Web Services nach dem Hype – warum Unternehmen jetzt aktiv werden sollten

Web Services waren das Trendthema des Jahres 2002. Hersteller übertrafen sich gegenseitig mit Produkten, die die neue Technologie unterstützen und die Auguren sagten Web Services einen baldigen Boom voraus. Obwohl der Durchbruch der Technologie noch auf sich warten lässt, sind Experten nach wie vor von ihrem Potenzial überzeugt. Für Unternehmen gilt: Wer den Anschluss nicht verpassen will, sollte sich jetzt mit Web Services vertraut machen.

Web Services werden eines der wichtigsten IT-Themen der kommenden Jahre sein – davon sind Experten überzeugt. So gehen beispielsweise die Marktanalysten von Gartner davon aus, dass Web Services neben Service-orientierten Architekturen und der Extensible Markup Language (XML) die künftigen Entwicklungen nachhaltig beeinflussen werden. Die Erwartungen an Web Services sind hoch: Experten trauen den Web-basierten Softwarebausteinen zu, die IT-Kosten drastisch zu senken und die Anwendungsintegration entscheidend zu vereinfachen. Gerade aus diesem Grund stellen Web Services für Unternehmen ein vielversprechendes Konzept dar. Denn die Frage, wie sie die bestehenden internen und unternehmensübergreifenden Anwendungen sinnvoll integrieren und so ihre Geschäftsprozesse optimieren können, steht ganz oben auf der Agenda der IT-Entscheider. Laut der Studie „Technology Forecast 2002-2004“ von PricewaterhouseCoopers stellt die Integration von Anwendungen die wichtigste Anforderungen an die IT dar. „In den nächsten Jahren wird es weniger darum gehen, neue Anwendungen zu entwickeln“, sagen auch Ronald Schmelzer und Jason Bloomberg, Analysten beim amerikanischen Marktforschungsunternehmen ZapThink. „Die Aufgabe besteht vielmehr darin, bestehende Anwendungen zu integrieren und wiederzuverwenden.“ Web Services bieten eine kostengünstige und einfache Alternative zu EAI-Produkten und können Unternehmen außerdem den Einstieg ins eBusiness erleichtern. Was aber sind Web Services und wie funktioniert die Technologie?

Software-Komponenten aus dem Web
Die Idee der Web Services basiert wie die Modelle für verteilte Anwendungen auf der Wiederverwendung von Software. Dabei besteht ein Web Service aus einer Anwendungskomponente für eine abgegrenzte Business-Funktion. Diese Web-basierten Komponenten sind in der Lage, mit anderen Softwarebausteinen über das Internet zu kommunizieren. So lassen sich ganze Funktionen via Web Services anbieten und komplexe Anwendungen aus verschiedenen Komponenten zusammenbauen. In Zukunft wird es möglich sein, mehrere Services von unterschiedlichen Anbietern miteinander zu kombinieren. Bucht ein Kunde beispielsweise eine Reise im Internet, so können die einzelnen Vorgänge wie Hotelbuchung, Mietwagenreservierung oder der Kauf von Konzert-Tickets Web Services verschiedener Unternehmen sein. Das Resultat ist ein komplexer Service, der aus einzelnen Dienstkomponenten besteht.

Standards bilden die Grundlage
Web Services liegen verschiedene Standards zugrunde, die Unternehmen gemeinsam entwickeln und die das World Wide Web Consortium (W3C)- ein Zusammenschluss von rund 500 Softwareherstellern – prüft und für den Einsatz empfiehlt. Bisher haben die Experten vor allem an drei Standards gearbeitet, die dem Konzept der Web Services zugrunde liegen: UDDI, WSDL und SOAP. Damit Kunden die gewünschten Web Services finden, haben Unternehmen wie Ariba, IBM oder Microsoft im Rahmen des Projekts Universal Discovery Description and Integration (UDDI) ein Verzeichnis entwickelt. Das UDDI-Repository ermöglicht es Unternehmen einerseits, Web Services einzutragen und zu suchen. Es bietet darüber hinaus aber vor allem Informationen zu den Diensten, die die Web-basierten Software-Komponenten abwickeln. Die kürzlich verabschiedete Version UDDI 2.0 ermöglicht Unternehmen, Informationen über Branchenzugehörigkeit, Produktkategorien oder Firmensitz zu hinterlegen. Für die Beschreibung der Services nutzt UDDI die Web Service Description Language (WSDL). Hat sich das suchende Unternehmen für einen Service entschieden, kontaktiert es mit Hilfe der im UDDI enthaltenen Informationen den gewünschten Dienstanbieter.
Die nachfolgenden Transaktionen des Geschäftsprozesses, wie beispielsweise den Austausch von Bestellungen oder Lieferscheinen, wickeln die Partner mit Hilfe des Simple Object Access Protocol (SOAP) ab. Das XML-basierte Protokoll übernimmt die Kommunikation zwischen Web-Services-Anwendungen, die Dienste nachfragen oder anbieten. Die Version 1.2 des Kommunikationsprotokolls, die eine bessere Abstimmung mit anderen XML-Standards bietet, wurde kürzlich verabschiedet. Um die reibungslose Zusammenarbeit unterschiedlicher Technologien zu garantieren, haben sich insgesamt über 100 Unternehmen in der Web Services Interoperability Organisation (WS-I) zusammengeschlossen. Die WS-I hat sich auf die Fahnen geschrieben, den Einsatz und die Zusammenarbeit von Web Services über Plattformen, Betriebssysteme und Programmiersprachen hinaus zu fördern. Zu den Mitgliedern gehören beispielsweise Branchengrößen wie IBM und Hewlett-Packard sowie die Integrationsexperten Bea Systems und WRQ.

Integrationstrend mit Zukunft
Die Entwicklung der Standards und das Engagement der Hersteller hat viele Erwartungen geweckt und manche Vision hervorgerufen. Für den Anwender stellen sich allerdings konkrete Fragen: Für welche Prozesse im Unternehmen lässt sich das neue Konzept der Web Services einsetzen? Wie sollte ein Unternehmen vorgehen, wenn es Web Services nutzen möchte? Vor allem der Mittelstand zögert noch. Denn große Unternehmen können es sich leisten, in innovative Technologien zu investieren. Mittelständische Unternehmen können solche Risiken nicht eingehen, sondern erst dann in neue Lösungen investieren, wenn sie den Projektaufwand und den Nutzen genau abschätzen können. Gleichzeitig sind Web Services aber auch für den Mittelstand sehr interessant: Denn mit ihnen lassen sich Legacy-Systeme kostengünstig modernisieren und in neue Lösungen – wie beispielsweise das Supply Chain Management (SCM) – einbinden. Für mittelständische Unternehmen wäre dies ein günstiger Weg ins eBusiness. Zahlreiche Softwarehäuser bieten daher spezielle Mittelstand-Pakete. „Die Entscheider in mittelständischen Unternehmen brauchen einfache Einstiegslösungen für die Integration“, sagt Norman Rohde, Director Sales & Marketing bei WRQ. „Ihre IT-Architektur muss ihnen ermöglichen, ihre Anwendungen Schritt für Schritt zu modernisieren und für neue Aufgaben zur Verfügung zu stellen.“

Sicherheitsrisiko Web Services?
Ein Grund für die Zurückhaltung der Unternehmen vor dem Einstieg in Web Services sind Zweifel an der Sicherheit der neuen Technologie. Mit den bereits etablierten Standards ist zwar ein Fundament für Web Services gelegt. Vorbehalte bestehen allerdings noch bezüglich der Sicherheit: Eine Studie von Forrester im Jahr 2002 ergab, dass Anwender die fehlende Sicherheit als größtes Hindernis für Web Services halten. Um der Unsicherheit der Anwender entgegenzuwirken, arbeiten die Konsortien WS-I und die Organization for the Advancement of Structured Information Standards (OASIS) auf Hochtouren an Standards, die die Sicherheit der neuen Technologie garantieren sollen. OASIS, der über 600 Unternehmen und Privatleute angehören, will beispielsweise einen Reliability-Standard für Web Services entwickeln, der den zuverlässigen Austausch von Nachrichten zwischen geschäftskritischen Anwendungen garantieren soll. WS-Reliability beschreibt Erweiterungen zu SOAP, die die Übermittlung einer Nachricht sicherstellen, doppelte Messages vermeiden und die Reihenfolge der verschickten Nachrichten festlegen. Auch die WS-I nimmt sich dem Thema Sicherheit verstärkt an: Die Organisation arbeitet an einem Leitfaden, der die sichere Kommunikation zwischen Web Services gewährleisten soll. Trotz des Engagements von Industriekonsortien und Unternehmen lässt sich die umfassende Sicherheit von Web Services aber bisher nicht garantieren.

Vier Schritte zu Web Services
Viele Unternehmen, die die Vorteile von Web Services nutzen wollen, befinden sich daher in der Zwickmühle: Einerseits müssen sie sich mit der neuen Technologie auseinandersetzen, um den Anschluss nicht zu verpassen. Andererseits können sie sich keine Investitionen in eine Technologie leisten, die sich noch in der Phase der Early Adopters befindet. „Wer die Möglichkeiten von Web Services nutzen will, sollte sich jetzt mit der Technologie vertraut machen“, sagt Norman Rohde von WRQ. Der Integrationsexperte rät Unternehmen, beim Einstieg Folgendes zu beachten:

1. Voraussetzung für den Einsatz von Web Services ist eine Service-orientierte Architektur. Denn nur eine Architektur, die nicht länger Daten, sondern Dienste in den Mittelpunkt stellt, kann Anwendungen in Komponenten und damit in Dienste auflösen. Diese lassen sich dann über das Netzwerk bereitstellen. Eine solche Architektur bietet auch die nötige Skalierbarkeit, um künftig neue Systeme und Anwendungen einzubinden und mit dem Wachstum des Unternehmens Schritt zu halten.
Integrationssoftware wie die Verastream-Produkte von WRQ, die traditionell auf dem Konzept der zusammengesetzten Anwendungen – Composite Applications – basieren, können bei der Konstruktion einer Service-orientierten Architektur helfen. Sie sind darauf ausgerichtet, aus bestehenden Funktionen abgegrenzte Komponenten zu machen und diese in einem Repository zur Verfügung zu stellen. Von hier kann eine zusammengesetzte Anwendung sie dann bei Bedarf abrufen. Ihre Grundidee entspricht damit dem Konzept der Web Services, das sie optimal unterstützen können.

2. Nicht alle Anwendungen im Unternehmen eignen sich gleichermaßen für Web Services. Unternehmen sollten eine Liste ihrer Geschäftsprozesse erstellen und überlegen, welche Anwendungen sie sinnvoll als Dienste bereitstellen können. Um Kosten zu sparen, sollten sie dabei zunächst keine Neuentwicklung in Erwägung ziehen, sondern existierende Anwendungen einplanen. Denn mit leistungsfähiger Integrationssoftware können sie die bestehenden Legacy-Systeme wiederverwerten und damit getätigte Investitionen schützen.

3. Sind die technischen Voraussetzungen erfüllt, sollten Unternehmen Web Services zunächst nur in nicht-betriebskritischen Umgebungen – also zur Integration unternehmensinterner Anwendungen – einsetzen. Wer vorerst innerhalb der Firmen-Firewall mit Web Services experimentiert, kann sich auf den Einsatz im Business-to-Business-Bereich vorbereiten und von den Inhouse-Erfahrungen lernen.

4. Schließlich empfiehlt es sich, internes Know-how aufzubauen, indem die Unternehmen einen oder mehrere Mitarbeiter entsprechend schulen. Web Services werden die Integrationsstrategie der IT-Verantwortlichen in den kommenden Jahren bestimmen. Daher ist es wichtig, den Trend aufmerksam zu verfolgen und sich mit unternehmenseigenem Know-how eine solide Grundlage zu schaffen.

Langsam, aber sicher!
Auch wenn der große Durchbruch von Web Services noch nicht unmittelbar bevorsteht, steht doch fest, dass sie eine neue Ära der Anwendungs-integration mit sich bringen. Die Analysten der META Group gehen in ihrer aktuellen Studie „Web Services – von der Vision zur Umsetzung“ davon aus, dass Unternehmen Web-Services-Infrastrukturen in diesem Jahr hauptsächlich im internen Bereich einsetzen. Sie erwarten, dass Standards und Plattformen sich 2004 und 2005 weiterentwickeln und etablieren werden, so dass die Akzeptanz durch die Nutzer steigt. 2006, so die META Group, wird eine integrierte Web-Services-Infrastruktur mit standardisierten Elementen dann die Normalität in Großunternehmen weltweit sein. Obwohl Marktanalysten mit einer schrittweisen Entwicklung der Technologie rechnen, sind Unternehmen gut damit beraten, sich jetzt mit Web Services auseinander zu setzen.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
Nach oben scrollen