Das verkannte Know-How

Isolierte Lösungen und Strategien führen bei Unternehmen oft dazu, daß ein großer Arbeitsaufwand entsteht wenn die einzelnen Ergebnisse aufeinander abgestimmt werden müssen. Das kostet Zeit. Aus diesem Grund ist Wissensmanagement für die Produktivität eines Unternehmens immer wichtiger. Während der Wissensunterstützung lange Zeit der Ruf folgte, unnötig und zu kostenintensiv zu sein, zeigt sich seit einiger Zeit durch neue Erkenntnisse, daß Wissensmanagement oft nur falsch eingesetzt wurde. Integriertes Wissensmangement ist nötig und wirkt auch nachhaltig.

In der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre erreichte die Beschäftigung mit Wissensmanagement (WM) den Gipfel des Modewellenzyklus (Hype Cycle). Dieser Zyklus wird oft in die Phasen „Auslöser“, „Gipfel der übersteigerten Erwartungen“, „Tal der Desillusionierung“, „Steigung der Erkenntnis“ und schließlich „Plateau der Produktivität“ eingeteilt.

Der Hype Cyle ist gekennzeichnet durch zahlreiche Veröffentlichungen und Konferenzen zu WM. Außerdem wurden etliche Software-Produkte lanciert sowie in vielen Organisationen WM-Aktivitäten und -Strukturen ins Leben gerufen.

Im „Tal der Desillusionierung“ ab etwa 2001/2002 blieb WM nicht von Fragen zu Sinnhaftigkeit und ökonomischem Nutzen verschont, die bei einer nur mittelbar wirkenden organisationalen Unterstützungsdisziplin wie WM naturgemäß nicht trivial beantwortet werden können. Diese Phase fiel mit einer Rezession zusammen, folglich waren die Einschnitte in WM-Budgets vielerorts hart. Die Chancen für eine Stabilisierung, kontinuierliche Verbesserung und somit für einen sichtbaren Erfolg der eingeleiteten WM-Maßnahmen standen also schlecht. Da man sich schnellere und sichtbarere Ergebnisse erhofft hatte, wurde WM vielmehr zunehmend als „teuer und wirkungsarm“ wahrgenommen.

Ungeachtet dieser zunächst euphorischen, dann kritischen Wahrnehmung von WM können folgende grundlegende Entwicklungen im Übergang zum so genannten „Informationszeitalter“ beobachtet werden:

– Komplexere Produkte und Dienstleistungen mit kürzeren Lebenszyklen,

– vermehrte Bildung globaler Wertschöpfungsketten und

– Zunahme geistiger im Verhältnis zu körperlicher menschlicher Arbeitsleistung.

Damit untrennbar verbunden ist ein gesteigerter Bedarf an Wissenserzeugung, -austausch und -anwendung. Die grundsätzliche Notwendigkeit eines förderlichen und nutzenstiftenden Umgangs mit Wissen, sprich Wissensmanagement, steht außer Frage.

Diese Tatsche erzeugt jedoch in der Praxis oft eine paradoxe Situation, wie Analysen von WM zeigen: Einerseits müssen Individuen ein vermehrtes Aufkommen an Informationsobjekten bewältigen (Information Overload). Andererseits haben dieselben Personen einen hohen Bedarf an Wissen, der oft nicht ausreichend, nicht zeitgerecht oder nur unter hohem Aufwand gedeckt werden kann. Daher werden existierende WM-Prozesse und -Systeme oft als unbefriedigend und offensichtlich ineffizient empfunden. Dies gilt insbesondere, wenn parallel mehrere, bereichsorientierte, isolierte und teils redundante WM-Lösungen existieren, die Logistik für Informationsobjekte überwiegend auf E-Mail basiert und WM nicht ausreichend in die Geschäftsprozesse integriert ist.

Somit ist die Herausforderung auf dem Weg zum „Plateau der Produktivität“, tatsächlich wirkungsvolles WM zu konzipieren, umzusetzen, am Leben zu erhalten und kontinuierlich zu verbessern. Essenziell dafür ist es, die Wirksamkeit von WM-Maßnahmen und ihren ökonomischen Beitrag bewusst aufzuzeigen (Business Case).

Ein Ansatz, um die notwendige Wirksamkeit zu erzielen, ist das integrierte Wissensmanagement. „Integriert“ bedeutet dabei einerseits, die verschiedenen Bereiche des WM (im Weiteren anhand von Ebenen und Handlungsfeldern dargestellt) sinnhaft zusammenzuführen und andererseits, dieses WM in die Strategie, die Kultur, die Prozesse und die Informationssysteme der jeweiligen Organisation umfassend und wirkungsvoll einzubetten.

Gegenstand, Handlungsfelder und Ebenen des Wissensmanagements

Der Gegenstand des WMs – das Wissen – kann allerdings gar nicht direkt „gemanaged“, d.h. bewirtschaftet werden, da es personengebunden, nur teilweise bewusst, unsichtbar und nicht direkt übertragbar ist. WM kann also nur Menschen bei der Schaffung, der Bewahrung, der Weitergabe und der Anwendung von Wissen unterstützen. Daher benutzen die Autoren auch gerne den Begriff der Wissensunterstützung (Knowledge Enabling), um diese Begrenzung zu betonen. Da der Begriff Wissensmanagement aber allgemein verbreitet ist, soll er im Weiteren Verwendung finden.

Unter WM wird das systematische Vorgehen einer Organisation verstanden, um organisationale Ziele (wie beispielsweise Beitrag zum Gemeinwohl, Gewinnmaximierung, Kostensenkung oder Befriedigung von Kundenbedürfnissen) durch die Optimierung der Nutzung von Wissen zu erreichen. Zu diesem Zweck lokalisieren und erfassen Individuen in Organisationen bestehendes Wissen, fördern seinen Austausch sowie seine Verteilung und entwickeln aktuell oder künftig benötigtes Wissen. Die angesprochenen Organisationen können Unternehmen sein, aber auch andere Organisationsformen, wie z.B. gemeinnützige Organisationen.

Wie kann aber eine Organisation die eben geforderte Optimierung der Nutzung von Wissen bewirken, d.h. welches sind ihre Handlungsfelder („Stellhebel“) für ein wirkungsvolles WM? Eine zentrale Tätigkeit des WMs, der Austausch von Wissen zwischen Individuen, muss immer dann geschehen, wenn mehrere Menschen ein gemeinsames Ziel (beispielsweise eines der oben genannten organisationalen Ziele) erreichen wollen und sich daher abstimmen müssen. Folglich ist Wissensaustausch eine Kerntätigkeit des organisationalen WM und seine Analyse führt zu den „Stellhebeln“ für WM. Um ein integriertes (d.h. ganzheitliches und wirkungsvoll eingebettetes) Wissensmanagement erreichen zu können, müssen bei der Gestaltung von WM-Strukturen und -Systemen vier Handlungsfelder beachtet werden.

Menschen sind die Träger von Wissen, das sie als persönliche Kompetenz (Kenntnisse, Fähigkeiten, Erfahrungen, etc.) in ihren individuellen mentalen Modellen speichern. Wenn sie ihr Wissen ausdrücken („Explikation“), schaffen sie Inhalte in Form von Informationsobjekten (u.a. Dokumente, Intranet-und Internetseiten). Diese Inhalte dienen häufig zum Transport bestimmter Ausschnitte der mentalen Modelle der jeweiligen Autoren und sind damit wesentliche Elemente des Wissensaustausches. Um gemeinsame Ziele zu erreichen, treffen sich Menschen in physischen oder virtuellen Räumen und arbeiten zusammen. Dabei sind ihre Kompetenzen und Inhalte einerseits Grundlage der Zusammenarbeit, andererseits bilden sie in transformierter oder neuer Form auch deren Ergebnisse. Somit stehen Kompetenzen, Inhalte und Zusammenarbeit in enger wechselseitiger Beziehung. Die umgebende Kultur, gebildet u.a. durch Selbstverständnis, Menschenbild, Führungsgrundsätze, etc., bildet den Rahmen für das Zusammenwirken dieser drei Elemente und somit für Wissensmanagement insgesamt.

Gestaltungsmöglichkeiten für Wissensmanagement

In den vier Handlungsfeldern bieten sich u.a. folgende Möglichkeiten für die Gestaltung von WM:

— Kompetenz: WM kann einerseits zur Förderung von Kompetenz durch Unterstützung von Lernvorgängen beitragen und andererseits Kompetenzen besser sichtbar machen, damit die geeigneten Partner für einen Wissensaustausch sich überhaupt oder schneller finden können (z.B. mit Hilfe von Yellow Pages bzw. Expertiseverzeichnissen).

– Inhalte & Kontext: WM kann durch Bereitstellung leistungsfähiger multimedialer Werkzeuge einerseits dazu beitragen, dass Informationsobjekte besser abgebildet und gefunden werden. Andererseits können diese Werkzeuge helfen, dass verschiedene Verfahren der Wissensexplikation, z.B. Sprache, Text, Bilder, Grafiken, bildhafte Vergleiche oder vorführende Handlungen, kombiniert werden können und so die Kontextbildung erleichtert wird. Konkret bedeutet dies, dass Autoren z.B. mit Hilfe von Textverarbeitungs-, Grafik- und Präsentationsprogrammen zu explizierendes Wissen als Informationsobjekte ablegen. Mit überall und komfortabel zugänglichen Speichersystemen sowie einer einheitlichen Terminologie dient WM der Bewahrung, dem Transport und der Verfügbarmachung von Informationsobjekten. Leistungsfähige Navigations-, Such-und Darstellungsfähigkeiten erleichtern den Empfängern die Identifikation, Kontexterkennung und Dekodierung.

– Zusammenarbeit: Durch eine möglichst förderliche Ausstattung von physischen und virtuellen Räumen mit Hilfen zur Identifikation und zum Kennenlernen von Personen sowie mit Austauschkanälen und -werkzeugen katalysiert WM die Übertragung von Wissen. Ein typisches Beispiel für einen solchen physischen Raum sind Coach-Ecken mit einem Kaffeeautomaten. Elektronische Diskussionsforen mit Anzeigen des Online-Status von Diskussionsteilnehmern sind ein Beispiel für virtuelle Räume. Je größer und verteilter Organisationen sind, desto höher ist dabei die Bedeutung virtueller Räume.

– Kultur: Eine sozial und emotional förderlich gestaltete Kultur in Form von Offenheit, Fairness und Vertrauen ermutigt Menschen zum Wissensaustausch und lässt sie diesen als befruchtend und bereichernd erleben. WM kann im Rahmen von WM-Zielen, Anreizsystemen, Mitarbeiterentwicklung und Training sowie durch WM-Rollenträger zu einer förderlichen Kultur beitragen. Bespielsweise dienen Anreizsysteme der Motivation von Mitarbeitern zu WM-förderlichem Verhalten durch monetäre Anreize (z.B. durch variable Gehaltsbestandteile, Prämien, oder Preise) oder durch non-monetäre Honorierung (z.B. durch Wettbewerbe mit Platzierungen, heraushebende Anerkennung, Statussymbole).

WM-Strategie, WM-Prozesse und WM-Systeme

Die Verantwortlichen für WM müssen neben diesen vier Handlungsfeldern auch berücksichtigen, auf welcher Ebene WM gestaltet werden soll. Dabei wird auf die Ebenengliederung des Business Engineering zurückgegriffen, das grundsätzlich die Ebenen Strategie, Prozesse und Systeme unterscheidet.

Aus diesem Blickwinkel kann einerseits eine Organisation als Ganzes betrachtet werden, in der die drei Ebenen als Geschäftsstrategie, Geschäfts- und Unterstützungsprozesse und als die Summe der Informationssysteme ausgeprägt sind. WM wird im Weiteren als organisationale Unterstützungsfunktion (ähnlich wie Personalwesen oder Informationstechnik) verstanden und bildet damit jeweils einen Teil der genannten Ebenen einer gesamten Organisation. Andererseits kann WM separiert betrachtet in die Ebenen von WM-Strategie, WM-Prozessen und WM-Systemen unterteilt werden.

Dabei legt eine WM-Strategie die grundsätzliche Ausrichtung der WM-Strukturen und -Maßnahmen für eine Organisation fest. Die durch diese Strukturen und Maßnahmen erzielte verbesserte Nutzung von Wissen leistet dann einen Beitrag zur besseren Zielerreichung der Organisation insgesamt, d.h. die WM-Strategie ist ein Teil der Geschäftstrategie.

Eine WM-Strategie wird häufig in Form von Zielen formuliert, die den gewünschten künftigen Zustand des WMs beschreiben. Für die Erreichbarkeit dieser Ziele werden kritische Erfolgsfaktoren identifiziert (Was muss gegeben sein, damit ein jeweiliges Ziel überhaupt erreichbar ist?). Daraus abgeleitet erfolgt die Definition von Indikatoren und Vorgaben für die Zielerreichung (Wie kann ich ermitteln, wann und in welchem Maße ich ein Ziel erreicht habe?) und schließlich werden Maßnahmen zur Zielerreichung abgeleitet (Was muss ich tun, damit ich den gewünschten WM-Zielzustand erreiche?).

WM-Prozesse sind die zu WM gehörigen, grundlegenden Tätigkeiten in ihrer jeweils situationsspezifischen Ausprägung: Lokalisieren & Erfassen, Austauschen & Verteilen, Nutzen sowie Entwickeln von Wissen.

WM-Systeme sind Informationssysteme, die Menschen bei der Ausführung der WM-Prozesse unterstützen. Diese Systeme helfen den Mitarbeitern beispielsweise durch die Bereitstellung geeigneter Informationsobjekte, die sie für ihre Aufgaben benötigen, beim Auffinden von Mitarbeitern mit einschlägigen Fähigkeiten zu einer bestimmten Fragestellung oder durch Bereitstellen virtueller Räume für die Zusammenarbeit. Es ist wichtig zu betonen, dass WM-Systeme dabei kein Wissen speichern und übertragen, sondern lediglich Informationsobjekte. Der Versuch, Wissen selbst zu speichern, ist Gegenstand der Disziplin der Künstlichen Intelligenz (KI) und wird hier nicht näher betrachtet.

Befunde in der Praxis

In Fallstudien-Analysen in der Praxis wurde u.a. die Frage gestellt, warum die in einer bestimmten Organisation bis dahin gewählten Wissensmanagement-Ansätze und -Lösungen (noch) nicht die gewünschten Ergebnisse erbracht haben. Folgende zentrale Befunde traten dabei zu Tage:

Isolierte Lösungen für Inhalte und Kontext nicht ausreichend

Erstens konzentrieren sich die Anstrengungen in der Mehrzahl der Fälle auf ein oder zwei der Handlungsfelder, wobei insbesondere häufig Lösungen für Inhalte & Kontext dominieren, wie beispielsweise Dokumentenmanagement, Content-Management, Intranets, etc. Hauptsächliches Problem ist hierbei oft die wahrgenommene „Langsamkeit“ und „Aufwändigkeit“ von WM, die durch den vergleichsweise hohen zeitlichen und personellen Aufwand für eine Explikation, Verschlagwortung, etc. von Informationsobjekten und deren späteres Auffinden entsteht. Dieser Aufwand ist aber nur für bestimmte, z.B. komplexe oder langlebige Aufgaben und Themengebiete zu rechtfertigen und alle anderen Formen des Wissensaustausches (z.B. spontaner oder wenig umfänglicher, aber sehr wichtiger und zeitkritischer Wissensaustausch) bleiben ohne systematische Unterstützung durch WM. Dies führt zur Wahrnehmung von WM-Lösungen als nur begrenzt hilfreich oder gar, weil mit Explikationspflichten einhergehend, als zusätzliche Belastung. Bei stark auf Inhalte fokussiertem WM tritt zudem häufig das Problem auf, dass die Autoren der Informationsobjekte nach anfänglicher, meist reger Explikationstätigkeit mit fortschreitender Dauer mangels direkter Interaktion zwischen Sender und Empfänger zu wenig eigenen Nutzen erkennen. Folglich beschränken sie sich zunehmend auf ihre eigentlichen Aufgaben und das damit verbundene Erstellen von Informationsobjekten und vernachlässigen nicht selten das Ablegen im WM-System. Damit fällt eine überwiegend auf Inhalte fokussierte WM-Lösung nach einiger Zeit reger Nutzung oft wieder auf das Explikationsniveau vor ihrer Einführung zurück und es bleibt „nur“ ein besser bestückter Informationsspeicher mit mäßigen Zugriffszahlen zurück. Dies stellt an sich zwar auch eine Verbesserung dar, sie bleibt jedoch hinter den ursprünglich meist hohen Erwartungen an WM deutlich zurück. Für eine große Anzahl organisationaler Aufgaben, die ergänzend oder teilweise ausschließlich WM-Unterstützung aus den anderen Handlungsfeldern benötigen würden, sehen die betroffenen Wissensarbeiter wenig oder keine Verbesserung durch ein solch begrenztes WM.

Explizite WM-Strategie fehlt häufig

Zweitens findet nicht selten eine Reduktion auf eine Ebene des WMs statt, wobei in der Praxis überwiegend ein Fokus auf die System-Ebene zu beobachten ist. Dies kann durchaus anfangs zu überzeugenden Verbesserungen führen. Fehlt aber eine auf die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Organisation abgestimmte, umfassende, explizite und vor allem mit der Unternehmensleitung regelmäßig abgestimmte WM-Strategie inklusive Messsystem und Berichterstattung, so stellt sich meist ab der zweiten oder dritten Budgetrunde nach Einführung der neuen WM-Strukturen und -Lösungen die Frage nach den ursprünglichen Zielen. Diese liegen oft nur grob und unspezifisch vor. Zudem wird der Grad der Zielerreichung, sprich der Erfolg von WM, in Frage gestellt. Können diese Fragen nicht ausreichend überzeugend beantwortet werden, ist also die Wirksamkeit der eingeleiteten WM-Maßnahmen nicht klar genug aufzeigbar, folgen häufig Budgetkürzungen, die das bereits Erreichte wieder gefährden. Diese Gefährdung ist insbesondere bei einem Fokus auf die System-Ebene gegeben, weil die Implementierung und der Betrieb von WM-Systemen erhebliche Kosten verursachen. Ein typisches Beispiel hierfür ist eine Fokussierung auf Dokumentenmanagementsysteme. Häufig werden Lizenzen entsprechender Systeme beschafft und Systeme werden ausgerollt, auch wenn die strategische Zielsetzung nicht klar ist oder eine Einbettung in konkrete Arbeitsabläufe nicht vorgenommen wird. In einer solchen Situation kann den Kosten dann kein ausreichend darstellbarer Nutzen gegenübergestellt werden. Mit geringerem Budget kann aber das WM-System weniger gut gepflegt werden, was die Akzeptanz bei den Anwendern senkt. Dies kann zu einer selbst verstärkenden Abwärtsspirale führen, an deren Ende das Verebben des organisationalen WMs steht. Es bleibt schließlich die bereits in der Einleitung beschriebene Wahrnehmung von WM als „teuer und wirkungsarm“.

WM nicht ausreichend in Arbeitsabläufe integriert

Ein dritter Befund für nicht ausreichende Nutzung und Akzeptanz von WM liegt in der fehlenden oder zu geringen Einbettung von WM in die täglichen Arbeitsabläufe (sprich Prozesse) der Mitarbeiter. Dies kann sich einerseits darin ausdrücken, dass WM-Prozesse (d.h. das Lokalisieren & Erfassen, Austauschen & Verteilen, Nutzen sowie Entwickeln von Wissen) aus Sicht der WM-Verantwortlichen nur in allgemeiner und für die gesamte Organisation gleicher Form unterstützt werden sollen. Dabei macht es einen erheblichen Unterschied, ob beispielsweise das Austauschen & Verteilen von Wissen für die Mitarbeiter eines Kundendienstbereichs oder einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung unterstützt werden soll, da Aufgaben, zeitliche Restriktionen und Inhalte des Austausches deutlich verschieden sind. Andererseits kann eine mangelnde Einbettung auf der System-Ebene vorliegen, wenn die für die Erledigung der regulären Arbeitsabläufe genutzten Informationssysteme und die WM-Systeme separiert sind und damit für die Anwender hinderliche Kontext- und Medienbrüche bestehen. Eine solche Situation liegt beispielsweise vor, wenn Informationsobjekte auf Dateiservern im Netzwerk statt in Dokumentenmanagementsystemen abgelegt werden.

Alle beschriebenen Befunde zeigen, dass die Handlungsfelder und Ebenen des WMs bei der Einführung von WM-Systemen nicht vollständig berücksichtigt wurden. Außerdem reflektieren sie eine nicht ausreichende Einbettung von WM in die jeweilige Organisation. Daraus entstand zunächst die Hypothese, dass erst vollständiges und eingebettetes WM (im Weiteren auch als „integriertes WM“ bezeichnet) die offensichtlich vorhandenen Potenziale von WM in dauerhafter Form realisieren kann. Diese Hypothese bestätigten Beobachtungen im Rahmen von Aktionsforschung (d.h. mit initialer Analyse, gestalterischem Beitrag der Forscher und nachgelagerter Überprüfung der umgesetzten Maßnahmen). In derzeit laufenden Projekten zur Analyse und Verbesserung von WM in verschiedenen Organisationen machen die Autoren weitere Befunde, die diese Hypothese stützen.

Architektur für Wissensmanagement und Wege der Integration

Der Ansatz des „integrierten Wissensmanagements“ ist zur besseren Übersicht in einer Architektur zusammengefasst, welche die Ebenen der Strategie, der Prozesse und der Informationssysteme sowie die vier Handlungsfelder für WM in ihrem Zusammenhang darstellt.

In der Architektur bilden drei der vier oben eingeführten Handlungsfelder die zentralen Säulen einer Wissensmanagementlösung, die alle Ebenen bestimmen. Das vierte Handlungsfeld Kultur umrahmt und beeinflusst die Ausprägung aller Elemente der Architektur.

Ein wesentlicher Ansatzpunkt des integrierten WMs ist es nun, die Ebenen und Handlungsfelder in mehrfacher Weise zu einem Ganzen zusammenzuführen. Dabei können anhand der dargestellten Architektur folgende Richtungen der Integration unterschieden werden:

– Vertikal: Integration der Ebenen der Architektur.

– Horizontal: Verbindung zwischen den Säulen der Architektur.

Vertikale Integration: Gründliches planerisches Vorgehen notwendig

In vertikaler Richtung der Architektur muss die WM-Strategie zunächst Top-Down aus der Geschäftsstrategie abgeleitet werden. Dies gibt die grundsätzliche Richtung vor („Was will ich mit der Unterstützung der Geschäfts-und Unterstützungsprozesse durch WM erreichen?“). Mögliche Zielrichtungen können beispielsweise eine Verbesserung der Produktqualität, die Beschleunigung von Durchlaufzeiten oder eine erhöhte Kundenzufriedenheit sein. Die hierfür notwendigen Schritte auf der Strategie-und Prozess-Ebene von WM werden nach Beobachtungen der Autoren in der Praxis gerade zu Beginn der WM-Aktivitäten gerne recht zügig absolviert oder ganz übergangen, da man schnell greifbare (häufig technische) Ergebnisse vorweisen will. Eine solche auf den „Quick-Win“ orientierte Vorgehensweise bereitet im zweiten oder dritten Berichtszeitraum nach dem Start häufig erhebliche Schwierigkeiten, wenn der generierte Nutzen dargestellt und in der Folge das Budget für weitere Perioden gerechtfertigt werden soll. Eine wesentliche Voraussetzung der vertikalen Integration ist daher ein gründliches planerisches und vor allem zusammenhängendes Vorgehen bei der Gestaltung der WM-Strategie und der Ableitung der WM-Prozesse. Ein wichtiges Bindeglied zwischen Strategie- und Prozess-Ebene ist dabei das Messsystem. Bei seiner initialen Gestaltung müssen die Ebenen von Strategie über Prozess bis System ganzheitlich durchdacht werden, zumal bei späteren Auswertungen Unstimmigkeiten zwischen den Ebenen oft schnell sichtbar werden. Schließlich ist das Messsystem das zentrale Instrument zur Darstellung der Zielerreichung und damit zur langfristigen Rechtfertigung von WM.

Auf die zentrale Rolle der WM-Prozesse als Bindeglieder zwischen Prozess- und System-Ebene wurde oben bereits eingegangen. Als Herausforderung in der Praxis zeigt sich dabei die oft zügige Veränderung der Geschäfts-und Unterstützungsprozesse (z.B. durch neue Produkte und Dienstleistungen, Zukäufe oder Fusionen oder Änderung von Verantwortungsbereichen). Um eine adäquate Unterstützung dauerhaft zu gewährleisten, müssen die WM-Prozesse und mit ihnen das unterstützende WM-System jeweils mit angepasst werden. Letzteres sollte dazu flexibel und mit so geringem Aufwand wie möglich konfigurierbar sein. Über den Zeitverlauf gesehen gibt es folglich gar nicht das WM-System einer Organisation im Sinne eines feststehenden Systems, sondern vielmehr eine Basisplattform zur Unterstützung von WM, die bedarfsorientiert bestimmte Funktionen – oft zeitlich begrenzt – bereitstellt.

Auf der System-Ebene bedeutet vertikale Integration vor allem die Zusammenführung aller für WM benötigten Informationen und Funktionen in einer Benutzerschnittstelle. In der oben eingeführten Architektur wird hierfür die Metapher des Portals benutzt. Ein Portal dient der Integration elektronischer Dienste und Anwendungen mit einheitlicher, personalisierbarer Benutzeroberfläche. Um diese Integration zu bewerkstelligen, steht zwischen dem Portal und den Applikationen der Ordnungsrahmen, mit dessen Hilfe auf der Basis einer einheitlichen Taxonomie oder Ontologie u.a. die Navigationsstruktur, das Layout und eine einheitliche Darstellung (z.B. durch Styleguides) gewährleistet wird. Zwischen Applikationen und den Informationsspeichern steht die Integrationsschicht, die den Zugriff einer Applikation auf alle benötigten internen und externen Quellen und Speichersysteme sicherstellen muss. Bei umfangreichen WM-Systemen kann dies sehr aufwändig sein, beispielsweise um einer Suchmaschine die Indexierung umfangreicher, verteilter Informationsobjektbestände zu ermöglichen.

Horizontale Integration: Säulen verbinden

Die horizontale Integration drückt sich auf der Strategie-und Prozess- Ebene vor allem in der zusammenhängenden Analyse, Planung und Gestaltung von WM in und zwischen den Säulen Transaktionen, Inhalte, Zusammenarbeit, Kompetenz und Orientierung sowie unter Berücksichtigung des Handlungsfelds Kultur aus. Die vorgestellte Architektur unterstützt die Planer und Umsetzer hier vor allem als Strukturierungshilfe und zur Wahrung der Vollständigkeit des Ansatzes.

Insbesondere auf der Strategie-Ebene dient Integration als grundlegendes Gestaltungsprinzip, um schon auf der Ebene der WM-Ziele ein Zusammenwirken verschiedener Handlungsfelder, WM-Prozesse, WM-Systeme, WM-Organisationsstrukturen, Organisationseinheiten, etc. zu planen und vorzugeben.

Auf der System-Ebene bedeutet horizontale Integration, die Portalfunktionen des Informationsobjekte-Managements (Content-Management-Systeme), der virtuellen Räume für Zusammenarbeit (Community-Management-Systeme), des Kompetenzprofile-Managements (Competence-Management-Systeme), des E-Learning sowie transaktionaler Systeme zur Schaffung einer effizienten Arbeitsumgebung für die Rollenträger in den WM-Prozessen eng zu verbinden. Ein Portal bietet den Anwendern beispielsweise Funktionen in einer einheitlichen Benutzeroberfläche zur Ablage von Informationsobjekten, zur synchronen und asynchronen Kommunikation (z.B. über das Versenden von Nachrichten), zur Vereinbarung von Terminen sowie zur Initialisierung von und Teilnahme an Diskussionen.

Das Ergebnis einer vollständigen vertikalen und horizontalen Integration ist eine durchgängige, geschäftsstrategiekonforme, gezielt steuerbare, in die Geschäfts- und Unterstützungsprozesse eingebettete sowie systemseitig adäquat unterstützte Wissensmanagementlösung. Diese berücksichtigt und bildet die Handlungsfelder des WMs in der für die jeweilige Organisation und ihre verschiedenen Bereiche richtigen Gewichtung ab. Ein solcherart integriertes WM schafft auf Basis der Beobachtungen in der Praxis signifikanten Nutzen und – nicht minder bedeutend – es kann diesen auch schlüssig und überzeugend darstellen.

Im Bereich der technologischen Unterstützung von WM findet ein permanenter technologischer Wandel statt, wobei die grundlegenden (weiter oben bereits eingeführten) Handlungsfelder allerdings stabil bleiben. Während die ersten Generationen von WM-Systemen auf proprietären Herstellerarchitekturen basierten und trotz vorhandener Schnittstellen de facto Insellösungen waren, setzen sich in jüngerer Zeit verstärkt offene Technologien des World Wide Web (WWW) zur systemseitigen Unterstützung von WM durch. Im Folgenden wird auf eine bestimmte Gruppe dieser Technologien, genannt Social Software, näher eingegangen.

Aktuelle Technologietrends – Unterstützung des Wissensmanagements durch Social Software

Anwendungen und Techniken der Social Software finden im WWW derzeit eine große Beachtung. Dabei sind vor allem Weblogs (kurz: Blogs), Wikis, Social Networks sowie Tagging und Folksonomies weit verbreitet. Neben den vielfachen Einsatzszenarien im WWW prüfen zunehmend Organisationen die interne Einführung von Social Software im Rahmen des Wissensmanagements.

Weblogs und Wikis

Weblogs und Wikis leisten einen Beitrag für das organisationsweite und -übergreifende Management von digitalen Inhalten, indem sie die Mitarbeiter dabei unterstützen, ihre Aufgaben durch die Erstellung, Veröffentlichung und Nutzung von Inhalten auszuführen. Somit adressieren Weblogs und Wikis die Säule des Content-Managements. Gerade Weblogs bieten eine einfache Organisation der Inhalte: neue Einträge stehen an oberster Stelle, ältere folgen in umgekehrt chronologischer Reihenfolge (statt einer häufig vorherrschenden manuellen und hierarchischen Organisation). Zudem lassen sich Inhalte mittels einer einfachen Benutzungsschnittstelle (in der Regel ein Webformular und eine einfache Syntax im Gegensatz zu z.B. einem HTML-Editor) leicht aktualisieren sowie einfach nutzen (beispielsweise können relevante Inhalte mit einem RSS Reader abonniert werden, so dass das regelmäßige Aufrufen einer Intranet-Webseite oder eines proprietären Content-Management-Systems (CMS) entfällt). Gerade die effektiven Navigations-, Such- und Repräsentationsfunktionalitäten von Weblogs und Wikis erleichtern die Identifikation, das Erkennen von Kontexten und die Verarbeitung von relevanten Inhalten. Des Weiteren entwickelt sich durch das kollaborative Erstellen der Inhalte eine konsistente Terminologie, die durch Tagging-Mechanismen weiter verfeinert werden kann (siehe unten).

Bei Wikis kann grundsätzlich eine Gleichsetzung von Leser und Autor stattfinden, d.h. organisationsinterne Inhalte werden kollaborativ erstellt und gepflegt. Somit besteht kein Besitztum an Inhalten. Eine kritische Masse an beteiligten Personen vorausgesetzt, können die in Wikis verwalteten Inhalte einen hohen Grad an Objektivität aufweisen. Folglich eignen sich Wikis in organisationsinternen Kontexten insbesondere für das kollaborative Erstellen von Enzyklopädien, Lexika oder Lessons-learned-Berichten. Dagegen wird ein Weblog in der Regel nur von einem Autor – in Ausnahmefällen auch von einer ausgewählten Autorengruppe – betrieben, d.h. Weblogs sind stark subjektiv geprägt. Alle anderen Personen können durch die für Weblogs charakteristische Kommentarfunktion Beiträge zu einzelnen Weblog-Inhalten beisteuern.

Weblogs und Wikis können neben ihrer Rolle als Alternativen zu teuren und komplexen proprietären CMS, Bulletin Boards und Diskussionsforen in weiteren spezifischen Einsatzszenarien Nutzen stiften. Beispielsweise können sie zur Erfassung und Verwaltung von Lessons-learned- und Best-Practices-Berichten eingesetzt werden. Aufgrund der einfachen Handhabung und des ausgeprägten sozialen und kollaborativen Charakters bietet sich insbesondere ein Einsatz zur Unterstützung des organisationalen E-Learnings an. Die inhärente Subjektivität von Weblogs kann schließlich zur Meinungsfindung, -verbreitung und ggf. auch -bildung eingesetzt werden (siehe als allgemeine Negativbeispiele die massive Kritik an dem Handy- Klingelton-Anbieter Jamba! oder an der Kampagne „Du bist Deutschland“). Im organisationalen Kontext bietet sich dies zum einen als internes Kommunikationsmedium zur Information von Mitarbeitern sowie zum anderen extern zur Pflege von Kunden- und Investorenbeziehungen an.

Weblogs und Wikis tragen also insbesondere im Vergleich zu traditionellen Content-Management-Prozessen und proprietären CMS zu folgenden drei Nutzenkategorien bei:

– Kostenreduktionen vor allem durch zeitgerechte Verfügbarmachung relevanter Inhalte insbesondere in Wikis aber auch in Weblogs; darüber hinaus können Lizenzkosten eingespart werden.

– Zeitreduktionen aufgrund kürzerer Informationsrecherchezeiten durch effektive Navigations-, Such- und Repräsentationsfunktionalitäten in Weblogs und Wikis.

– Qualitätssteigerungen durch erhöhte Innovationsfähigkeit aufgrund des besseren Wissensaustauschs, den diese Form des kollaborativen Content-Managements ermöglicht.

Social Networks

Social-Network-Lösungen können sowohl für das Kompetenzmanagement als auch für das Community-Management eingesetzt werden. Im Rahmen des Kompetenzmanagements kann ein starker Effekt auf das Wissensmanagement mit vergleichsweise geringem Aufwand erzielt werden So können Social-Network-Lösungen wie beispielsweise openBC/XING dazu beitragen, existierende Kompetenzen transparent darzustellen, Kompetenzlücken aufzuzeigen sowie die Entwicklung benötigter und neuer Kompetenzen zu unterstützen. Die für Social-Network-Dienste typischen expliziten, bidirektionalen Verbindungen zwischen Personen erzeugen des Weiteren Kompetenzverknüpfungsnetzwerke; diese bilden in Organisationen oft selbstorganisierte Kompetenzverzeichnisse, ohne dass spezielle personalbezogene Maßnahmen notwendig sind. Darüber hinaus wird die flache oder auch hierarchische Organisation von Yellow Pages oder Expertiseverzeichnissen erweitert.

Neben der beschriebenen Unterstützung des Managements von Kompetenzen wird eine einfache Verwaltung von Kontakten und Kontaktinformationen ermöglicht. Sowohl die Pflege von Kompetenzprofilen und Kontaktinformationen als auch der entsprechenden Netzwerke durch die Mitarbeiter einer Organisation ist intuitiv durchzuführen. Eine hohe Qualität der Einträge wird häufig durch ein hohes Bewusstsein für die soziale Wahrnehmung eingepflegter Informationen sowie folglich durch eine intensive Nutzung entsprechender Lösungen erreicht (beispielsweise müssen die bidirektionalen Verbindungen von Personen explizit akzeptiert werden). So bilden sich neben den genannten Kompetenzverzeichnissen auch Organisationsverzeichnisse, wie z.B. Telefonverzeichnisse.

Gerade aus der Möglichkeit, Kompetenzverknüpfungsnetzwerke zu bilden, lässt sich auch der Beitrag von Social-Network-Lösungen für das Community-Management ableiten. Zum einen erleichtern solche Netzwerke das Bilden von Communities, indem Wissensträger zum Wissensaustausch zusammengebracht werden. Zum anderen stellen Social-Network-Lösungen Gruppen-oder Foren-Funktionalitäten zum Kreieren und Management von virtuellen Räumen zur Verfügung, die eine wichtige Unterstützungsfunktion für das Management von Communities darstellen. Eine weitere Unterstützung erfährt dieser Prozess durch häufig verfügbare integrierte Instant-Messaging- Funktionalitäten. Schließlich werden Community-Management-Aktivitäten von Organisationsmitgliedern sehr intensiv wahrgenommen.

Zusammenfassend lassen sich auch hier folgende Potenziale identifizieren, die sich vor allem im Vergleich zu nicht IT-unterstütztem Kompetenzmanagement ergeben:

– Kostenreduktionen, weil Kompetenzträger in den durch Social-Network-Lösungen gebildeten Kompetenz- und Organisationsverzeichnissen zeitnah identifiziert werden können.

– Zeitreduktionen durch effizienteren Wissensaustausch und schnellere Einarbeitung neuer Mitarbeiter aufgrund explizit verfügbarer Kompetenzprofile und aufgrund eines leichten Zugangs zu relevanten Communities.

– Qualitätssteigerungen aufgrund besserer Arbeitsunterstützung durch explizite Kompetenzprofile sowie verbesserte Koordination zwischen Organisationseinheiten – einerseits ermöglicht durch Kompetenz-und Kontaktnetzwerke und andererseits durch Communities über Organisationseinheitsgrenzen hinweg.

Tagging und Folksonomies

Tagging, d.h. das Auszeichnen oder auch Indexieren von Inhalten mit frei vergebenen Stichwörtern (auch: Tags, Deskriptoren, Metadaten, Attributen), ermöglicht zum einen die inhaltsgetreue Beschreibung von Informationsobjekten durch die Autoren selbst. Dadurch kann eine volltextbasierte Informationsrecherche durch auf Tags basierende Navigations- oder Suchverfahren (auch: attributbasierte Suche) erweitert werden, die kleinere und präzisere Ergebnismengen liefern. Infolgedessen reduziert sich der Nachbearbeitungsaufwand für den Anwender und gewünschte Informationsobjekte sind schneller auffindbar. Zum anderen bilden sich durch gemeinschaftliches Indexieren Tag-Sammlungen, die als Folksonomies („folk“ + „taxonomy“) bezeichnet werden. Folksonomies dienen dazu, ein Stichwortsystem bestehend aus einem Kernbegriffsbestand zu schaffen, und ermöglichen somit die Bildung eines Organisationsvokabulars. Es wird folglich eine Sach- bzw. Inhaltserschließung der mit Tags versehenen Inhalte möglich. Tagging-Mechanismen sind daher der Säule Orientierung zuzurechnen.

Für Social Software typisch ist eine einfache Benutzungsschnittstelle. Diese ist auch charakteristisch für das Tagging und ermöglicht die einfache Zuweisung von Tags zu Inhalten aller Art (beispielsweise Einträge in Weblogs, Fotos und Videos, Kontakte und Bookmarks) sowie die Tag-basierte Suche. Die Funktionalitäten werden in der Regel durch eine Tag Cloud unterstützt, welche die meist genutzten Tags anschaulich repräsentiert. Anwender orientieren sich bei der Zuweisung von Tags an den in der Tag Cloud aufgeführten Tags, so dass sich mit der Zeit ein vergleichsweise stabiles und aussagekräftiges Organisationsvokabular bildet. Eine Exploration von Inhalten über die zugewiesenen Tags führt zudem zur Identifikation von verborgenen Informationen und Zusammenhängen. Die Zuweisung von Tags zu Inhalten – d.h. die Auszeichnung bzw. Annotation von Informationsobjekten mit Metadaten – wird schließlich als wichtige Voraussetzung für den organisationalen Einsatz von Semantic-Web-Technologien angesehen.

Folgende Potenziale ergeben sich aus den beschriebenen Techniken im Vergleich zur simplen Volltextsuche:

– Reduktionen von Kosten und Zeit, da sowohl geschäftsprozessrelevante Informationsobjekte als auch benötigte Kompetenzträger mittels der effizienten Such- und Navigationsfunktionalitäten von Tagging-Mechanismen rechtzeitig und schneller verfügbar gemacht werden können.

– Qualitätssteigerungen und erneut Kosten- und Zeitreduktionen, weil die Identifikation von bisher unbekannten Informationen oder Zusammenhängen zur Vermeidung von Fehlern aus Unkenntnis beiträgt, zu kürzeren Recherchezeiten sowie zu gesteigerter Innovationsfähigkeit führt.

Erfolgreiche Einführung und Nutzung von Social Software in Organisationen

Der organisationale Einsatz von Social Software befindet sich noch in einer frühen Phase. Doch gerade technikaffine Unternehmen wie beispielsweise IBM, Microsoft und Siemens setzen intern auf entsprechende Technologien. Eine wesentliche Annahme dabei ist, dass sich die grundlegende Charakteristik einer „Welt des Gebens und Nehmens“, die von der Nutzung von Social Software im Internet bekannt ist, auf den organisationsinternen Kontext übertragen lässt. Folglich sollen Anwendungen und Techniken der Social Software in Organisationen den Aufbau und die Pflege sozialer Netzwerke und Communities unterstützen. Sie sollen weitgehend mittels Selbstorganisation funktionieren.

Fazit und Ausblick

Integriertes WM erfordert in Organisationen eine langfristige Planung sowie dauerhafte Anstrengungen zur Umsetzung und kontinuierlichen Verbesserung von WM. Gelingt die umfassende Einbettung in eine Organisation, wird WM eine eigenständige Disziplin. Ziel des integrierten WMs ist daher das „organische“ oder „unsichtbare“, weil vollständig selbstverständlich gewordene und täglich angewendete WM. Im Gegensatz zu den oft geforderten schnellen Ergebnissen (Quick Wins), die im Bereich WM eher gefährlich sind, erfordert erfolgreiches WM einen „langen Atem“ zum Herbeiführen dauerhafter Resultate (Long-term Gains).

Neue Möglichkeiten für die technologische Unterstützung des Wissensmanagements verspricht das Semantic Web, das das World Wide Web um die Semantik von Inhalten erweitert. Das Semantic Web verfolgt eine der Social Software analoge Zielsetzung: So sind insbesondere das Tagging und die Bildung von Organisationsvokabularen mittels Folksonomies eine wichtige Basis für die organisationale Einführung von Semantic-Web-Technologien. Social-Software- Anwendungen können um Techniken des Semantic Web erweitert werden, so dass beispielsweise über typisierte Verknüpfungen eine genauere Informationsrecherche möglich wird.

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