Business Process Outsourcing (BPO): Größere Spielräume für strategische Personalarbeit

Wenn der Unternehmensbereich Human Resources (HR) hauptsächlich als Lohnbüro arbeitet, kommen strategische Aufgaben häufig zu kurz. Doch lassen sich vor allem Tätigkeiten mit hohem administrativen Anteilen gut im Outsourcing erledigen. Das Chemieunternehmen Celanese AG hat den Betrieb seiner SAP/HR-Anwendungen sowie die Lohn- und Gehaltsabrechnungen an einen Dienstleister ausgelagert und verringert so den Anteil an Routinetätigkeiten für die Mitarbeiter der Personalabteilung erheblich.

Vom Nischendasein zum allgemeinen Trend – so lässt sich die Karriere des Business Process Outsourcings (BPO) wohl am treffendsten beschreiben. Denn dieses spezielle Segment des IT-Servicemarkts, das die Auslagerung von Geschäftsprozessen mit hohem IT-Anteil umfasst, hat dem Marktforschungsinstitut IDC zufolge im vergangenen Jahr ein stolzes Wachstum von weltweit acht Prozent aufzuweisen. Das Volumen von derzeit weltweit 405 Milliarden US-Dollar soll bis 2008 weiter zunehmen und dann bei 682,5 Milliarden US-Dollar liegen.
Auch die Analysten der Gartner Group erwarten für Europa bis zum Jahr 2007 BPO-Ausgaben in Höhe von 33 Milliarden Euro – bei Wachstumsraten von 6,8 Prozent jährlich. Dazu trägt nach Ansicht der Experten vor allem das Auslagern von Gehaltsabrechnungen, von Anwendungen im Personalwesen und Finanzbereich, Rechnungswesen und in der Beschaffung wesentlich bei.
In der üblichen Aufgliederung des Unternehmensbereichs Human Resources (HR) in strategische Planung, Management und Administration enthält vor allem der letztgenannte Bereich das „Outsourcing-fähige“ Geschäft. Denn alle standardisierten Prozesse, wie zum Beispiel Lohn-, Gehalts- und Reisekostenabrechnungen sowie die Archivierung der entsprechenden Belegdaten einschließlich der damit zusammenhängenden Verwaltungstätigkeiten, kommen für eine Auslagerung in Frage. Auf diese Weise entstehen nicht nur Kostenvorteile, sondern auch Freiräume für strategische Aufgaben.

Administrative Routine verringern

Für die Verantwortlichen in dem Chemieunternehmen Celanese AG mit Hauptsitz im hessischen Kronberg war diese Aussicht sehr verlockend. Die ehemalige Tochtergesellschaft der Hoechst AG, die 1997 abgespalten wurde und seitdem als börsennotierte Gesellschaft unabhängig am Markt agiert, hat ihre Lohn- und Gehaltsabrechnungen sukzessive ausgelagert. „Weil unsere Personalabteilung mit strategischen und operativ-pragmatischen Aufgaben neu aufgestellt wurde, sollte der Anteil an administrativen Routinetätigkeiten wesentlich verringert werden“, begründet Rüdiger Dingeldey, Mitarbeiter Human Resources im Bereich Vergütung und Benefits der Celanese AG, diese Entscheidung.
Deshalb vergab Celanese den Betrieb der SAP/HR-Anwendungen sowie die Lohn- und Gehaltsabrechnung an die Krefelder Triaton GmbH, ein Unternehmen von HP. „Unsere Personalreferenten liefern den Input für die Entgeltabrechnung unserer 3.000 Mitarbeiter in Deutschland“, erläutert Dingeldey das Prinzip dieser Arbeitsteilung. „Der Abrechnungsreferent bei unserem Servicepartner gibt diese Daten in das System ein und komplettiert sie.“ Auf dieser Basis erstellt und druckt der Dienstleister dann die Abrechnungen und Bescheinigungen.
Dadurch sinken für Celanese zum einen die Verwaltungskosten. Zum anderen haben sich auch durch das mit dem BPO meist verbundene Reengineering der bisherigen Prozesse erhebliche Kostenvorteile ergeben. Die Zusammenarbeit mit dem Dienstleister minimiert den Aufwand für den Betrieb der entsprechenden Systeme, und gleichzeitig werden die entstehenden Kosten transparenter. Einer Umfrage der Meta Group zufolge sparen Unternehmen durch BPO im Durchschnitt bis zu 14 Prozent ihrer Kosten ein.
Der verantwortliche Leiter BPO bei HP sieht sogar noch größere Potenziale: „Wenn ein Unternehmen wirklich outsourcing-bereit ist, liegen die Kosteneinsparungen je nach Firmengröße und den genutzten Systemen zwischen zehn und 25 Prozent.“ Doch wann ist ein Unternehmen zur Auslagerung seiner HR-Prozesse bereit? „Wie beim IT-Outsourcing allgemein sollte auch vor dem BPO eine gewisse Standardisierung vorhanden sein“. Grundsätzlich gelte: Je mehr die Systeme beim Kunden und beim Dienstleister übereinstimmen, desto wahrscheinlicher sei die Win-Win-Situation. Hinzu komme, dass der Personalchef tatsächlich dazu bereit sein müsse, Verantwortung abzugeben.
Dass die Celanese AG durch ihre Outsourcing-Strategie tatsächlich Kostenvorteile erzielt, hat auch damit zu tun, dass die Outsourcing-Dienstleister in der Regel mehrere Unternehmen auf der Basis des gleichen Tarifvertrages betreuen. So entstehen Skaleneffekte, von denen die Kunden profitieren. Hinzu kommt, dass die Provider häufig nicht an die gleichen Tarifverträge wie ihre Kunden gebunden sind und deshalb unter Umständen geringere Personalkosten haben als diese. Denn Unternehmen, die Tarifverträgen unterliegen, können auch bei einer schlechten wirtschaftlichen Entwicklung die Kosten für die Personalsachbearbeitung im eigenen Haus nicht so ohne weiteres senken.

Provider sind flexibler und unabhängiger

Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass sich bei einigen BPO-Modellen beispielsweise der Aufwand für Lohn- und Gehaltsabrechnungen nach der Anzahl der Mitarbeiter eines Unternehmens richtet. Gibt es weniger Beschäftigte, so sinken die Kosten automatisch. Erledigt ein Betrieb die Abrechnung dagegen selbst, so fallen die erforderlichen Kosten dafür unabhängig von der Anzahl der Transaktionen an.
Business Process Outsourcing lohnt sich, findet auch Rüdiger Dingeldey. Aus der Sicht des Celanese-HR-Experten liegen die Vorteile aber nicht primär darin, dass nun in der Personalabteilung weniger Leute beschäftigt werden könnten. „Die Kapazitäten, die bei uns im Bereich der Verwaltungsaufgaben durch das BPO freigesetzt wurden, haben wir genutzt, indem wir die strategische Tätigkeit unserer Abteilung ausgebaut haben“, erklärt er. „Dadurch können wir die eigentlichen HR-Aufgaben besser erfüllen als zu der Zeit, als unsere Abteilung auch noch das Lohnbüro war.“ Überdies erscheint ihm die Grundidee, Daten nur einmal zentral vorzuhalten und daran verschiedene administrative Prozesse anzuknüpfen, logisch und sinnvoll. „Dadurch zieht man mehr Leistung aus dem System – für das gleiche Geld.“
Doch auch wenn ein Unternehmen per Outsourcing gewisse Tätigkeiten abgibt – die Verantwortung für das Ergebnis liegt gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiterhin beim Auftraggeber. Treten etwa signifikante Fehler in den Gehaltsabrechnungen auf, so bekommt die Personalabteilung und auch die Geschäftsleitung erhebliche Schwierigkeiten. Deshalb sind fachliche Kompetenz und Zuverlässigkeit wichtige Kriterien für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit einem Outsourcing-Provider.
Um die Risiken zu minimieren, sollte man nur mit Dienstleistern zusammenarbeiten, die den Schutz der sensiblen Personaldaten garantieren. Um dies beurteilen zu können, helfen Zertifizierungen nach internationalen Normen wie dem British Standard BS 7799 bzw. der ISO-Norm ISO/IEC 17799, die bisher nur wenige Outsourcing-Dienstleister in Deutschland nachweisen können. Ist dies der Fall, so sollte man vor der Auslagerung auch aus Datenschutzgründen keine Scheu haben. Denn grundsätzlich sind die Daten beim Provider sogar sicherer als im eigenen Unternehmen – da dort keinerlei Interesse besteht, beispielsweise die Höhe des Gehaltes einzelner Mitarbeiter zu erfahren. Nicht von ungefähr wurden und werden Personaldaten von Vorstandsmitgliedern häufig bei Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern aufbewahrt.

Mehr als reine IT-Abwicklung

Ob Industrieunternehmen, Bank, privater oder öffentlicher Dienstleister: Grundsätzlich kommt Business Process Outsourcing für jedes Unternehmen in Frage – allerdings nicht jeder Anbieter für jede Branche. Vor allem sollte er neben dem nötigen IT-Know-how und den personalwirtschaftlichen Kenntnissen auch über umfassendes Branchenwissen und entsprechende praktische Erfahrungen verfügen. Eine wichtige Frage ist beispielsweise, ob er sich in dem jeweiligen Tarifvertrag auskennt, der den Lohn- und Gehaltsabrechnungen zu Grunde gelegt werden muss. So sind ja die Tarifverträge nicht nur in den einzelnen Branchen, sondern auch in den Bundesländern sehr unterschiedlich.
Hinzu kommen regelmäßig neue tarifliche Regelungen, wie etwa die Einführung von Altersteilzeit. Da eine Standard-Software diese Besonderheiten nicht abbildet, muss der Dienstleister alle Details und tariflichen Änderungen in die Abrechnungs-Software einarbeiten und den Kunden auch darüber informieren. Das setzt voraus, dass er über die Verhandlungen zwischen Arbeitgeberverband und Gewerkschaften sehr gut informiert ist, die Durchführungsbestimmungen kennt und weiß, was damit jeweils gemeint ist. Diese Dienstleistung geht also weit über eine reine IT-Abwicklung hinaus.
Neben Branchenkompetenz, Service- und Kundenorientierung des Providers und seiner Innovationskraft gehören nach einer Meta Group-Studie auch „ethisches Verhalten und Fairness“ zu den wichtigsten Kriterien bei der Auswahl des Dienstleisters. Da Business Process Outsourcing in der Regel Arbeitsteilung bedeutet, müssen klare Regeln aufgestellt werden und beide Partner ein vertrauensvolles Verhältnis zueinander aufbauen.
Dies ist auch deshalb ratsam, weil der einmal eingeschlagene Weg in Richtung Business Process Outsourcing nur schwer zu revidieren ist. Egal, ob ein Unternehmen die betreffenden Geschäftsprozesse wieder selbst ausführen oder sich einen anderen Dienstleister suchen will: Wer sich für BPO entscheidet, gibt Kompetenzen ab und lässt sich damit auf einen Know-how-Verlust ein. Das räumt auch Rüdiger Dingeldey ein. Er hat aber festgestellt: „Wir bei Celanese benötigen dieses spezielle Wissen heute nicht mehr.“

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