Anbieter versprechen riesige Einsparungen und verschrecken potentielle Kunden gleichzeitig mit enormen Investitionssummen. Wer profitiert wirklich von einer Umstellung seiner Beschaffungswege und welche Alternativen gibt es? Eine Fallstudie.
Im Rahmen dieses Beitrags wird anhand eines realen Fallbeispiels untersucht, welche Prozesskosteneinsparungen durch die Einführung eines eProcurement-Systems und die durchgängige elektronische Beschaffungsabwicklung für indirekte Produkte (wie Bürobedarf, Informationstechnik, Werkzeug, Normteile etc.) erreicht werden können, welche Aufwände für Katalog- und Lieferantenmanagement dem gegenüber stehen und welchen Vorteil hierbei die Nutzung von elektronischen Marktplätzen hat.
Bei dem untersuchten Unternehmen ergibt sich ein Einsparungspotenzial von etwa 65% der Prozesskosten. Andererseits entsteht ein beträchtlicher Aufwand für das Management der erforderlichen Multi-Lieferanten-Kataloge und die technische Anbindung einer Vielzahl von Lieferanten. Hierdurch verringert sich die erreichbare Einsparung auf unter 9%. Werden diese Aufgaben – Katalog- und Lieferantenmanagement – auf einen elektronischen Marktplatz ausgelagert, so sind die entstehenden Transaktionsgebühren deutlich geringer als der eigene Aufwand, im betrachteten Fall sind sie um 77% niedriger. Die mögliche Gesamtersparnis erhöht sich im Falle der Marktplatznutzung von 9% auf 52%. Somit ist die Marktplatznutzung eine wesentliche Voraussetzung, um die mit Hilfe von eProcurement möglichen Prozesskosteneinsparungen tatsächlich realisieren zu können. Von großer Bedeutung ist hierbei die Auswahl des geeigneten Marktplatzes, der gut positioniert sein sollte, seine Leistungsfähigkeit bei der weltweiten Beschaffung multinationaler Konzerne bewiesen haben und eine vollständige Prozessintegration ermöglichen sollte.
Lässt sich durch eProcurement tatsächlich so viel einsparen?
Die Argumentation zugunsten der Beschaffung von indirekten Materialien über Electronic Procurement-Systeme konzentriert sich in der Regel auf die erzielbaren Prozesskosteneinsparungen. Hier werden häufig Einsparungspotenziale in Höhe von 70-80% genannt. Bei diesen eindrucksvollen Zahlen handelt es sich jedoch um theoretische Maximalwerte, die den aufwendigsten traditionellen Prozessablauf inkl. vorhergehender Informationssammlung, Angebotseinholung und Lieferantenauswahl dem optimal möglichen elektronischen Beschaffungsprozess gegenüberstellen, dem Idealfall einer unkomplizierten Bestellung aus einem elektronischen Katalog und der vollständig integrierten elektronischen Abwicklung des gesamten Prozesses bis hin zur elektronischen Rechnung und deren Verbuchung im Buchhaltungssystem.
Letztlich werden hier jedoch Äpfel mit Birnen verglichen. Einerseits erfolgt auch im traditionellen Beschaffungsprozess natürlich nicht für jeden Bleistift eine einzelne Bestellung mit Angebotseinholung, sondern ein Bestellabruf aus Rahmenverträgen mit einem oder wenigen ausgewählten Lieferanten, die i. d. R. Sammelabrechnungen anbieten usw. Andererseits wird es auch mit einem eProcurement-System nicht möglich sein, 100% aller Bestellungen ausschließlich aus vordefinierten Katalogen durchzuführen, z. B. wenn es sich um nur selten benötigte spezielle Produkte handelt. Auch lässt sich die Umgehung des Einkaufs durch die Einführung eines solchen Systems im Idealfall – wenn die Nutzung und die Suche im Katalog tatsächlich problemlos und die Preise erkennbar günstig sind – zwar senken, aber nie völlig eliminieren.
Die tatsächlich realisierbaren Einsparungen sind daher niedriger anzusetzen. Das im Einzelfall konkrete Potenzial hängt zunächst davon ab, wie suboptimal der bisherige Beschaffungsprozess war. Themen wie Lieferantenkonsolidierung und Standardisierung als Mittel zur Kostensenkung im Einkauf lassen sich natürlich auch ohne elektronische Einkaufssysteme umsetzen, doch gibt häufig ein eProcurement-Projekt den Anstoß zu konkreten Initiativen in diese Richtung. Zum zweiten hängen die erreichbaren Einsparungen davon ab, welcher Anteil des indirekten Beschaffungsvolumens tatsächlich über das eProcurement-System abgewickelt werden. Einflussfaktoren hierbei sind der Abdeckungsgrad der beschafften Produktgruppen durch die zur Verfügung stehenden elektronischen Kataloge sowie die Benutzerfreundlichkeit und damit die Akzeptanz durch die Mitarbeiter.
Fallstudie: Mögliche Prozesskosteneinsparungen in der Praxis
Um den finanziellen Nutzen einer elektronischen Beschaffung beurteilen zu können, muss ermittelt werden, welche Aufwendungen den gerade diskutierten Einsparungen gegen-über stehen. Einerseits handelt es sich dabei um Initialkosten für Hardware, Software und das erforderliche Einführungsprojekt, die sich in einem überschaubaren Zeitraum amortisieren sollen, andererseits um häufig unterschätzte laufende Kosten, insbesondere für das Katalog- und Lieferantenmanagement. Diese können das eProcurement-Projekt insgesamt unrentabel werden lassen. Hier macht sich die Nutzung eines elektronischen Marktplatzes bezahlt, der diese Aufgaben wesentlich günstiger erfüllen kann. Dies wird im Folgenden anhand einer von der Firma emaro durchgeführten Fallstudie erläutert. Bei dem betrachteten Unternehmen handelt es sich um ein Industrieunternehmen mit ca. 5000 Mitarbeitern in 6 Ländern, das etwa 800 Mio. € Jahresumsatz erzielt. Jährlich erfolgen im Bereich indirekter Güter ca. 18.000 Bestellungen mit einem Gesamtvolumen von etwa 15 Mio. € bei ungefähr 400 relevanten Lieferanten.
Zunächst wurden die erzielbaren Prozesskosteneinsparungen ermittelt, anschließend die zu Erreichung dieser Kosteneinsparungen erforderlichen Aufwendungen für das Management der Kataloge und der Lieferantenanbindungen. Hierbei wurden zwei Szenarien verglichen: Einerseits die Durchführung dieser Aufgaben durch das Unternehmen selbst, andererseits die Nutzung eines elektronischen Marktplatzes.
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Im Rahmen einer internen Untersuchung ermittelte das Unternehmen für den herkömmlichen Bestellprozess eine durchschnittliche Bearbeitungszeit von 105 Minuten. Das entspricht bei einem Vollkostensatz von 1,23 € pro Minute Prozesskosten von knapp 130 € für jede durchgeführte Bestellung. Hochgerechnet auf 18.000 Bestellungen summiert sich dies auf 2,3 Mio. € Prozesskosten pro Jahr.
In Abbildung 1 ist diesem herkömmlichen Prozess der entsprechende Ablauf bei Nutzung eines Electronic Procurement-Systems, wie z. B. SAP EBP (Enterprise Buyer Professional), gegenübergestellt. Die erforderliche Zeit für die Erstellung einer Bedarfsanforderung reduziert sich, da hier nicht mehr mit Papierkatalogen und dem Übertragen der entsprechenden Angaben in ein Formular gearbeitet wird, sondern nur noch in einer Browseroberfläche die Auswahl der gewünschten Produkte aus einem elektronischen Katalog erforderlich ist.
Der Aufwand für Weiterleitung und Genehmigung wird dadurch deutlich verringert, dass die Weiterleitung elektronisch im Hintergrund stattfindet, und die Genehmigung über einen Workflow mit Hilfe eines Mausklicks erteilt werden kann. Eine weitere Prüfung durch den Einkauf entfällt, da die Bestelldaten automatisch aus dem vom Einkauf autorisierten Katalog übernommen wurden. Ebenso entfallen die manuelle Erfassung der Bestellung und das Faxen an den Lieferanten, da dieser künftig automatisch eine elektronische Bestellung erhält. Auch manuelle Aufwände für die Auftragsverfolgung, z. B. Terminüberwachung, können abgebaut werden, da das System eine automatische Statusverfolgung ermöglicht. Weiterhin erforderlich sind diejenigen Vorgänge, die mit der physischen Ware verbunden sind, d. h. Wareneingang, Verteilung und Prüfung, wobei die Wareneingangsbuchung ebenfalls über das eProcurement-System vorgenommen und automatisch der entsprechenden Bestellung zugeordnet werden kann, so dass der Aufwand für die weitere Bearbeitung sinkt.
Werden vom Lieferanten elektronische Rechnungen versandt, so entfällt deren Erfassung vollständig. Durch die automatische Zuordnung der Rechnung zu Bestellung und Wareneingangsbuchung wird die Rechnungsprüfung deutlich erleichtert. Es ist dann nur noch die Zahlungsfreigabe erforderlich. Alternativ kann ein Gutschriftverfahren vereinbart werden, bei dem keine Rechnung geschickt wird, sondern der Kunde nach Wareneingang den Lieferanten automatisch per elektronische Gutschrift autorisiert, den entsprechenden Betrag einzuziehen. In dem untersuchten Fall ergibt sich damit eine maximale Reduktion von 105 Minuten auf 36,5 Minuten Bearbeitungszeit pro Bestellung. Entsprechend verringern sich die jährlichen Gesamtprozesskosten um 65% von 2,3 Mio. € auf 0,8 Mio. €, d. h. es ergibt sich ein rechnerisches Einsparungspotenzial von 1,5 Mio. €!
Aufwände für Katalog- und Lieferantenmanagement
1,5 Mio. € ist eine beeindruckende Zahl. Könnte man diesen Maximalwert tatsächlich erreichen, so läge die Amortisationszeit für IT- und Projektkosten im Bereich weniger Wochen oder Monate. Wesentlich stärker schlagen jedoch die laufenden Kosten für den Betrieb und die Aufrechterhaltung des eProcurement-Systems zu Buche – und dabei geht es weniger um die Systembetrieb im eigenen Unternehmen, als um das Management und die ständige Pflege eines integrierten Multi-Lieferanten-Kataloges sowie den Betrieb und Support der technischen Lieferantenanbindung. Hierfür muss ein eigenes Team aufgebaut werden.
Im betrachteten Fall wird mit folgenden Aufwänden gerechnet:
1. Katalogmanagement: ca. 6 Personen.
Hier besteht die Aufgabe darin, ständige Katalogupdates in den Multi-Lieferantenkatalog einzuspielen, sie auf Vollständigkeit, Plausibilität, Nutzbarkeit zu prüfen, Fehler und Probleme in Kooperation mit den Lieferanten zu lösen oder ggf. Katalogdaten manuell nachzubearbeiten und einheitlich zu kategorisieren. Dies muss in sechs Sprachen und unter Berücksichtigung unterschiedlicher nationaler Voraussetzungen und Anforderungen, z. T. mit international vertretenen Lieferanten (die aber u. U. national verschiedene Sortimente haben), z. T. mit lokalen Lieferanten erfolgen. Trotz aller Standardisierungsbemühungen zeigt die Praxis, dass jeder Lieferant unterschiedliche Kataloge – sowohl von den technischen Voraussetzungen als auch von der inhaltlichen Aufbereitung her – bereitstellt. Es ist daher eine große Herausforderung, diese zu einem wirklich nutzbaren Multi-Lieferanten-Katalog zu integrieren. Dies ist aber entscheidend für die Akzeptanz und Nutzung des Systems. Hierzu gehört auch ein User-Support, um z. B. Anforderern, die etwas im Katalog nicht finden, weiterhelfen zu können und die Benutzeranforderungen z. B. in Form verbesserter Verschlagwortungen umzusetzen.
2. Lieferantenanbindung: ca. 4 Personen.
Da sich auch für den Austausch der Business Documents wie Bestellungen, Auftragsbestätigungen, Rechnungen usw. noch keine einheitlichen Standards heraus kristallisiert haben, ist es eine immense Aufgabe, eine Vielzahl von Lieferanten mit unterschiedlichen Systemen, Abläufen und technischen Voraussetzungen so in ein Electronic Procurement-System zu integrieren, dass sich für den Nutzer mit jedem Lieferanten der gleiche Ablauf ergibt. Zwar fällt der Hauptaufwand zunächst bei der Neu-Anbindung eines Lieferanten an, doch ist für die Wartung und den Support dieser gesamten Anbindungen ebenfalls ein internationales Team von ca. vier Personen erforderlich.
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Die genannten Zahlen beruhen bereits auf der Annahme, dass im Zuge einer Lieferantenkonsolidierung die genannten 400 Lieferanten auf ca. 50 Hauptlieferanten reduziert werden können, die schließlich an das System angebunden werden. Insgesamt ergibt sich in diesem Beispiel also ein ständiger Bedarf von ca. 10 Mitarbeitern, die erforderlich sind, um die vorher errechneten Prozesskosteneinsparungen zu ermöglichen. Abbildung 2 stellt die Konsequenzen eindrucksvoll dar: Die zusätzlich erforderlichen Personalkosten von ca. 1,3 Mio. € fressen die erzielbaren Prozesskosteneinsparungen fast völlig auf. Statt 2,3 Mio. € stehen unter dem Strich nur noch 200.000 € an Ersparnissen. Wenn man bedenkt, dass die hundertprozentige Erreichung der genannten Prozesskosteneinsparungen – wie oben diskutiert – in der Praxis eher unwahrscheinlich ist, und dass die in der Rechnung noch nicht berücksichtigten initialen Projekt-, Hardware- und Softwarekosten aus den Einsparungen refinanziert werden müssen, wird das eProcurement-Projekt schnell zum Zuschussgeschäft!
In der Praxis wird ein Unternehmen der genannten Größenordnung wenig geneigt sein, ein derart großes Team ausschließlich für ein Beschaffungssystem aufzubauen, das zudem nur Nicht-Produktionsgüter umfasst. Wird dies jedoch nicht getan, ist der Misserfolg des Projektes vorprogrammiert: Entweder werden nur sehr wenige Lieferanten angeschlossen, so dass ein Großteil der Bestellungen traditionell weiterläuft, oder es stehen qualitativ schlechte, nicht integrierte, völlig unterschiedlich sortierte Lieferantenkataloge nebeneinander, so dass der Anforderer nur schwer etwas findet. Die Integration mit den Lieferanten kommt in so einem Fall häufig nicht über das automatische Absenden einer Bestellung (im Extremfall per Fax) hinaus, so dass nur die Hälfte des Gesamtprozesses abgedeckt ist. Fehlerhaft übermittelte Bestellungen führen zu einem weiteren Akzeptanzverlust bei den Nutzern des Systems. Insgesamt kann nur ein kleiner Teil der genannten Einsparungspotenziale umgesetzt werden, und es besteht die Gefahr, dass Akzeptanzprobleme schließlich dazu führen, dass das Projekt eingestellt wird oder dass die Nutzung des eProcurement-Systems einfach einschläft. Schließlich steht ja der klassische Beschaffungsweg nach wie vor parallel zur Verfügung.
Einlösung des eProcurement-Versprechens durch eMarketplaces
Die Lösung des aufgezeigten Dilemmas besteht darin, die Lieferanten über einen elektronischen Marktplatz anzubinden und die genannten Leistungen – Katalogmanagement sowie Aufbau und Pflege der Lieferantenanbindung – durch den Marktplatzbetreiber erbringen zu lassen. Da dieser die Lieferanten für eine Vielzahl von Kunden anbindet, und seine Kernkompetenz in der Erbringungen dieser Leistungen besteht, kann er diese wesentlich effektiver, kostengünstiger und mit einer höheren Qualität erbringen, als dies dem einzelnen Unternehmen möglich wäre. Für das betrachtete Unternehmen wurden die Kosten einer Marktplatzteilname am Beispiel des von der Deutschen Bank und der SAP gegründeten MRO-Marktplatzes emaro ermittelt und dem Aufwand, der ansonsten dem Unternehmen für Katalog- und Lieferantenmanagement selbst entsteht, gegenübergestellt. Die für diesen Kunden und seine Lieferanten anfallenden Transaktionsgebühren belaufen sich zusammengenommen auf ca. 300.000 € pro Jahr. Sie betragen damit nur 23% der bei Eigenerbringung dieser Leistungen anfallenden Kosten.
Wie in Abbildung 3 dargestellt, lässt sich bei Marktplatznutzung somit eine Gesamtersparnis von 1,2 Mio € pro Jahr erzielen, das sind 52% der bisher entstehenden Prozesskosten. Die jährliche Ersparnis durch die Marktplatznutzung selbst beträgt 1 Mio € und damit 43% der ursprünglichen Prozesskosten. Auch wenn die genauen Zahlen in Abhängigkeit von Einkaufsvolumen, Transaktionszahlen, Lieferantenzahl, Userzahl usw. variieren, und daher die dargestellte Rechnung für jeden Einzelfall neu durchgeführt werden muss, zeigt das Beispiel dennoch deutlich, dass die Nutzung eines Marktplatzes entscheidend für die tatsächliche Realisierung von Prozesskosteneinsparungen durch e-Procurement sein kann.
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Wichtig ist hierfür die Auswahl eines geeigneten Marktplatzes. Kriterien für einen Anbieter, der das dargestellte Szenario tatsächlich umsetzen kann, sind insbesondere:
* Vollständige Integrationsmöglichkeit in eProcurement- und ERP-Systeme auf Käufer- und Verkäuferseite
* Nachgewiesene Kompetenz zum Management integrierter Multi-Lieferanten-Kataloge
* Möglichkeit zur Abbildung von Rahmenvereinbarungen in Form kundenindividueller Preise in den Katalogen
* Beratungs-Know-how zur Verbesserung der Einkaufsprozesse und der Anbindung an den Marktplatz
* Kompetenz im Bereich Einkauf und Lieferantenmanagement für die über den Marktplatz gehandelten Produktgruppen
* Fähigkeit zur Unterstützung des weltweiten Einkaufs seiner Kunden
* Leistungsfähige, international vertretene Lieferanten, möglichst Marktführer in ihrem jeweiligen Segment
* Möglichkeit zur kundenindividuellen Anbindung auch kleiner Lieferanten
* Leistungsfähiger Customer-Support, ständige Erreichbarkeit über Call Center