Das Jahr-2000-Problem: Panikmache oder reale Bedrohung?

Wie bereiten Sie sich auf den Jahrtausendwechsel vor? Schnüren Sie ein Survivalpaket oder warten Sie einfach ab, was passieren wird? Beide Alternativen sind wohl nicht besonders empfehlenswert.

Zwar mischen sich in den Chor der Kassandrarufe nun auch vermehrt Stimmen der Entwarnung, dennoch ist nicht auszuschließen, dass es bei einzelnen Unternehmen zu Problemen kommen kann. Besonders kleine und mittlere Unternehmen sind in vielen Fällen unzureichend auf den Jahrtausendwechsel vorbereitet. Das Problem ist klar: Das neue Jahrtausend wird nicht warten, bis die Umstellungsarbeiten abgeschlossen sind. Es kommt pünktlich.

Die derzeitige Situation
Das Medienecho zum Thema „Jahr-2000-Fehler“ (engl.: Y2K-Bug) ist schon jetzt enorm, doch zumeist wird eher oberflächlich oder gar reißerisch berichtet. Umso wichtiger ist eine sachliche Aufklärung der potentiell Betroffenen, und zwar zu einem Zeitpunkt, der genügend Spielraum zum Handeln lässt. Weltweit sind Spezialisten dabei, die Computersysteme auf den Jahrtausendwechsel vorzubereiten – mit unterschiedlichem Erfolg. Denn das Problembewußtsein ist vielerorts einfach noch nicht vorhanden.
In den USA scheint man das Jahr 2000-Problem nach jüngsten Aussagen einigermaßen im Griff zu haben. Wie es mit dem Rest der Welt bestellt ist, lässt sich derzeit genauso wenig abschätzen, wie die ökonomischen Folgen, die der Y2K-Bug haben wird. Schließlich handelt es sich um ein einzigartiges Ereignis, bei dem nicht auf bestehende Erfahrungswerte zurückgegriffen werden kann. Nicht wenige Experten halten eine Rezession für möglich, wenn insolvente Firmen nach Art des Domino-Effekts ihre Geschäftspartner mit in den Ruin reißen.

Doch wie stellt sich die Situation hierzulande dar? Kann man sich auf die Aussagen von Wirtschaftminister Werner Müller und Innenminister Otto Schily verlassen, wenn diese verkünden, daß größere Probleme nicht zu erwarten sind? Zumindest wird diese Ansicht nicht von allen Seiten geteilt. Zwar hält auch Siegmar Mosdorf, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftministerium, Unternehmenszusammenbrüche für unwahrscheinlich, dennoch seien nach seinen Erkenntnissen rund 40 % der deutschen Unternehmen bislang unzureichend auf den Jahrtausendwechsel vorbereitet. Dabei handele es sich fast ausschließlich um kleine und mittlere Unternehmen.
Ähnliche Befürchtungen äußert die „Initiative 2000“, ein Zusammenschluß von zwölf großen Unternehmen der Informationstechnologie. Hier wird der Anteil der Unternehmen, die bisher nichts unternommen hätten und die Problematik bisher regelrecht verdrängten, auf rund 20 Prozent geschätzt.
Nicht ganz so dramatisch stellt sich die Situation in Nordrhein-Westfalen dar. Doch von verfrühter Entwarnung hält auch NRW-Wirtschafts- und Verkehrsminister Peer Steinbrück nichts: „Die Ergebnisse unserer Umfrage bei mittlerweile 2000 Unternehmen in NRW sind eindeutig: Fünf Prozent der Firmen haben mit den Vorbereitungen auf das Jahr-2000-Problem überhaupt noch nicht begonnen, 37 Prozent sind gegenwärtig mit Vorbereitungen beschäftigt und 58 Prozent haben ihre Vorbereitungen abgeschlossen.“

Kleine Ursache, große Wirkung: Wie zwei fehlende Ziffern zum Problem werden
In den siebziger und achtziger Jahren war Speicherplatz teuer – und der Jahrtausendwechsel in weiter Ferne. Deshalb wurden Jahreszahlen in Computersystemen bei der Programmierung nur zweistellig durch die letzten beiden Ziffern einer Jahreszahl dargestellt. Bisher war dieser Umstand unproblematisch, doch durch die bevorstehende vierstellige Datumsänderung kommt uns die Sparsamkeit früherer Jahre nun teuer zu stehen. Denn wenn die entsprechenden Systeme nicht rechtzeitig umgestellt werden, interpretieren sie den Datumswechsel falsch, was zu fehlerhaften Berechnungen, Fehlfunktionen oder Stillständen führen kann. Für solche Computer beginnt mit der Doppelnull statt des neuen Millenniums das Jahr 1900 – mit allen erdenklichen Folgen: Technische Anlagen verweigern Ihren Dienst, weil angeblich Wartungsintervalle nicht eingehalten wurden. Oder Lebensmittel werden nach der Produktion vernichtet, da ihr Haltbarkeitskeitdatum laut Computer um rund hundert Jahre überschritten ist.

Welche Systeme können betroffen sein?
Im wesentlichen können in technischer Hinsicht drei Bereiche vom Jahr-2000-Problem betroffen sein: Die Hardware (zB. Großrechner, PCs), die Software (z.B. Betriebssysteme, Anwenderprogramme) und die sog. Embedded Systems (elektronische Steuerelemente in verschiedensten Geräten).

Bei der Hardware ist in erster Linie das BIOS (Basic Input Output System) für die Funktionsfähigkeit und Y2K-Festigkeit verantwortlich. Prüfen lässt sich dies durch manuelle Veränderung der Zeiteinstellung im DOS-Modus oder mit Hilfe diverser Diagnosetools, die man im Internet herunterladen kann. Da nicht jedes dieser Hilfsprogramme die Jahr-2000-Fähigkeit wirklich zuverlässig überprüft, sollten Sie sich zuvor auf jeden Fall aus objektiven Quellen über die Eignung und Funktionsfähigkeit dieser Tools informieren.

Vielfältiger sind die möglichen Probleme aufgrund der Vielzahl von Anwendungen im Bereich der Software. Als besonders problematisch gelten individuell programmierte Softwarelösungen, die schon seit längerer Zeit im Einsatz und noch dazu unzureichend dokumentiert sind. Hier sollte man sich sehr genau überlegen, was preiswerter ist, nachbessern oder neu anschaffen. Bei der Systemsoftware ist die Anzahl der im Einsatz befindlichen Produkte überschaubarer und ein entsprechender Support von Seiten des Herstellers zumeist vorhanden.

Bei der Überprüfung Ihres EDV-Inventars sollten Sie eines beachten: Nicht nur wo Computer drauf steht, ist auch Computer drin. In einer Vielzahl technischer Geräte arbeiten sog. Embedded Systems. Das sind elektronische Bauteile mit vorgebenen Hard- und Softwarestrukturen, die praktisch nicht angepasst werden können. Sofern deren Mikrochips mit einer Datumsfunktion versehen sind, und das ist die Regel, können sie ebenfalls zum Jahreswechsel ihren Dienst versagen. Das Spektrum technischer Systeme, die mit solchen Embedded Systems arbeiten, reicht von Kopierern über Fahrstühle bis zu Zeiterfassungssystemen. Hier empfiehlt es sich, mit den Herstellern der Geräte frühzeitig Kontakt aufzunehmen und sich die Jahr-2000-Festigkeit bestätigen zu lassen.

Wer haftet beim Jahr-2000-Problem ?
Für die Vielzahl arbeitsloser Juristen könnten die Folgen des Y2K-Bugs zum Beschäftigungsprogramm werden. Dennoch sollte sich etwa ein Geschäftsführer eines Unternehmens nicht allein darauf verlassen, dass die Vertragspartner und Lieferanten der Hard- und Software im Rahmen ihrer Haftung für alle Schäden aufkommen werden. Die Rechtsstreitigkeiten dürften vermutlich Jahre dauern – ein Zeitraum, den das beklagte Unternehmen unter Umständen nicht überlebt.

Unternehmerhaftung
Die Vermeidung von Schäden durch das Jahr-2000-Problem sollte noch aus einem anderen Grund oberstes Gebot sein. Den Unternehmer kann einerseits eine Mitverantwortung durch die ihm obliegende Schadensminderungspflicht treffen.
Anderseits tragen Führungsorgane von Unternehmen, je nach Rechtsform, ein mehr oder minder großes Haftungsrisiko, wenn ihr Unternehmen Schäden bzw. Verluste erleidet. Das gilt in besonderem Maße für Geschäftsführer einer GmbH sowie die Vorstände und Aufsichtsräte einer Aktiengesellschaft.

Vertragsverhältnis entscheidend für Haftungsfrage
Sichern Sie sich bezüglich des Y2K-Fehler ab, indem Sie mit den Lieferanten bzw. Herstellern Ihrer Hard- und Software Kontakt aufnehmen und mit diesen die Jahr-2000-Festigkeit der bei Ihnen verwendeten Produkte abklären.
In erster Linie richtet sich die Frage der Haftung nach der Art des Vertragsverhältnisses.
Bezüglich der Software kann es sich z.B. um einen Kauf-, Miet-, Werk- oder Pflegevertrag handeln. Auch kann es verschiedene Adressaten für Haftungsansprüche geben. Hier kommen als Vertragspartner neben dem Lieferanten der Software auch mögliche Berater in Frage, die aufgrund eines Beratervertrags haften. Nicht zuletzt haftet der Hersteller eines Produkts aus seiner Produkt- bzw. Produzentenhaftung heraus.
Wurde die Software gemietet statt gekauft oder ein Pflegevertrag geschlossen, kann das im Bezug auf die Haftung vorteilhaft sein. In diesem Fall ist der Anbieter für die fehlerfreie Funktion der Software während der Vertragslaufzeit verantwortlich. Wenn ein Produkt dagegen gekauft wurde, spielen das Kaufdatum und die Gewährleistungsdauer eine entscheidende Rolle. Bei älteren Produkten und nach Ablauf der Gewährleistung, die selten länger als sechs Monate dauert, bestehen selten weitere Ansprüche gegenüber dem Lieferanten. Doch es gibt Ausnahmen: Etwa bei ausdrücklicher Zusicherung einer Eigenschaft oder arglistigen Verschweigens eines Mangels der Software. Ein Anspruch kann sich mitunter auch aus der Beratungs- bzw. Warnpflicht des Lieferanten ergeben.
Finden sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Vertragspartner Haftungsbeschränkungen, so ist zu prüfen, ob diese nicht gegen das AGB-Gesetz verstoßen und damit unwirksam sind.

Individual- oder Standardsoftware
Auch beim Einsatz von individuell für ein Unternehmen erstellter Software stellt sich die Haftungssituation anders dar, da es sich in einem solchen Fall nicht um einen Kaufvertrag, sondern um einem Werkvertrag handelt. Bei Mängeln ergibt sich dadurch ein Nachbesserungsanspruch. Sollte die Nachbesserung erfolglos bleiben hat der Kunde Anspruch auf Minderung oder Wandlung.
Wenn im Fall des Einsatzes von Standardsoftware erst die Nachfolgeversion des verwendeten Produkts die Jahr-2000-Festigkeit aufweisen, bleibt Ihnen kaum eine andere Möglichkeit, als auf dieses Produkt umzusteigen. Bei Neuanschaffungen zum jetzigen Zeitpunkt sind Sie auf der sicheren Seite, wenn Sie sich die Y2K-Sicherheit ausdrücklich und schriftlich zusichern lassen.

Vereinbarungen mit Geschäftspartern
Unabhängig von der Verantwortung für auftretende Fehler bei den technischen Systemen sollten Sie das Haftungsrisiko gegenüber vor- und nachgelagerten Geschäftspartnern prüfen.
Wer haftet etwa, wenn Rohstoffe nicht geliefert werden und Sie nicht produzieren können? Was passiert, wenn Sie ihrerseits ihre Lieferzusagen aufgrund eines Jahr-2000-Problems nicht einhalten können? Frühzeitige Abstimmung über mögliche Folgen kann Ihnen auch in diesem Bereich juristische Auseinandersetzungen ersparen. Mit Zusicherungen gegenüber anderen Unternehmen sollten Sie vorsichtig sein, da sich bei entsprechender Auslegung Haftungsanprüche gegen Ihr Unternehmen ableiten lassen.

Checkliste: Machen Sie das Jahr-2000-Problem zur Chefsache!

• Beschaffen Sie weitere Informationen über das Jahr-2000-Problem, z.B. im Internet (Anker auf Links, Tips und Literatur setzen) oder bei Ihrer örtlichen IHK, und arbeiten Sie sich in die Materie ein.
• Ernennen Sie einen Projektverantwortlichen und stellen Sie ein Budget bereit.
• Erarbeiten Sie eine Strategie für die Lösung des Problems.
• Inhouseprojekt oder Outsourcing? Stellen Sie ein Team von internen EDV-Mitarbeitern und/oder externen Fachleuten (EDV-Dienstleister) für die Umstellungsarbeiten zusammen.
• Inventarisieren Sie Ihre Hard- und Software, sowie sonstige potentiell betroffene Geräte (z.B. Telefonanlagen, Schließeinrichtungen, Zeiterfassungssysteme usw.).
• Nehmen Sie frühzeitig Kontakt zu den Herstellern/Händlern auf und erkundigen Sie sich nach der Jahr-2000-Festigkeit. Lassen Sie sich nicht mit unverbindlichen Erklärungen abspeisen.
• Stimmen Sie sich mit vor- und nachgelagerten Betrieben und Geschäftspartnern ab.
• Beginnen Sie mit der Prüfung Ihrer Systeme und simulieren Sie die Datumsumstellung. Zuvor sind alle Daten zu sichern.
• Priorität hat in erster Linie die Aufrechterhaltung der Unternehmensabläufe. Erarbeiten Sie einen Notfallplan, falls doch etwas schiefgehen sollte.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
Nach oben scrollen