Wegweiser für Online-Shops

Ob Produktsortiment, Businessplan, Shopsystem, vernachlässigte Logistik oder abschreckenden Zahlarten: die Liste der Fehler, die Neulinge in der Gründungsphase von Online-Shops machen können, ist lang. Insbesondere wird oft der Aufwand im vertrieblichen und im strategischen Bereich unterschätzt, während die Gründer meinen, die eigentlichen Probleme allein im technischen Bereich liegen zu sehen. Wer es allerdings schafft, diese Fehler erfolgreich zu umgehen, der hat im eCommerce gute Chancen.

Viele Shopeinsteiger sehen den Erfolg Ihres Onlinegeschäfts von der Wahl des richtigen Shopsystems abhängig und lenken deshalb vor der Gründung ihres Unternehmens fast die gesamte Aufmerksamkeit auf dieses Thema. Doch die Auswahl des Shopsystems ist wirklich nicht das zentrale Problem. Die meisten aktuellen Shopsysteme bieten alle notwendigen Features und unterscheiden sich nur in deren Ausprägungen und Spezialfunktionen.

Die wichtigsten Aufgaben eines Händlers liegen während der Gründungsphase weniger im technischen als vielmehr im strategischen und vertrieblichen Bereich. Diese entscheidenden Erfolgsfaktoren werden leider oft übersehen oder missachtet – mit fatalen Folgen. Dieses Kapitel stellt die zehn größten Fehler bei der Einrichtung eines Webshops vor. Wer versucht, die typischen Fehler vom Start weg zu vermeiden, hat gute Chancen, am Ende als strahlender Gewinner dazustehen. Denn zumindest in einem sind sich alle einig: Dem E-Commerce stehen glänzende Zeiten bevor.

Unterschätzter Aufwand
Hartnäckig hält sich in vielen Köpfen die Vorstellung, im Internet könne man „mit einem Onlineshop schnell Geld machen“. Nur so ist es zu erklären, dass viele Händler den Aufbau ihres Webshops mit falschen Einschätzungen bezüglich des Zeit- und Kostenaufwandes starten. Einen Webshop kann man nicht „mal nebenbei“ gründen. „Vielen Webshop-Gründern fehlt es schlicht
an Ernsthaftigkeit“ warnt Usability-Experte Johannes Altmann von Shoplupe.de. Er kennt Fälle, in denen die Projektleitung auf Auszubildende oder Praktikanten übertragen wurde – mit entsprechend fatalen Ergebnissen. E-Commerce-Expertin Nicola Straub von Shopanbieter.de bestätigt: „Ein richtig geführter Webshop kostet genauso viel Geld und Aufwand wie ein Ladengeschäft.“ Und wie bei der stationären Geschäftsgründung werden auch im Internet unterschiedliche Kompetenzen für einen professionellen Auftritt benötigt.

Falsches Produktsortiment und schlechte Strategie
Die Technik sollte nicht das erste Thema eines Neuhändlers sein. Viel wichtiger ist es, zunächst einmal eine saubere Strategie auszuarbeiten, rät Martin Pfisterer, Geschäftsführer des Shopsystem-Anbieters ElectronicSales GmbH: „Aus der Strategie ergibt sich das Anforderungsprofil für die Systemauswahl, deshalb sollte diese erst in der zweiten Linie stehen.“ Dazu gehört, sich seines Alleinstellungsmerkmales (unique selling point, USP) bewusst zu werden und auf die richtigen Produkte zu setzen. „Bei uns war es letztlich reines Glück, dass wir von Anfang an das richtige Produktsortiment hatten“, erinnert sich Michael Möller an die Anfänge seines Elektro- und Schaltermaterialversandes Voltus.de. So denken viele Händler, dass man im Internet nur möglichst gängige Produkte so billig wie möglich anbieten müsse, um genügend Kunden zu finden. Tatsächlich ist das Gegenteil ist der Fall.

Wer erfolgreich an den Markt gehen will, muss eine Nische finden, auf Neudeutsch eine „Longtail-Strategie“. Denn allein über Niedrigpreise lässt sich kein Webshop platzieren und schon gar nicht längerfristig am Markt halten. Zu den wichtigsten „Hausaufgaben“, die ein Shopgründer zuerst erledigen muss, gehört es daher, sich seiner Kompetenzen und Möglichkeiten bewusst zu werden und eine umfassende Marktanalyse vorzunehmen, um genau die „Lücke“ zu finden, in der sich ein Shop behaupten kann. Michael Möller: „Man muss sich fragen: Welche Produkte werden benötigt, wie ist der Wettbewerb dort und bin ich sowohl fachlich als auch preislich in der Lage, wettbewerbsfähig anzubieten?“

Im Businessplan fehlen wichtige Budgets
Ist eine erfolgversprechende Strategie gefunden, muss der Händler einen Businessplan erstellen. Dabei wird der Finanzbedarf oft unterschätzt. Es geht schließlich nicht nur um die Anschaffung und Einrichtung eines Shopsystems sowie den Einkauf des Grundsortimentes. Mehr noch als im Ladengeschäft gilt im Onlinehandel, dass die Produktpräsentationen wirklich hochwertig sein müssen. Professionelle Produktfotos und Beschreibungstexte kosten Geld und Zeit – im Businessplan müssen daher auch die hierfür benötigten Budgets verankert werden. Außerdem erwirtschaftet kein Webshop vom Start weg Geld. Im Internet kann man nicht „von der Laufkundschaft im Einkaufszentrum“ profitieren (außer man nutzt entsprechende Marketing-Plattformen): Wer Besucher will, muss Marketing betreiben. Und dazu gehört vor allem, über das finanzielle Polster zu verfügen um einerseits die Marketingstrategien zu bezahlen, und andererseits auch die Zeit zu überleben, bis sie greifen.

Marketing-Strategie fehlt oder kommt zu spät
E-Commerce-Anfänger stehen vor einem Dilemma: Einen neuen Shop bekannt zu machen erfordert eine schlagkräftige Marketingstrategie und einen vergleichsweise breiten Marketing-Mix. Tatsächlich fehlen Marketing-Neulingen aber die wichtigen Erfahrungen, welche Maßnahmen am besten funktionieren und wie diese am besten eingesetzt werden können. Parallel zur Strategie-Entwicklung sollte ein Händler daher bereits in der Planungsphase eine Marketingstrategie erarbeiten. Wer an diese Aufgabe ganz ohne eigene Erfahrungen herangehen muss, sollte sich hierfür unbedingt Unterstützung suchen. Übrigens: Bei der Festlegung der Marketingstrategie fallen ganz automatisch auch zusätzliche Vorgaben für den Anforderungskatalog an Shopssoftware und -layout an. Deshalb ist es so extrem wichtig, diese Aufgabe schon vor der System- und Layout-Suche erledigt zu haben.

Fehlendes Marketing-Controlling und Festhalten an ungeeigneten Maßnahmen oder Produkten´
Einen Marketingplan zu haben ist gut, starr daran festzuhalten ist fatal. Marketing funktioniert nur, wenn man es als ständigen Kreislauf zwischen Testen, Erfolgskontrolle und Optimierung betreibt. Dafür werden allerdings zwei entscheidende Grundlagen benötigt: Erstens ein Controlling-Tool, das (möglichst) in Echtzeit korrekte Daten liefert. Zweitens muss der Händler wissen, was ihn die Gewinnung eines Neukunden überhaupt kosten darf. Viele Marketingmaßnahmen sehen flüchtig betrachtet gut aus, weil sie Kunden bringen. Erst bei genauer Berechnung der Kosten zeigt sich, dass die gewonnenen Aufträge oft zu teuer erkauft sind.

Es gilt also, bei seinem Controlling die „richtigen“ Kennzahlen zu betrachten: Besucher, Page-Impressions und „Klicks“ bringen erstmal kein Geld, im Gegenteil, sie kosten. Die Marketingkosten müssen daher auf aussagekräftige Werte bezogen werden, um ein Urteil über die Qualität einer Maßnahme fällen zu können. Das Zauberwort heißt hier KUR – Kosten-Umsatz-Relation: Sie zeigt, wie viele Euro Umsatz eine Marketingmaßnahme pro eingesetztem Euro erzielt. Stellt sich dann heraus, dass eine Maßnahme zu teuer ist, heißt es umgehend reagieren und sie optimieren oder aufgeben. Sonst verbrennt der Händler lediglich Geld.

Shopsystemwahl ohne „Perspektive auf Erfolg“
Es gibt hunderte von Shopsystemen am Markt und entsprechend hilflos stehen Shopgründer oft vor dem Problem, das für sie passende System zu finden. Zudem neigen viele Händler zu Extremen: Die einen möchten, dass die Shopsoftware möglichst nichts kostet, die anderen werfen einen ungesund großen Anteil ihres Budgets ins Rennen. Beide Gruppen übersehen, dass die Konfiguration und Einrichtung der viel größere Kostenblock ist. „Jeder Hersteller kann auf erfolgreiche Beispielshops verweisen – aber Aufwand und Folgekosten können bei einer falschen Shopwahl enorm sein“ erklärt Johannes Altmann von Shoplupe.de.

Viele Shopgründer kalkulieren offenbar nicht mit dem Ernstfall – dass ihr Projekt nämlich richtig erfolgreich sein könnte. So ähnlich sich die meisten aktuellen Shopsysteme in den Funktionen sind, sie unterscheiden sich enorm in der Skalierbarkeit. Dazu gehört nicht nur die Eignung der Software für viele gleichzeitige Transaktionen oder die Verteilung des Systems auf mehrere Server – auch die Schnittstellen zu allen nur denkbaren Drittanwendungen und Payment- oder Logistiker-Systemen müssen verfügbar und auch belastbar sein. Brummt der Shop, ist der Umstieg auf ein anderes System oft genug unternehmenskritisch, wie auch Michael Möller von Voltus.de bestätigt: „Wir sind mit einem Shopsystem gestartet, dass nicht vernünftig skalierbar war. So stießen wir, als wir wuchsen, schnell an Grenzen. Der Aufwand des Systemwechsels war unglaublich, wir haben praktisch das gesamte Jahr 2005 dafür benötigt. Nun haben wir ein leistungsfähiges, beliebig skalierbares System von einem Anbieter, der auch mit uns wachsen will.“

Auch Martin Pfisterer von der ElectronicSales GmbH rät, den Schwerpunkt auf die Skalierfähigkeit zu setzen: „Das System muss die Möglichkeit bieten, weitere Zahlungssysteme, Schnittstellen zu Preissuchmaschinen und andere Funktionen einfach hinzuzubuchen, damit später keine langen Wartenzeiten entstehen.“ Für die Systemwahl hilft es, bei Wettbewerber-Shops oder Shops mit ähnlicher Ausrichtung oder analogen Anforderungen zu recherchieren und nachzusehen, welche Systeme dahinter stecken. Wer dann noch einfach mal den Telefonhörer in die Hand nimmt und die Betreiber über ihre Zufriedenheit mit ihrem System befragt, erhält eine viel bessere Entscheidungsbasis, als der, der sich allein auf Herstelleraussagen verlässt. Übrigens: Die Referenzen der verschiedenen Anbieter, sind häufig nach Branche sortiert, das kann die Recherche erleichtern.

Untaugliches Shop-Layout und unverständliche Struktur
Heutige Onlineshops sehen völlig anders aus, als noch zu Anfangszeiten des E-Commerce. Manchen sieht man nicht einmal mehr an, dass sie Shops sind: Zugunsten edlen Designs werden die „lästigen Bedienelemente“ verschämt versteckt oder verblendet.Das Resultat sind sehr schicke Sites, aber katastrophale Wandlungsquoten: „Führungskräfte (…) müssen damit aufhören, das Einkaufserlebnis im Laden mit schlecht funktionierenden, obgleich glamourösen Sites online nachahmen zu wollen.“ rügte Forrester Researcherin Victoria Bracewell Lewis die Gestaltungspolitik vieler Markenhersteller.

Es hilft alles nichts, ein Onlineshop soll vor allem eines: Verkaufen. Dieser Funktion muss sich die Gestaltung unterwerfen: Kunden müssen sich innerhalb von Sekunden auf der Site orientieren können. Sie müssen sofort erkennen, dass es sich um einen Shop handelt, wo sich die Produktinformationen befinden, wie sie Artikel in den Warenkorb legen und wo es zur Kasse geht. Sie wollen jederzeit – nicht erst am Ende des Einkaufes – wissen, was ihr Einkauf insgesamt kostet und sie wollen sich an der Kasse nicht erst einmal registrieren oder einen Info-Striptease hinlegen, bei dem sie vielleicht sogar die Anzahl der Kinder eintippen und den Namen ihrer Schwiegermutter angeben müssen. Darum haben gerade designerisch langweilige Onlineshops oft die besten Konversionsquoten.

Händler sollten sich nicht von all den möglichen Zusatzfunktionen der modernen Shopsysteme verführen lassen: Cross-Selling- und Up-Selling-Empfehlungen, eine „aktuelle Infos“-Box, die Liste der zuletzt angesehen Artikel, für jene Produkte haben sich andere Kunden auch interessiert, diese Artikel wurden soeben verkauft, Artikel der Woche, Schnäppchen des Tages …Vieles davon kann sinnvoll sein. Überladene Seiten aber irritieren den Kunden und lenken ihn vom Kauf ab. Man weiß, dass ein merklicher Teil der Kaufabbrüche auf schlichter Überforderung der Kunden basiert. Kunden, die anfangen (müssen) über das Shopping nachzudenken, reagieren sehr häufig damit, den Kauf zu verschieben.

Die Grundregel des Usability-Gurus Steve Krug „Don’t make me think“ gilt daher ganz besonders für Onlineshops. Sehr wohl „nachdenken lassen“ sollten Shopgründer dagegen über ihre Produktstruktur: Händler neigen dazu, ihre Artikel in dieselbe Kategorienstruktur zu sortieren, wie es die Hersteller und Lieferanten tun. Kunden aber haben einen anderen Blickwinkel und suchen beispielsweise bei Conrad vergeblich Solarpumpen statt beim Teichzubehör bei „Solarartikeln“ oder bei „SportScheck“ erfolglos Kinder-Badehosen unter dem Menüpunkt „Wassersport“. Vor dem Lifegang sollten Händler die geplante Sortiment-Struktur unbedingt einmal von potentiellen Kunden oder anderen „fachfremden“ Personen prüfen lassen. Weil es dennoch immer Kunden geben wird, die nur über die Suche ans Ziel kommen, brauchen Onlineshops zudem vom Start weg ein leistungsfähiges Suchtool. Das muss auch mit Tippfehlern und Synonymen (z.B. Laptop statt Notebook) klarkommen.

Nur „abschreckende“ Zahlarten
Bei der Frage, wie sie an das Geld der Kunden gelangen wollen, gehen E-Commerce-Neulinge oft zu sehr auf „Nummer Sicher“. Zahlungsausfälle sind im Internethandel keine Ausnahme, sondern die Regel. Damit müssen Händler sich auseinandersetzen. Zu glauben, man sei aus dem Schneider, wenn man nur Vorkasse anbietet, ist irrig – wer dies tut, verliert zwar kein Geld durch Betrug, dafür aber durch Kaufverweigerung. Zugegeben – es ist ein erheblicher Aufwand, sich mit den fast unzähligen Paymentmethoden am Markt auseinanderzusetzen. Aber es ist nötig, um den für beide Seiten – Händler wie Kunden – akzeptablen Zahlarten- Mix (mit sinnvoll abgestuftem Risikomanagement) zu finden. Inkasso-Spezialist Michael Brand (ScoreControl GmbH) sagt: „Händler können die Zahlweise ihrer Kunden beeinflussen, indem sie ein verringertes Ausfallrisiko oder ersparte Transaktionsgebühren zumindest teilweise an sie weitergeben.“

Vernachlässigte Logistik
Geht der Shop online und es laufen kräftig Bestellungen ein, merkt manch Shop-Gründer, dass er die Backoffice-Abläufe in der Konzeption vernachlässigt oder falsch angelegt hat. Wie die Ware zum Kunden kommt, ist daher schon vor dem Start zu testen: Sind die Verpackungen wirklich geeignet (Pakete müssen beim Transport einiges mitmachen)? Sind die Waren darin auch bei eventuellen Rücksendungen noch gut aufgehoben? Wie funktionieren die Kommissionierung und die Übergabe an den Logistik-Dienstleister? Klappen auch Teilsendungen, oder die Abwicklung von „Dazubestellungen“ bei offenen Nachlieferungen?

Ganz wichtig ist, dass die Kommissionierung jederzeit auch von Aushilfen erledigt werden kann – sonst ist in den wichtigen Stoßzeiten wie dem Weihnachtsgeschäft schnell „Land unter“ und man verliert teuer gewonnene Kunden wegen des schlechten Lieferservices.

Und noch ein Tipp: Wer den Austausch mit anderen Händlern nicht scheut, kann auch versuchen, sich von erfahrenen Shopbesitzern wichtige Tipps für die Preisverhandlungen mit den Logistikern zu holen.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
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