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Offshoring: Globalisierungswelle erfasst Dienstleistungen
- Jürgen Schaaf
Sehr viel Emotion und politische Brisanz prägen die aktuelle Offshoring-Debatte. Dabei unterscheiden sich öffentliche Wahrnehmung und faktische Bedeutung ganz erheblich. Ein sachlicher Umgang mit dem Thema ist daher notwendig. In der vorliegenden Studie wird das Offshoring-Phänomen analysiert, und die zu erwartenden Entwicklungen werden differenziert betrachtet, speziell aus deutscher Sicht.
Die Sorge um Arbeitsplatzverluste im großen Stil macht derzeit die Runde. Dass zunehmend auch Dienstleistungen aus Niedriglohnländern über große Distanzen hinweg über das so genannte Offshoring in die internationale Arbeitsteilung integriert werden, lässt zusätzliche Befürchtungen aufkommen. Diesseits wie jenseits des Atlantiks schlägt die Thematik inzwischen hohe Wellen: Offshoring bildet einen inhaltlichen Schwerpunkt im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf und hat eine neue Protektionismusdebatte losgetreten. Auch auf dem europäischen Kontinent hat man vorsorglich gefordert, Schutzwälle aufzubauen. Und in Deutschland hatten sich Teile der politischen Linken sogar kurzzeitig Patriotismus auf ihre Fahnen geschrieben, um zu verhindern, dass massenhaft Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden.
Was ist Offshoring?
Beim so genannten Offshoring verlagern Unternehmen Prozesse, vornehmlich IT- basierte Dienstleistungen, über große Distanzen in andere Staaten, oft in Billiglohnländer. Der Begriff stammt aus der Finanzökonomie, in der Offshore-Zentren Steueroasen bezeichnen, die mit niedrigen Steuersätzen und striktem Bankgeheimnis ausländische Anleger locken. Beim Offshoring spielen Regulierungsunterschiede aber eine nur sehr nachrangige Rolle. Primär werden Lohnkostenunterschiede im Dienstleitungssektor ausgenutzt. In der Regel handelt es sich um einfache Tätigkeiten wie z.B. Dateneingabe und -verarbeitung, Call Center- und Support-Dienstleistungen (HelpDesk) oder Prozesse, bei denen Versicherungsansprüche standardisiert bearbeitet werden. Aber auch anspruchsvollere Aufgaben wie Anwendungsentwicklung und -instandhaltung, oder die Auswertung von aus Europa stammenden Computer-Tomografien durch indische Radiologen, fallen unter Offshoring.
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Oft werden diese Leistungen von externen Anbietern erbracht (Offshore-Outsourcing). Zwingend ist diese organisatorische Trennung jedoch nicht. Die Leistungen können auch aus dem Unternehmen heraus erbracht werden (Internal oder Captive Offshoring), beispielsweise in Form von Tochterunternehmen oder Unternehmenseinheiten im Ausland oder Joint Ventures sowie strategischen Allianzen. Captive Offshoring dürfte dabei sogar für zwei Drittel des weltweiten Offshoring-Volumens verantwortlich zeichnen. Das entscheidende Merkmal von Offshoring ist, dass die Leistungen im Ausland erstellt werden. Dass die Anbieter und Nachfrager auf unterschiedlichen Kontinenten sitzen, ist zwar die Regel. Indien als wichtigster Anbieter und die Vereinigten Staaten als größter Nachfrager prägen diese Vorstellung. Es gibt aber auch zahlreiche Ausnahmen. So wird die Kooperation mit Partnern auf demselben Kontinent auch als Nearshoring bezeichnet. Die osteuropäischen Beitrittsländer sowie Russland, aber z.T. auch Spanien und Portugal, fallen aus zentraleuropäischer Sicht hierunter.
Offshoring-Dimension: Herausforderung für Statistik
Zweifellos hat die Bedeutung des Offshoring seit Mitte der 90er Jahre deutlich zugenommen. Das genaue Ausmaß zu bestimmen, bereitet gleichwohl erhebliche Probleme, besonders auf internationalem Niveau.
- Für die meisten Industrieländer liegen zwar Daten zu Computer- und Informationsdiensten und geschäftsunterstützenden Dienstleistungen vor. Für viele Schwellenländer, allen voran Indien, werden diese Bereiche aber recht grob unter "andere geschäftsunterstützende Dienstleistungen" zusammengefasst.
- Außerdem kann Offshoring in sehr unterschiedlichen Formen auftreten, was es erheblich erschwert, die Ströme statistisch zu erfassen. Offshoring in Form von internationalem Outsourcing von Dienstleistungen fällt beispielsweise unter grenzüberschreitenden Handel. Falls ein Tochterunternehmen gegründet oder gekauft (mindestens 10%) oder ein Joint Venture eingegangen wird, liegt dagegen eine Direktinvestition im Ausland (FDI) vor. Zeitweise werden auch nur vorübergehend Arbeitskräfte ins Ausland entsandt, was je nach Institution nicht als grenzüberschreitender Vorgang gewertet wird.
- Schließlich kommt zu diesen allgemeinen Schwierigkeiten hinzu, dass Firmen z.T. unpräzise an die statistischen Ämter berichten, da die Definitionen im Dienstleistungssektor schwer verständlich oder die Liefermodalitäten unklar sind. Ganz besonders trifft das auf den IT-Bereich zu.
Insofern überraschen statistische Ungereimtheiten nicht, ihr Ausmaß kann dennoch erschrecken. Eine Untersuchung der OECD vergleicht Exportdaten Indiens mit den Importangaben der jeweiligen Handelspartner aus Nordamerika, der EU und Japan. Für den Bereich "Dienstleistungen" und "Dienstleitungen ohne Reise und Verkehr"
können 75 bis 91 Prozent des von Indien ausgewiesen Handelsvolumens für die Jahre 2000 bis 2002 nicht über die entsprechenden Importangaben erklärt werden. Für den Bereich "Computer und Informationsdienstleistungen" sind es im selben Zeitraum sogar über 95%Prozent.
Offshoring-Dimension: Üppiges Geschäft weltweit und wachsend
Trotz dieser statistischen Unwägbarkeiten publizieren Forschungsinstitute und Beraterfirmen derzeit zahlreiche Schätzungen und Prognosen. Das globale Volumen des Offshoring-Marktes beläuft sich auf Größenordnungen zwischen USD 10 und 50 Mrd. (2003). Neben der diskutierten schlechten Datenlage zeichnen Abgrenzungsunterschiede bei den gehandelten Dienstleistungen und beobachteten
Ländern für den breiten Korridor verantwortlich. Erstens reicht das Spektrum von Software-Exporten über Business Process Outsourcing (BPO) bis zu allen Exporten im Dienstleistungsbereich. Zweitens ergeben sich zwangsläufig viel höhere Werte, wenn entwickelte Länder wie Kanada, Irland oder Australien als Offshore-Standorte verstanden werden, als wenn man sich auf die reinen Niedriglohnländer beschränkt. Drittens basieren viele Prognosen auf Marktvolumina aus den Hochzeiten des IT- und Internetbooms und ignorieren teilweise die zyklischen Rückschläge dieses Segments.
Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass der Offshore-Outsourcing-Markt in Bewegung ist und dynamisch wächst. Zweistellige jährliche Wachstumsraten sind die Regel, und oft wird die 20%-Marke in den Prognosen übertroffen.
Die nächste Welle der Globalisierung
Die Verlagerung der Produktion in andere Länder ist nicht neu. Bereits in den 60er und 70er Jahren wurde Produktion aus dem Verarbeitenden Gewerbe im großen Umfang nach Japan verlagert. In den 80er und 90er Jahren verlegten die Industrieländer Teile ihrer Produktion nach Süd-Ost-Asien oder Lateinamerika, speziell in den Branchen Elektrotechnik und Maschinenbau. In der jüngeren Vergangenheit gewinnt China als Standort für das Verarbeitende Gewerbe immer mehr an Bedeutung. Neu dagegen ist, dass nun auch Dienstleistungen - und zwar nicht nur einfache Tätigkeiten - in anderen Ländern und auf anderen Kontinenten erstellt und von dort importiert werden.
Neue Eigenheiten der Dienstleistung
Der technische Fortschritt verändert die Natur der Dienstleistung. Für diesen strukturellen Bruch gibt es im Wesentlichen zwei Gründe:
- Zum einen erlaubt es die moderne IT, informationsintensive Dienstleistungen, wie etwa die Ergebnisse eines Großteils der Bürotätigkeiten, zu digitalisieren. So können sie ohne nennenswerten Aufwand gespeichert und kopiert werden.
- Zum zweiten ebnen die global vernetzten Datenleitungen den Weg, um digitale Güter global zu vertreiben. Selbst zwischen Industrieländern und den Emerging Markets sind die Kommunikationsleitungen inzwischen hinreichend stabil, um digitalisierte Güter international zu handeln. Vor dem digitalen Zeitalter waren Dienstleistungen durch das so genannte uno-actu-Prinzip gekennzeichnet. Sie waren zwingend am selben Ort und zeitlich simultan zu erstellen sowie zu verbrauchen. Zwar gibt es nach wie vor zahlreiche Dienstleistungen, bei denen der Kunde zum Anbieter kommen muss (z.B. Tourismus oder Behördendienste) bzw. der Produzent den Konsumenten aufsucht (etwa bei Reparaturen oder personenbezogenen Diensten). Allerdings nimmt der Anteil der Dienstleistungen immer stärker zu, bei denen der persönliche Kontakt zwischen Produzent und Konsument nicht mehr erforderlich ist (disembodied services). Das ebnet den Weg, die Wertschöpfung auch im Dienstleistungssektor global im Raum zu verteilen und die Kostenvorteile der günstigsten Standorte zu nutzen.
Aber es sind nicht allein die Kosten, die westliche Unternehmen dazu bewegen, Prozesse ins Ausland zu verlagern. Wie schon in früheren Globalisierungsphasen wirken unterschiedliche Treiber. Sie lassen sich im Kern in vier Motivgruppen zusammenfassen. Da aber mehrere Motive gleichzeitig wirken können, sind die zu erwartenden Effekte nicht immer trennscharf auf eine einzige Ursache zurückzuführen.
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1. Der kostenorientierten Verlagerung kommt nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung die größte Bedeutung zu. Beim IT-Offshoring erscheinen speziell die niedrigen Lohnkosten der Schwellenländer - aber auch der osteuropäischen EU-Beitrittsländer - so attraktiv, dass es sich auch dann noch rechnet, Prozesse nach Übersee zu verlagern, wenn die distanzbedingten erhöhten Kontroll- und Anbahnungskosten mit in die Kalkulation aufgenommen werden. So kostet die Arbeitsstunde eines Software-Entwicklers in Deutschland EUR 54 und in den USA 44 EUR. In China liegen die Kosten dagegen nur bei EUR 14, also deutlich darunter. In Tschechien und Indien betragen die Arbeitskosten mit EUR 8 bzw. 7 pro Stunde noch einmal um die Hälfte weniger. Allerdings dürfen die erheblichen Unterschiede bei den Löhnen nicht als einziger Kostenblock gesehen werden. Mit dem Offshoring gehen spezifische Zusatzkosten einher, die im Vorfeld oft nicht bedacht werden und die das Einsparpotenzial erheblich mindern. Typischerweise betragen die Offshore-Arbeitskosten zwar nur 15 Prozent bis 50 Prozent der Gesamtkosten eines Projekts gegenüber 75 Prozent im Heimatland. Dazu addieren sich aber offshoring-bedingte Management- und Betriebskosten wie das Vendor-Management. Insgesamt ergibt sich ein kalkulatorisches Einsparpotenzial von 20 Prozent bis 65 Prozent. Realistisch - und typisch - sind allerdings 20 Prozent bis 30 Prozent. Besonders in den ersten Jahren wird das gesamte Sparpotenzial noch nicht voll ausgeschöpft, weil die Erfahrung fehlt. Zu den häufigsten und kostspieligsten Risiken beim Offshoring zählen die Auswahl des Dienstleisters, die Vertragsgestaltung, das Überführen der Prozesse ins Ausland, Kosten, die durch den Abbau der heimischen Belegschaft generiert werden (Sozialpläne, Abfindungen etc.) und Produktivitätseinbußen, bedingt durch kulturelle Unterschiede.
2. Wenn die erforderlichen Fachkräfte im Heimatland nicht zu finden sind, kann die Produktion aus Beschaffungsmotiven in Länder verlegt werden, die reichlich über die jeweiligen Experten verfügen. Humankapital ist der knappe "Rohstoff" in der Wissensgesellschaft. Ganz besonders stark nachgefragt werden Informatiker und Fachkräfte aus den Ingenieurwissenschaften. Den derzeit gut 5.000 IT-Absolventen in Deutschland und den 25.000 in den USA, die den Arbeitsmarkt jährlich neu betreten, stehen 120.000 in Indien und sogar 250.000 in China gegenüber. Auch wenn die IuK-Branche in den letzten beiden Jahren in Deutschland z.T. konjunkturell bedingt Stellen abgebaut hat, werden weiterhin jede Woche etwa 50 Green Cards für IT-Experten aus Heimatländern außerhalb der EU ausgestellt. Der Mangel an IT-Spezialisten fällt derzeit zwar weniger akut aus als 2000, als 75.000 IT-Experten fehlten. Ende 2003 gaben aber immer noch fast 30 Prozent der IuK-Unternehmen an, nicht in ausreichendem Umfang Fachkräfte zu finden. Mittelfristig wird sich dieser Fachkräftemangel wieder verschärfen, nicht zuletzt wegen der demografischen Entwicklungen. Offensichtlich spielt aber auch die Qualität der Fachkräfte eine zentrale Rolle, und nicht nur die reine Verfügbarkeit. Studienabschlüsse international zu vergleichen bereitet aber erhebliche Schwierigkeiten. Bereits auf der nationalen Ebene fällt dies schwer. Aussagekräftiger als die theoretische Ausbildung von Universitätsabsolventen sind international anerkannte Standards, die die Qualität von Prozessen in Unternehmen objektiv messen und bewerten (Capability Maturity Model (CMM), ISO9000- oder Six-Sigma-Zertifikate), und damit den effektive Einsatz der Fachkräfte. Die Schwellenländer, allen voran Indien, haben hier kräftig aufgeholt.
3. Eines der ältesten Motive für das Engagement im Ausland ist, neue Märkte zu erschließen. Die Unternehmensaktivitäten im Ausland werden dabei in der Regel komplementär zum Engagement im Inland aufgebaut. Speziell bei Produkten nah am Endkunden erscheint es sinnvoll, Mitarbeiter vor Ort einzusetzen, um so lokales Know-how zu Märkten sowie Bedürfnissen und Geschmack zu nutzen. Bevölkerungsreiche dynamische Wachstumsregionen wie Indien, die Philippinen oder China bieten für die Hersteller von Mobiltelefonen bis hin zur Unternehmenssoftware ein erhebliches Umsatzpotenzial. Um das auszuschöpfen, ist lokale Präsenz erforderlich. Teilweise bestehen die Regierungen in den neuen Märkten sogar darauf, dass ausländische Firmen Produktion vor Ort aufbauen, bevor sie ihre Erzeugnisse dort vertreiben dürfen.
4. Schließlich wirkt die Qualität der Standorte auf die Motivation, Produktion oder Dienstleistungen zu verlagern. Unternehmensfreundliche Rahmenbedingungen wie ein liberaler Kündigungsschutz sowie Subventionen und Steuervergünstigungen können als Pull-Faktoren für ausländische Unternehmen wirken. Eingeengter unternehmerischer Spielraum, eine zu hohe Regulierungsdichte oder eine zu hohe Steuerlast im Heimatland können als Push-Faktoren bewirken, dass Produktionsprozesse ins Ausland verlagert werden.
Konsequenzen in der Heimat
Diese unterschiedlichen Zielsetzungen zeitigen spezifische Wirkungen im Inland. Wenn Unternehmen rein aus Kostenüberlegungen in Offshore-Regionen aktiv werden wollen, kommt es zu echten substituierenden Verlagerungen, d.h. inländische Prozesse und Stellen werden aufgegeben bzw. abgebaut. Das Gleiche gilt für standortorientierte Verlagerungen: dem Abbau im Inland steht der Aufbau im Ausland in ähnlicher Größenordnung gegenüber. Anders verhält es sich, wenn Unternehmen aus Beschaffungsengpässen die Produktion in Offshore-Regionen aufnehmen oder weil sie in Wachstumsmärkte vorstoßen wollen. Hier werden Prozesse ergänzend zur Heimatproduktion im Ausland aufgebaut. Das so generierte Umsatzwachstum in neuen Märkten (Absatzmotiv) sowie die Tatsache, dass Engpässe (Beschaffungsmotiv) überwunden werden, können sogar zusätzliche Produktion und Beschäftigung im
Heimatland auslösen.
Die nationalen Angebotspaletten der Offshore-Standorte unterscheiden sich merklich. Dafür gibt es gute Gründe. Nach der Cluster-Theorie von Michael Porter spezialisieren sich Regionen auf die Produktion bestimmter Güter. Dadurch sinken die Produktionskosten, und die Qualität der Zulieferleistungen steigt. Die Kundenwünsche und die hohe Wettbewerbsintensität wirken dynamisch auf die produktiven Kräfte eines Clusters. Somit wird das Wachstumspotenzial der gesamten Region erhöht. Alle Unternehmen profitieren von der vorhandenen Infrastruktur und dem breiten Angebot an Arbeitskräften mit dem gewünschten Qualifikationsprofil. Zwar stellt der Cluster-Ansatz primär auf die Bedeutung von Regionen ab. Insofern lässt er sich nur bedingt auf großflächige Subkontinente wie Indien oder auch China übertragen. Jedoch sind die konkreten Firmen gehäuft in räumlich begrenzten, Cluster-ähnlichen Regionen angesiedelt und nicht flächendeckend über die jeweiligen Länder verteilt. So entfallen 85 Prozent der indischen IT-Exporte auf nur dreizehn Städte-Cluster.
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Indien: Mutterland des Offshore-Outsourcing
Indien ist der wichtigste Offshore-Standort im IT-Bereich. Je nach Quelle wird Indiens Anteil am globalen Offshore-Outsourcing-Geschäft auf 70 - 90 Prozent geschätzt. Die Schwerpunkte der indischen Angebotspalette liegen in der Applikationsentwicklung, der Übernahme eines gesamten IT-Unternehmens oder vereinzelter unterstützender Geschäftsprozesse (BPO) und bei Call-Center-Diensten. Als wichtigster Handelspartner zeichnet Nordamerika mit zwei Dritteln für den Löwenanteil der Software und IT-basierten Dienstleistungsexporte Indiens verantwortlich. Bemerkenswert ist speziell die hohe Qualität der indischen Software- und BPO-Branche: 2002 wurden in Indien die meisten CMM Level 5 zertifizierten Unternehmen weltweit gezählt. Level 5 ist die höchste Stufe des Reifegrades der Entwicklungsprozesse eines Softwarelieferanten in diesem Referenzmodell.
Die Anfänge des indischen IT-Export-Booms reichen bis in die Mitte der 1980er Jahre zurück. Texas Instruments eröffnete damals eine Niederlassung in Bangalore mit Schwerpunkt Entwicklung, ein Jahr später folgte Motorola. Bis Mitte der 1990er Jahre zogen besonders amerikanische und westeuropäische multinationale Konzerne aus der Elektronikindustrie nach. Erst ab der zweiten Hälfte der 90er Jahre jedoch eröffneten die großen Softwarehäuser wie Microsoft, SAP oder Adobe Entwicklungszentren in Indien. Parallel wuchs die Zahl der indischen Unternehmen, die auf Basis von Verträgen insbesondere für US-amerikanische Auftraggeber Programmieraufträge übernahmen, auf inzwischen über 3.000. Mittlerweile belaufen sich die indischen Software- und Dienstleistungsexporte auf gut USD zwölf Mrd. Wenn die Dynamik der letzten Jahre anhält, werden sie bis 2008 auf knapp USD 38 Mrd. ansteigen. Begünstigt wurde diese Entwicklung zum einen dadurch, dass sich Indien seit 1991 ausländischen Investitionen und Kooperationen verstärkt öffnete. Zum zweiten förderte das Engagement des nationalen Branchenverbands NASSCOM seine Mitglieder erfolgreich.
Indien hat den Status eines reinen Discountanbieters im IT-Bereich längst abgelegt. Seine größten Player spielen in einer eigenen Liga. Über die Qualität ihrer Leistungen haben sie international sehr viel Reputation aufgebaut. Sie verlagern inzwischen ihrerseits Aufgaben in noch günstigere Länder wie China oder die Philippinen. Außerdem expandieren sie auch nach Westeuropa, wo sie kleinere lokale Firmen aufkaufen.
Während vereinzelte Studien China als das nächste Indien im IT-Offshore-Outsourcing sehen, gibt es doch einigen Grund, dieser Einschätzung skeptisch gegenüber zu stehen. Zwar eröffneten bereits vereinzelt westliche Konzerne Software-Entwicklungszentren in China. Und auch indische Firmen verlagern Einheiten, um von den geringeren Kosten der niedriger qualifizierten IT-basierten Tätigkeiten, wie Dateneingabe, in China zu profitieren. Dennoch bremsen die vergleichsweise schwach entwickelte IT-Infrastruktur, die nicht hinreichend verbreiteten Englischkenntnisse sowie die noch geringe Zahl (erfahrener) IT-Spezialisten den Aufholprozess. Chinas Stärken liegen eher bei Embedded Services und im Hardwarebereich. Chancen sind außerdem darin zu sehen, für andere asiatische Länder Back-Office-Aktivitäten für Finanzdienstleister, Telekom- und Handelsunternehmen bereitzustellen.
Philippinen: Aufholjagd mit großem Potenzial
Die philippinischen Stärken liegen bei Call-Centern, im BPO von Bilanzierung, Buchhaltung und Human Resources, Abschriften und Dateneingabe sowie bei Animationslösungen. Englisch als Amtsprache - die Philippinen sind das drittgrößte englischsprachige Land, aber auch Spanischkenntnisse sind weit verbreitet -, die große, junge Bevölkerung und die kulturelle Nähe zum Westen vereinfachen die Zusammenarbeit ganz besonders bei den Call-Centern. Bis zum Jahresende gibt es 40.000 Stellen in diesem Bereich, die Kapazität wird sich 2005 verdoppeln. Der Export IT-basierter Dienstleistungen sowie Programmierung im großen Stil besitzen zwar Wachstumspotenzial, stecken aber noch in den Kinderschuhen.
Warum in die Ferne schweifen? Osteuropa liegt so nah
Die sprachlichen und kulturellen Unterschiede zu Südostasien werden häufig als Hauptgründe dafür genannt, dass kontinentaleuropäische Konzerne sich im Vergleich zu den angelsächsischen Staaten mit Offshoring noch schwer tun. Entsprechend hoch sind die Erwartungen, dass Osteuropa in die Rolle einer Nearshore-Partner-Region schlüpfen werde. Die Aussichten für die osteuropäischen und südosteuropäischen Länder sind dabei günstiger als für Russland.
Osteuropa: Viel Neues im Osten
Die osteuropäischen EU-Beitrittsländer bieten ihren westlichen Nachbarn zunehmend Dienstleistungen im IT- und BPO-Bereich an. Die geografische Nähe - relativ zu Südostasien - erleichtert es, Vorgehen abzustimmen sowie Rückfragen zu stellen. Die jeweiligen Zeitzonen liegen hinreichend nah beieinander, um etwa während der Kernarbeitszeiten zu telefonieren. Aber auch die geringen Flugdistanzen erlauben bei Bedarf persönliche Zusammenkünfte. Bulgarien und Rumänien stellen einen großen Arbeitskräftepool an qualifizierten IT-Experten. Ungarn, Polen und Tschechien verfügen über eine Vielzahl an deutsch- und englischsprachigen Fachkräften. Das erleichtert die Kommunikation deutlich. In die jungen Balkanstaaten sind inzwischen zahlreiche ehemalige Kriegsflüchtlinge zurückgekehrt, die im Westen Berufserfahrungen und branchenspezifisches Know-how vor Ort gesammelt haben. Sie können als Brückenköpfe zu den westeuropäischen Auftraggebern fungieren oder leitende Funktionen in den jeweiligen Teams übernehmen.
Russland: Russischer Bär kommt nur langsam in Bewegung
Da Russland über einen großen Bestand an hoch qualifizierten IT-Fachkräften verfügt, liegen seine Kernkompetenzen besonders im Software-Engineering und der hochwertigen Anwendungsentwicklung. Die Gehälter der Software-Programmierer liegen leicht über den tschechischen und sind damit allemal konkurrenzfähig. Ein bedeutender Player ist Russland jedoch nicht. Russlands Standortnachteil ist, dass seine wirtschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen als ähnlich unstabil gelten wie seine technische Infrastruktur. Außerdem ist die IT-Anbieterlandschaft recht heterogen in Bezug auf Größe und Qualität. So sind selbst die größten Anbieter zu klein, um international agieren zu können. Sie tun sich außerdem mit der Kontaktaufnahme schwer, da sie keine Repräsentanzen im westlichen Ausland aufgebaut haben und eine Interessenvertretung im Stile einer NASSCOM fehlt.
Die Vorteile des Offshoring liegen auf der Hand. Allerdings erweisen sich zahlreiche Hindernisse in der Praxis als gravierend. Hochspezifische, geschäftskritische Aufgaben kommen für Offshoring nicht in Frage. Prozesse, die regelmäßige Rückfragen und Änderungen erfordern, scheiden ebenfalls aus. Auch wenn neue Geschäfte sich anbahnen, ist ein erster direkter Kontakt oft unabdingbar. Schließlich wird sich im kundennahen Servicebereich der Erfolg nur über persönliche Kontakte einstellen. Dies kann Offshoring nicht leisten.
Weit weniger greifbar, aber nicht minder bedeutsam sind sprachliche sowie kulturelle Barrieren. Indische Programmierer erwarten andere Anweisungen als westliche Auftraggeber sie typischerweise formulieren. Auch stellt die Qualität der Sprachkenntnisse außerhalb des angelsächsischen Raums eine nicht zu unterschätzende Hürde dar, nicht nur, wenn Verträge verfasst werden. Call-Center-Dienstleistungen werden deshalb auf absehbare Zeit kein großes Gewicht im deutschen Portfolio der Tätigkeiten erlangen, die verlagert werden können. Schließlich kommen aber auch Ängste zum Tragen. Die Sorge vor dem Rückgang der Servicequalität, mangelnder Kontrolle, dem Verlust firmeninterner Kenntnisse oder negativer PR-Wirkung halten bislang speziell die Europäer von einem stärkeren Engagement in Offshore Regionen ab.
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Es kristallisieren sich also lediglich bestimmte IT-basierte Aktivitäten heraus, die für eine Verlagerung in Frage kommen. Es eignen sich nur Prozesse, die standardisiert, klar strukturiert, modular und in der Zusammenarbeit einfach zu handhaben sind. Das wiederum hat unterschiedliche Konsequenzen für die verschiedenen Branchen und Berufsfelder. Prädestiniert für Offshoring sind branchenunabhängige, unterstützende Prozesse ohne direkten Bezug zum Endkunden, d.h. primär Backoffice-Aufgaben. Im IT-Bereich eignen sich Anwendungsentwicklung, Programmierung, die Wartung und Instandhaltung von Software-Anwendungen, Help-Desk- und Call-Center-Dienste. Aber auch IT-Infrastrukturen, Rechenzentren, Personalverwaltung oder Buchhaltung sowie Web Hosting, Server- und Netzwerk-Management sind prinzipiell geeignet. Schließlich kommen Forschung und Entwicklung, System-Architektur, Netzwerk- und Datensicherung bedingt in Frage. Entsprechend sind auch die verschiedenen Branchen unterschiedlich stark vom Phänomen Offshoring betroffen. Finanzdienstleister, Software-Firmen, Telekommunikationsfirmen, Elektronik- und Technologie-Unternehmen haben bislang die meisten Prozesse und Stellen ins Ausland verlagert. Ihre informationsintensiven Dienstleistungen eignen sich besonders gut, um digitalisiert und in Modulen auch aus Übersee importiert zu werden. Diese Wirtschaftsbereiche werden auch weiterhin dynamisch die Kostenvorteile anderer Standorte für sich zu nutzen wissen, nicht zuletzt, weil IT-basierte Prozesse eine immer gewichtigere Rolle in der Kostenstruktur eingenommen haben. So stieg der Anteil der IT-Ausgaben an den Gesamtausgaben bei deutschen Banken von ca. elf Prozent im Jahr 1996 auf 15-20 Prozent im Jahr 2002.
Nachholbedarf besteht im Gesundheitswesen und im Handel. Insbesondere in diesen Branchen bieten geschäftsunterstützende Prozesse ein großes Automatisierungspotenzial und können in weiteren Schritten standardisiert sowie teilweise in günstigere Regionen verlagert werden.
Der Offshoring-Trend wirkt sich schließlich auch auf Berufe und die entsprechenden Gehälter im Heimatland unterschiedlich aus. Die Berufsfelder Dateneingabe und einfache Programmiertätigkeiten verlieren relativ an Bedeutung und die Gehaltsniveaus dieser Tätigkeiten geraten parallel unter Druck. Die Nachfrage nach ITManagern, die internationale Teams mit Mitarbeitern rund um den Globus erfolgreich leiten, wird dagegen überproportional steigen. In den USA sank die Bezahlung einfacher Aufgaben im Bereich Anwendungsentwicklung um 17,5 Prozent in den letzten beiden Jahren. Die
Gehälter von IT-Projekt-Managern stiegen dagegen im selben Zeitraum um 14,3 Prozent.
Offshoring als Prozess der schöpferischen Zerstörung …
In gesamtwirtschaftlicher Perspektive verbilligt das Geschäftsmodell Offshoring die Produktion des heimischen Dienstleistungssektors. Solche Prozessinnovationen führen im Zuge der so genannten schöpferischen Zerstörung dazu, dass die Firmen mit weniger Personal auskommen. Bei gleichem Output steigt die Produktivität. Die Gewinne der Eigentümer erhöhen sich. Das lockt wiederum neue Anbieter auf den Plan, bevor der Wettbewerb steigt und die Margen wieder sinken.
Auf der Nachfrageseite wird die Kaufkraft der Kunden dadurch erhöht, dass Dienstleistungen günstiger angeboten werden. Die niedrigeren Kosten der Produktion verringern die Preise der erstellten Güter und Dienstleistungen für den bestehenden Kundenstamm. Aber auch kleinere mittelständische Firmen können so als Kunden gewonnen werden, die sich etwa Softwarelösungen für ihre innerbetrieblichen Abläufe bislang nicht leisten konnten. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage wird angeregt, Wachstum wird generiert, und es werden Arbeitsplätze in anderen Unternehmen geschaffen. In der Tat kommen Schätzungen zu dem Ergebnis, dass die USA zwischen 1995 und 2002 um jährlich 0,3 Prozentpunkte geringer gewachsen wären, hätten die Firmen auf IT-Offshore-Outsourcing verzichtet.
… verstärkt Wachstumsschub im IT-Sektor
Der Offshoring-Trend ist einer der Faktoren, die die Erholung im IuK-Sektor vorantreiben und verstärken. Die gesteigerte Produktivität wird zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen. Dabei haben die USA einigen Vorsprung vor Europa. Der US-amerikanische IT-Markt wird in diesem Jahr um 3 ½ Prozent und 2005 um 5 ¼ Prozent wachsen. In Europa (einschließlich Osteuropa) werden wir 2004 2 ¾ Prozent bzw. 2005 4 ½ Prozent Wachstum sehen.
Der US-amerikanische IT-Markt repräsentiert mit reichlich EUR 400 Mrd. und gut 40 Prozent den größten IT-Markt der Welt im laufenden Jahr 2004. Aber auch Europa zeichnet mit gut EUR 300 Mrd. für etwa 30 Prozent des zu erwarteten globalen Marktvolumens verantwortlich und stellt mit deutlichem Vorsprung den zweitgrößten Markt. Die Dominanz US-amerikanischer IT-Firmen spricht aber dafür, dass sich diese Lücke auf mittlere Sicht auch nicht schließen wird. Acht der zehn weltweit größten Software-Häuser stammen aus den USA (je eines aus Deutschland und Japan). Auch bei den IT- Dienstleistungsfirmen haben acht der weltweiten Top 10 ihren Sitz in den USA.
Der Trend, IT-basierte Prozesse ins Ausland zu verlagern, wird auch in Deutschland an Bedeutung gewinnen. Durch Offshoring verbilligte IT-Dienstleistungen werden der Durchdringung der Wirtschaft mit IuK-Technologien weiter Vorschub leisten. Derzeit belasten z.B. Wartungsarbeiten von Altsystemen die IT-Budgets deutscher Unternehmen erheblich. Das blockiert Investitionen in innovative Vorhaben. IT-Offshoring kann hier Chancen eröffnen.
Auch viele kleine und mittelständische Firmen aus eher traditionellen Branchen werden sich den Einstieg in Unternehmenssoftware wie CRM- und ERP-Systeme leisten können. Das erschien vielen bislang als zu teuer. Offshore-Outsourcing kann den Break-even-Point deutlich senken.
Allerdings fallen die direkten positiven und negativen Konsequenzen speziell für den IT-Sektor in Deutschland schwächer aus als in den USA. Hierfür sprechen mehrere Gründe:
- Deutschland fehlen - bis auf wenige Ausnahmen - ITUnternehmen und Software-Häuser mit globaler Bedeutung. Diese Weltmarktführer streichen die zusätzlichen Gewinne ein, die durch Offshore-Outsourcing erwirtschaftet werden. Auch ist eine gewisse Größe erforderlich, um die Investitionen und das Management größerer Offshoring-Projekte zu schultern.
- Der IT-Sektor in Deutschland ist relativ wie absolut kleiner als in den USA. So lag der Anteil des Umsatzes mit Informationstechnik und Telekommunikation am Bruttoinlandsprodukt 2003 in Deutschland mit gut 6% um fast 2 Prozentpunkte unter dem Wert der USA (siehe Grafik). Dieser Sektor profitiert zusammen mit den Finanzdienstleistern am meisten vom Offshore-Outsourcing.
- Die kulturellen Barrieren zu den Top-Offshore Standorten wie Indien sind höher als für die angelsächsischen Länder. Zwar bieten sich verstärkt die östlichen Nachbarn als Nearshore-Regionen an. Diese sind in Bezug auf Preise und Qualität, noch deutlich weniger attraktiv als der Offshoring-Primus.
- Speziell das Sprachproblem macht es derzeit schwierig bis unmöglich, Call-Center-Dienstleistungen ins Ausland zu verlegen und damit eines der wichtigsten Felder des Offshore-Outsourcing für den deutschen Markt zu nutzen. Zwar sind die Sprachkenntnisse der Mitarbeiter oft sehr gut. Starke Akzente oder mangelnde Kenntnisse der nationalen Besonderheiten der Mitarbeiter führten aber dazu, dass selbst amerikanische Computerhersteller nach kurzer Zeit ihr Call-Center-Experiment in Indien beenden mussten, da es von den Kunden nicht angenommen wurde. Und dies gilt trotz geringer Sprachschwierigkeiten im Vergleich zu Deutschland.
Die genannten Faktoren bremsen den Offshoring-Trend erheblich. In der Konsequenz sind daher auch weniger Jobs im Inland direkt bedroht. Wir erwarten, dass bis 2009 maximal 2 Prozent der Stellen im Dienstleistungssektor dem Offshoring zum Opfer fallen. Das sind gut 500.000 Arbeitsplätze. Im IT-Bereich selbst rechnen wir mit 50.000 Stellen. Das entspricht rd. 3,5 Prozent der 1,4 Mio. IT-Arbeitsplätze, die es derzeit in Deutschland branchenübergreifend gibt. Gravierender ist allerdings, dass auch die Wachstumsimpulse schwächer sind als in den Pionierländern des Offshoring-Trends. Im Endeffekt werden auch weniger neue Stellen geschaffen. Der unflexible Arbeitsmarkt und der rigide Kündigungsschutz tun ihr Übriges, um den Aufbau neuen Stellen auszubremsen. Erschwerend kommt hinzu, dass Deutschland aufgrund seiner Altersstruktur und der zu geringen Anzahl von Informatikstudenten dringend Talente im oder aus dem Ausland braucht.
Für Deutschland wird erwartet, dass es saldiert 20 Cent von jedem Euro verliert, der über Offshore-Outsourcing nach Indien oder Osteuropa verlagert wird, während die USA für jeden Dollar 1,13 USD netto einstreichen. Die Hauptgründe sind, dass erstens die USA einen großen Teil der Ausstattung herstellen und exportieren, die die Anbieter einsetzen, zweitens viele indische Firmen in US-amerikanischem Besitz sind und drittens die deutsche Wiedereinstellungsrate relativ niedrig ist.
Friktionen und individuelle Verlierer trüben das rosige Szenario
Auch wenn auf lange Sicht technischer Fortschritt und internationaler Handel den gesellschaftlichen Wohlstand steigern, gibt es in Zeiten strukturellen Wandels temporäre Rückschläge und individuelle Verlierer. Ihnen dürfte die Aussicht auf die zu erwartenden Nettowohlfahrtsgewinne ein schwacher Trost sein.
- Diejenigen, die ihre Stellen verlieren, weil ihre Tätigkeit in Offshoring-Regionen verlagert wird, werden nicht zwingend einen neuen Job finden - selbst wenn langfristig neue Stellen geschaffen werden. Speziell die einfacheren Tätigkeiten wie Abschriften, Dateneingabe oder anspruchslosere Programmiertätigkeiten sind unwiederbringlich verloren, sobald sie einmal erfolgreich verlagert wurden.
- Diejenigen, die eine neue Stelle finden, können nicht sicher sein, dass sie die gleichen Konditionen bietet. Geringere Gehälter, weniger attraktive Arbeitsbedingungen und Inhalte sind nicht ungewöhnlich.
So hat das amerikanische Bureau of Labour Statistic festgestellt, dass zwischen 1979 und 1999 knapp ein Drittel der handelsbedingt freigesetzten Arbeitskräfte keine neue volle Stelle gefunden haben. 55 Prozent fanden zwar einen neuen Arbeitsplatz, mussten aber Einkommenseinbußen von 15 Prozent oder mehr hinnehmen.
Politische Antworten: ratlos bis unausgegoren
Die Strategie des Offshore-Outsourcing lässt Fragen offen, die beantwortetet werden wollen. Den politischen Empfehlungen, die bislang vorgeschlagen werden, fehlt es an Überzeugungskraft.
- In den USA liegen dreizehn Gesetzesinitiativen auf Bundesebene vor, die den Offshoring-Trend behindern. 33 Bundesstaaten haben entsprechende Gesetze bereits auf den Weg gebracht, ohne dass sie aber bislang in Kraft getreten wären. Demzufolge dürften z.B. Regierungsstellen keine Aufträge an Firmen vergeben, die Prozesse ins Ausland verlagern. Protektionistische Barrikaden zu errichten ist jedoch der falsche Weg. Unter Experten besteht ein breiter Konsens, dass die langfristigen Vorteile des Strukturwandels - in dem Offshoring ein tragendes Element bildet - nicht geopfert werden dürfen, um die Anpassungsschmerzen zu mildern.
- Der Versicherungsvorschlag von Kletzer sowie verwandte Konzepte sehen vor, dass ein Teil der Kostenersparnis durch Offshoring in einen Fonds eingezahlt wird. Daraus erhalten die Offshoring-Verlierer als Gruppe zeitlich begrenzt Entschädigungszahlungen. Das kann entweder in der Zeit der Arbeitslosigkeit oder als Ergänzung zu einem niedrigeren Gehalt in einem neuen Beschäftigungsverhältnis geschehen. Auch Weiterbildungsmaßnahmen und Umschulungen könnten aus solchen Fonds finanziert werden. Das McKinsey Global Institute hat errechnet, dass Unternehmen mit Einzahlungen von nur 4 bis 5 Prozent der Einsparungen durch Offshoring alle freigesetzten Mitarbeiter in einem solchen Modell versichern könnten. Der Charme des Vorschlags liegt sicher in seiner Präzision. Allerdings erscheint er zu akademisch, um auf breiter Front Akzeptanz zu finden und in die Realität umgesetzt zu werden. Letztlich unterscheidet sich das Modell nur marginal von einer allgemeinen Arbeitslosenversicherung. Sein spezifischer Charakter birgt darüber hinaus die üblichen Gefahren diskretionärer Eingriffe in das Marktgeschehen.
- Der Mangel an Überzeugungskraft der kurzfristigen politischen Vorschläge macht die Dringlichkeit struktureller Reformen - speziell in Deutschland - überdeutlich. Auch wenn diese erst auf längere Sicht wirken, ist es um so wichtiger, auf die Bedeutung von lebenslangem Lernen hinzuweisen, für höhere Investitionen in Forschung und Entwicklung zu plädieren, freien Handel zu fördern statt zu blockieren und wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen zu fordern.
Offshoring nicht Teil des Problems, sondern der Lösung
Die Offshoring-Debatte wird noch eine ganze Weile die Gemüter erhitzen - in Deutschland und anderswo. Dabei geht die reine Sorge um Arbeitsplatzverlagerung am Kern der Problematik vorbei. Dass konkrete Stellen im Strukturwandel abgebaut werden, ist ein altbekanntes Phänomen. Entscheidend ist, dass parallel neue Jobs geschaffen werden.
Insgesamt ist Offshore-Outsourcing daher weit weniger schädlich für Volk und Vaterland, als die neuen Patrioten uns glauben machen wollen. Offshoring kann als Geschäftsmodell sogar einen bedeutenden Beitrag leisten, heimische Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung zu sichern. Die gesteigerte Produktivität generiert Wachstum, und mittelfristig entsteht auch neue Beschäftigung. Per Saldo sind positive Effekte zu erwarten.
Sorge aus deutscher Sicht bereitet die geringe Zahl der Weltmarktführer im IT- und Software-Bereich, die vom Offshore-Outsourcing direkt profitieren. Das schwächt den Aufbau neuer Beschäftigung im Inland, die dafür entschädigt, dass Stellen im Strukturwandel verlagert werden.
Die politische Antwort kann nicht lauten, protektionistische Schutzwälle aufzubauen. Offshore-Outsourcing als Globalisierung der Dienstleistung findet statt - mit oder ohne Protagonisten aus Deutschland und Europa. Entscheidend wird sein, die Strukturreformen beschleunigt in Gang zu setzen, um möglichst viele Gewinner bei den internationalen Wertschöpfungsrochaden zu stellen.
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