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Die Macht der Sprache, oder: Wie jemand auf ein Auto zuging

Unsere Muttersprache sagt viel über uns aus. Sie bezeugt, in welchem Umfeld wir aufwachsen, welche Werte wir anerzogen bekommen. Die Anschauungen unserer Eltern werden uns mit der Sprache von klein auf mitgegeben. Diese Anschauungen entsprechen meist der jeweiligen Kultur, in der jemand aufgewachsen ist. Wie Sprache uns beeinflusst und wie wir uns je nach Sprache unterschiedlich verhalten, sehen Sie hier.

Sprache ist die Grundlage für jede Art der menschlichen Kommunikation: egal, ob in einem Fachbuch ein komplexer wissenschaftlicher Vorgang erläutert werden soll, zwei Menschen über mögliche Pläne fürs Wochenende sprechen oder ein Wahlplakat uns die werbende Partei schmackhaft machen soll.

Dabei ist es von Sprache zu Sprache verschieden, wie Menschen Botschaften erfassen und verstehen. Genauso verschieden sind auch die Sichtweisen von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und deren Art, etwas sprachlich auszudrücken.

Du bist, was du sprichst

Je nach Sprache werden Dinge unterschiedlich beschrieben, wahrgenommen und verstanden. Dies lässt sich auf die jeweilige Kultur zurückführen, in der eine Sprache gesprochen wird. Erfahrungen, Revolutionen, Anpassungen an verschiedene Umstände etc. haben eine jeweilige Kultur zu dem gemacht, was sie ist.

Menschen, egal, in welcher Kultur sie aufwachsen, bekommen als logische Schlussfolgerung durch die jeweilige Sprache Anschauungen und Werte der entsprechenden Kultur praktisch mit der Muttermilch eingeflößt.

So ist wahrscheinlich jedem/r SpanierIn das Wort siesta geläufig, während diese Tradition bei Menschen aus Alaska vermutlich nicht sehr bekannt ist. Siesta kann zwar mit Mittagsruhe übersetzt werden, es ist aber nicht möglich, das Gefühl und die tiefere Bedeutung dahinter mit einem Wort adäquat darzustellen. Hierfür bedarf es der hochwertigen Arbeit von FachübersetzerInnen, die alle wichtigen Bedeutungszuweisungen kennen und daher Worte wie siesta samt ihrer kulturellen Semantik übersetzen können.

Same, same but different

Wenn Sie in einer Fremdsprache kommunizieren, geben Sie in diesem Moment gewissermaßen ein Stück von sich selbst auf. Alle Konzepte und Besonderheiten Ihrer Muttersprache gelten in dieser Situation nicht mehr. Nun heißt es, sich auf die andere Sprache und ihre Spezifika einzulassen. Dafür müssen Sie wahrscheinlich ein wenig aus Ihrer Haut heraus.

Sie begeben sich aus der Komfortzone der Muttersprache heraus und wagen sich auf fremdes Terrain. Dieses beschreiten Sie vermutlich vorsichtig und systematisch.

  • ✓ Daraus entstand die These, dass man prinzipiell unemotionaler und rationaler ist, wenn man in einer Fremdsprache kommuniziert. Achten Sie mal darauf, wenn Sie sich das nächste Mal in einer anderen Sprache unterhalten!

Die Muttersprache, im Umkehrschluss, entlockt uns hingegen leichter Emotionen. Wir wagen mehr in unserer Muttersprache und trauen uns deshalb eher, Gefühle über die Sprache auszudrücken. Meist kennen wir nämlich die emotionalen „Gepflogenheiten“ einer anderen Sprache noch nicht und müssen uns auch hier erst langsam herantasten.

Gewissermaßen spielen wir also eine Rolle, wenn wir uns in einer fremden Sprache unterhalten. Wir sind nicht hundertprozentig wir, da wir mit unserer Sprache auch dazugehörige Ansichten und Werte ablegen. Zusätzlich kommt noch hinzu, dass wir meist mehr darauf achten, wie andere uns sehen, wenn wir in einer Fremdsprache kommunizieren.

Insbesondere, wenn wir mit einem (Englisch-, Französisch-, Spanisch- etc.-)Muttersprachler sprechen, sind wir in einer „defensiven“ Position. Wir sind diejenigen, für die die Sprache eine fremde ist. Daher werden wir wahrscheinlich sehr darauf bedacht sein, was und wie wir was sagen. Wir haben in einer Fremdsprache eher das Gefühl, beobachtet zu werden.

Welche Richtung wir einschlagen, hängt von unserer Sprache ab

Mit einer Studie konnte ein Linguist von der Universität Lancaster beweisen, dass Menschen verschiedener Muttersprachen tatsächlich Situationen unterschiedlich deuten.

So ließ der Forscher 15 deutsche und 15 englische MuttersprachlerInnen sowie 30 zweisprachige ProbandInnen ein Video ansehen, in welchem eine Person auf ein Auto zuging. Hier wurde aber nicht aufgelöst, ob die Person wirklich auf das Auto zuging oder lediglich daran vorbeilief.

Ein zweites Video zeigte den ProbandInnen eine Person, die eine Straße entlang in Richtung eines Hauses lief. Hier ging die Person gezielt in das Haus hinein. Beim dritten Video sahen die Versuchspersonen lediglich eine Person eine Straße entlanggehen, aber ohne konkretes Ziel.

Nach den Videos wurde den Getesteten die Frage gestellt, ob die Person im ersten Video eher direkt auf das Auto zuging – wie die Person im zweiten Video auf das Haus zuging – oder, ob das erste Video für sie eher dem dritten Video ähnelte. Dort ging eine Person ohne Ziel eine Straße entlang.

40 Prozent der Deutschsprachigen entschieden sich dafür, dass die Person im ersten Video gezielt auf das Auto zuging, wohingegen dies nur 25 Prozent der Englischsprachigen so sahen.

Bei den Zweisprachigen zeichnete sich dieses Phänomen noch stärker ab. Die Hälfte wurde auf Deutsch und die andere Hälfte auf Englisch getestet: Wurde der Test auf Englisch abgehalten, waren die meisten von ihnen der Meinung, dass die Person lediglich die Straße entlangging. Die auf Deutsch Befragten fanden dagegen, dass die Person gezielt auf das Auto zuging.

Dies wird der Tatsache zugeschrieben, dass es für das deutsche „Ich ging die Straße entlang“ zwei Entsprechungen im Englischen gibt („I walked along the street“ und „I was walking along the street“). Bei der zweiten Form geht es im Speziellen um den Vorgang des Gehens, nicht um das Ziel. Daher entschieden sich vermutlich die meisten der Englischsprachigen bei dem Test für die Aussage, dass die Person nur die Straße entlanggegangen ist, ohne ein Ziel zu verfolgen.

Sprache beeinflusst uns

Unsere Muttersprache mit ihren kulturabhängigen Spezifika beeinflusst uns in unserem Denken und Handeln. Diese Vorgänge unterscheiden sich bei Menschen mit anderen Muttersprachen. Sie sehen Dinge und Situationen anders und beschreiben diese auch anders. Daher ist die Aussage durchaus zutreffend, dass ein Mensch kurzzeitig zu einem anderen wird, wenn er eine andere Sprache spricht.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
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