom bisherigen Wettbewerb zu differenzieren.

Ein Beispiel aus der Automobilindustrie wird als „Mobility as a Service“ bezeichnet. Mit der Tochtergesellschaft Car2Go steigt die Daimler AG in das Service-Geschäft Carsharing ein. Eine Flotte von Smart-Modellen wird in einer Stadt verteilt; Kunden bekommen nach ihrer Registrierung einen Aufkleber mit Chip auf den Führerschein geklebt. Wer einen der Wagen braucht, hält lediglich den codierten Ausweis an ein Lesegerät des Smart, schon öffnet sich die Tür; der Autoschlüssel liegt im Handschuhfach. Nach der Nutzung kann das Auto beliebig im Stadtgebiet abgestellt werden. Bei diesem Service spielt IKT eine wichtige unterstützende Rolle. Neben dem vollelektronischen Abrechnungssystem können die aktuellen Standorte der Fahrzeuge sowie Sauberkeit und Tankfüllstand im Internet festgestellt und Reservierungen vorgenommen werden. Ein passendes iPhone App gibt es natürlich auch schon. Anders als bei klassischen Carsharing-Anbietern gibt es weder eine Grundgebühr noch ist eine Mitgliedschaft notwendig. Abgerechnet werden 19 Cent pro Minute – Kilometer, Sprit und Versicherung inklusive. Eine Stunde kostete maximal 9,90 Euro und für einen ganzen Tag werden 49,90 Euro berechnet. Vorbild für dieses Abrechnungsmodell ist die Telekommunikationsbranche, die mit Flatrate- und Airbag- Preismodellen Akzente im Markt setzt.

Auch letztgenannte Branche steht selber vor signifikanten Veränderungen und einer noch stärkeren Orientierung hin zu kunden- und weg von produktorientierten Service- Geschäftsmodellen.

Vor einigen Jahren noch waren Verkauf, Vermietung und Wartung von Telefonanlagen für Unternehmen ein sehr lukratives Geschäft, heute wird dieser Markt durch innovative internetgestützte virtuelle Telefonie-Dienstleistungen revolutioniert. So bietet zum Beispiel die Firma Onephone aus Ratingen für Geschäftskunden eine Lösung an, bei der Firmenhandys als Nebenstellen einer virtuellen Telefonanlage genutzt werden und unter der Festnetzrufnummer einschließlich Durchwahl erreichbar sind. Dabei übernimmt ein Server bei Onephone alle Funktionen einer klassischen Vermittlungsanlage. Die interne Weiterleitung von Gesprächen ist ebenfalls direkt mit dem Mobiltelefon möglich. Darüber hinaus können alle Funktionen auch auf dem Arbeitsplatz-PC per Mausklick ausgeführt werden. Der Kunde spart bei dieser Lösung Miete und Wartungsgebühren der alten Telefonanlage sowie die Kosten der klassischen Telefonanschlüsse. Auch die etablierten Anbieter Deutsche Telekom und Vodafone bieten mit ihren neuen Tarifangeboten „Deutschland LAN“ und „OfficeNet“ erstmals rein virtuelle Telefonanlagen für Unternehmenskunden an.

Die Deutsche Telekom geht mit ihrem „Deutschland LAN“ sogar noch einen Schritt weiter und bietet eine Kommunikationszentrale für das vernetzte Arbeiten über sämtliche Kommunikationskanäle (wie Telefonie, E-Mail, SMS und Instant Messaging) hinweg als Service an. Auch in dieser Branche wird damit in Zukunft die direkte Dienstleistung wichtiger sein als die Funktionalität der Telefonanlagen und Endgeräte.

Herausforderungen

Unternehmen, die kundenorientierte Dienstleistungen anbieten wollen, erfahren, dass die neuen Geschäftsmodelle Fähigkeiten erfordern, die sie erst nach und nach entwickeln müssen: Während Produkte über Preis und Features verkauft werden, müssen für Dienstleistungen Service Level Agreements (SLA) ausgehandelt, Betriebsprozesse implementiert und überwacht sowie neue Preismodelle entwickelt werden. Dienstleistungsgeschäfte unterliegen auch einer anderen Art von Risiko: Während Produkte auf Lager produziert und irgendwann profitabel verkauft werden, schwankt die Inanspruchnahme von Dienstleistungen und erfordert ein Kapazitäts- und Ertragsmanagement – oft in Echtzeit. Häufig ist auch die direkt angesprochene Zielgruppe für die Dienstleistung eine andere als die des Produktes, so dass Vermarktung und Kommunikation neu entwickelt werden müssen. Durch die neuen Dienstleistungsangebote können auch auf einmal andere Wettbewerber relevant werden.

Da für viele Unternehmen das Verharren in ihren bestehenden Geschäftsmodellen keine realistische Option ist, muss der risikoreiche Weg in Richtung kundenorientierter Dienstleistungen sehr sorgfältig und behutsam geplant und gegangen werden. Neben den neuen Herausforderungen des Marktes müssen häufig auch unternehmensinterne Beharrungskräfte überwunden werden. In den wenigsten Fällen gelingt eine schnelle Revolution. In vielen Fällen der Praxis hat sich schrittweises Vorgehen bewährt. Dabei muss mit „Fehltritten“ gerechnet werden und der Kurs gegebenenfalls korrigiert werden. Durch erste Erfolge entstehen jedoch Motivation und Momentum für die Veränderung. Die sorgfältige Planung hilft dabei, die Richtung nicht aus den Augen zu verlieren. Entscheidend für ein erfolgreiches schrittweises Vorgehen ist dabei der frühzeitige Start. Nur so bleibt Zeit für einen evolutionären Wandel.

Nutzen Sie IKT als Basis für Ihre neuen Geschäftsmodelle

Wie die genannten Beispiele zeigen, sind Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) Kernbestandteil fast aller neuen dienste-orientierten Geschäftsmodelle. Eine innovationsorientiert ausgerichtete IKT-Kompetenz kann Ihr Unternehmen dabei in zweierlei Hinsicht bei zukünftigen Geschäftsmodellen unterstützen:

– Zum einen können die neuen Leistungen ohne IKT technisch nicht realisiert werden: Die Kommunikation von intelligenten Sensoren auf den Landmaschinen von Claas über flächendeckende Mobilfunknetze mit Web-basierten und unternehmensinternen Anwendungen erfordert eine hochkomplexe IKT-Lösung. Das Gleiche gilt für Steuerung und Management der Car2Go-Flotte.

– Zum anderen können Ihre Mitarbeiter aus der IT-Abteilung Katalysatoren für den unternehmerischen Wandel sein, da die meisten IT-Abteilungen bereits seit längerem gewohnt sind, service-orientiert, d.h. in Kategorien von Dienstleistungen zu denken.

Eine zukunftsorientiert aufgestellte IT, die über die engen Grenzen der klassischen ERPund Office-Welt hinaus denkt, und ein intensiver Dialog mit der IT können entscheidend für die Zukunft Ihres Unternehmens sein. Unserer Erfahrung nach sind folgende Maßnahmen wichtig, um die Potenziale der IT zu nutzen:

– Geben Sie der IT in Ihrem Unternehmen den richtigen Stellenwert – Wenn IKT Treiber und Grundlage für Ihr zukünftiges Geschäftsmodell ist, dann sollte der CIO auch unmittelbar in die geschäftliche Verantwortung eingebunden sein.

– Richten Sie gemischte Innovationsteams ein – mit Vertretern aus Business Development, Vertrieb, Produktmanagement und IT. Schaffen Sie Räume für kreatives, interdisziplinäres Denken.

– Bündeln Sie das Wissen und die Stärken Ihrer klassischen, geschäftsunterstützenden IKT mit dem Know-how der produktspezifischen, entwicklungsnahen IKT. Für neue serviceorientierte Geschäftsmodelle benötigen Sie das kombinierte Know-how dieser beiden Bereiche. In Zukunft werden Infrastruktursysteme und das „Internet der Dinge“ zu komplexen Ende-zu-Ende-Lösungen zusammenwachsen; Experten bezeichnen diese heute schon als „cyber-physical systems“.

Nur so kann Ihre Geschäftsmodelltransformation gelingen und sich Ihr Unternehmen aktiv an der Gestaltung zukünftiger Märkte beteiligen.

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