Was leistet EDI in und für Unternehmen?

Die Realisierung von EDI-Projekten ist grundsätzlich aus zwei verschiedenen Perspektiven zu betrachten.

Die erste Perspektive ist die der Großunternehmen aus bspw. Chemie oder Handel. Diese großen Unternehmen, die EDI schon seit Jahren betreiben und ihre EDI-Aktivitäten zunehmend ausdehnen, haben ihre Geschäftsprozesse mittlerweile auf EDI umgestellt, um die Vorteile dieser Technologie nutzen zu können. Die Rationalisierungseffekte, die dabei erzielt werden, liegen teilweise im zweistelligen Millionenbereich.
Diese Großunternehmen haben die Vorteile der EDI-Technologie erkannt und verfügen über ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen, sie umzusetzen. Sie versuchen nachhaltig und zielorientiert die Potentiale, die EDI bietet, auszuschöpfen. Zu diesem Zweck werden aus einer starken Marktposition heraus konkrete EDI-Anforderungen an oftmals abhängige Lieferanten und Zulieferer gestellt.
Die Lieferanten und Zulieferer sind der zweiten Perspektive zuzuordnen. Ihre EDI-Aktivitäten erfolgen in aller Regel nicht aus Überzeugung oder mit dem Ziel, betriebswirtschaftliche Vorteile durch eine EDI-Implementierung zu erzielen. Vielmehr reagieren sie zumeist auf die Anforderungen eines sehr wichtigen Geschäftspartners, der mit Strafkonditionen oder gar Auslistung für nicht vorhandene EDI-Fähigkeit droht. In einer solchen Situation stehen in erster Linie die Investitionskosten für den EDI-Einsatz im Vordergrund, nicht die möglichen Vorteile, oftmals noch nicht einmal zu Unrecht. Denn was nützt dem kleinen Familienbetrieb ohne adäquate EDV-Infrastruktur zur Weiterverarbeitung der Daten ein EDI-System?
In solchen, nicht seltenen Fällen wird zumeist im Rahmen einer EDI-Implementierung eine Druckroutine installiert, die es den Unternehmen ermöglicht, aus dem EDIFACT konvertierte Daten in Klartext auszudrucken. Von den EDI-Dienstleistern werden solche EDI-Lösungen zumeist abwertend EDIFAX- oder EDI-to-Fax-Lösungen genannt.
Die ablehnende Haltung gegenüber diesem Verfahren hat allerdings einen berechtigten Grund, denn der Sinn und Zweck des EDI-Datenaustausches wird durch solche „Billig-Lösungen“ förmlich ausgehebelt. Ein Ausdruck der Daten macht im Prinzip die Konvertierung in das EDIFACT-Format und somit die Anschaffung eines EDI-Systems überflüssig. Die Überführung der EDI-Bestellung auf Papier entspricht einem beschleunigten Postweg oder einer teuren Substitution des Faxgerätes. Aber eine derartige EDI-Implementierung kann auch ihre Vorteile für das betreffende Unternehmen haben. Denn die reine EDI-Fähigkeit, die Bereitschaft, EDI-Nachrichten zu empfangen, kann zu einer Aufwertung der Geschäftsbeziehung führen bzw. die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung gewährleisten.

In den Fällen, in denen eine EDV-Infrastruktur bereits existiert, können mit einer EDI-Implementierung sowohl strategische als auch operative Wettbewerbsvorteile realisiert werden. Grob zusammengefaßt lassen sie sich wie folgt darstellen:

• Optimierung bestehender Geschäftsprozesse
• Kostenreduzierung durch Rationalisierung
• Optimierung und Beschleunigung des Informationsflusses
• Verringerung der Kapitalbindung durch Reduzierung der Lagerbestände
• Beschleunigung des Zahlungsverkehrs
• Intensivierung der Geschäftsbeziehungen
• Verbesserung der Kundenzufriedenheit und Erhöhung der Kundenbindung
• Reduzierung der Fehlerquote
• Imageaufwertung durch Signalisierung von Innovationsfreudigkeit
• Substituierung von Papier als Beitrag zum Umweltschutz
• Vermeidung von Sprachbarrieren im internationalen Geschäftsverkehr
• Bessere Erreichbarkeit durch asynchrone Kommunikation

Diese wettbewerbswirksamen Vorteile einer Implementierung des EDI-Datenaustausches sichern und steigern die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Die positiven Effekte des EDI-Einsatzes betreffen dabei sämtliche Unternehmensbereiche von der Beschaffung über die Produktion bis hin zum Marketing. Im folgenden werden daher die durch EDI erzielbaren positiven Effekte separat für einzelne Unternehmensbereiche erläutert.

Beschaffung
Die nachhaltigsten Auswirkungen eines EDI-Einsatzes auf die Beschaffung eines Unternehmens sind Kosteneinsparungen und die Beschleunigung des Beschaffungsprozesses. Kostenvorteile lassen sich in erster Linie durch einen reduzierten Personaleinsatz erzielen. Bei der Kopplung eines EDI-Systems an ein PPS-System kann der Beschaffungsvorgang über Feinabrufe automatisiert und dadurch beschleunigt werden.

Produktion
Zur Realisierung einer Just-in-Time-Fertigung und der damit verbundenen Beschleunigung der Durchlaufzeiten ist die integrative Informationsverarbeitung durch den internen EDI-Einsatz zwingende Voraussetzung. Nur so kann eine bedarfsorientierte Produktion innerhalb kurzer Planungszeiträume gelingen. Darüber hinaus ermöglicht EDI den Austausch von Qualitätsdaten im Bereich der Qualitätssicherung. Dies reduziert zum einen den Prüfungsaufwand beim Wareneingang, zum anderen kann so eine bessere Verfügbarkeit von Qualitätsdaten erreicht werden. Als Resultat ergibt sich auf diese Weise eine Verbesserung von Nachbearbeitungszeit zu Fertigungszeit.

Logistik
Durch den EDI-Datenaustausch können im Bereich der Logistik eine Vielzahl von Rationalisierungseffekten erzielt werden, die sich vor allem im Rahmen von Konzepten wie ECR (Efficient Consumer Response) und CR (Continuous Replenishment) realisieren lassen. Durch die Verwendung von EDI-Nachrichtentypen wie dem Lieferavis (DESADV), dem Lagerbestandsbericht (INVRPT) und dem Verkaufsdatenbericht (SLSRPT) sowie weiterer spezieller Logistik-Nachrichtentypen wie dem Speditionsauftrag (IFTMIN), der Ankunftsmeldung (IFTMAN) und dem Statusbericht (IFTSTA) kann unter Einsatz von Barcoding und Scanner-Technologie die gesamte Logistikkette optimiert werden. Dies führt im Ergebnis zu geringeren Lagerbeständen und -flächen, einer geringeren Kapitalbindung und einer qualitativ besseren und schnelleren Belieferung des Lagers und der Filiale sowie einer Vermeidung von Vorratslücken.
Finanzbuchhaltung
Im Bereich der Finanzbuchhaltung können die Prozesse bei der Abwicklung von Kunden- und Lieferantenrechnungen beschleunigt und vereinfacht werden. Der administrative Aufwand reduziert sich deutlich. Darüber hinaus besteht bei einem EDI-Einsatz im Rahmen des Zahlungsverkehrs die Möglichkeit, der eigentlichen Buchung vorauseilende Informationen zu erhalten, was eine verbesserte Finanzdisposition ermöglicht (vgl. EDI im Zahlungsverkehr). Durch die Koppelung von EDI mit sogenannten Cash-Management-Systemen können Konten zinsoptimiert geführt werden, Währungsrisiken reduziert und Entscheidungsgrundlagen durch aktuellste Informationen verbessert werden.
Marketing und Absatz
Erstes Marketingargument für den EDI-Einsatz ist die Differenzierung im Wettbewerb durch die elektronische Kommunikationsfähigkeit sowie die Demonstration von Kundennähe. Zudem wird gleichzeitig im Rahmen des elektronischen Bestelldatenaustausches eine erhöhte Anbindung der Kunden erzielt, die durch den Austausch weiterer EDI-Nachrichten wie beispielsweise Rechnungen und Lieferscheine weiter gesteigert werden kann. Zusätzliche Wettbewerbsvorteile können realisiert werden, wenn aktuelle Abverkaufsdaten aus den Handelsfilialen per EDI zur Verfügung gestellt werden, die den Aufbau von Prognosesystemen ermöglichen.

Forschung und Entwicklung
Die in der Forschung und Entwicklung benötigten CAD- (Computer Aided Design) und CAE-Daten (Computer Aided Engineering) können ebenfalls elektronisch ausgetauscht werden. Darüber hinaus ist es prinzipiell möglich, Meßdaten per EDI an einen Partner zu übertragen. Hier beschränkt sich der Vorteil eines EDI-Einsatzes jedoch lediglich auf die schnelle und kostengünstige Übertragung der Daten, da eine automatische Weiterverarbeitung der Informationen, die zumeist bildgestützt sind, nicht möglich ist.

Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die durch den EDI-Einsatz erzielbaren Wettbewerbsvorteile in starker Abhängigkeit von der Integrationstiefe des EDI-Einsatzes stehen. Das Ausmaß des Einsatzes, gemessen an der Anzahl der EDI-Partner und der ausgetauschten Nachrichtentypen, steht hier im Mittelpunkt. Erst wenn EDI im Unternehmen in die innerbetrieblichen Geschäftsprozesse integriert wird und mehrere EDI-Partnerschaften mit verschiedenen Nachrichtentypen implementiert werden kann der volle Nutzen eines EDI-Datenaustausches realisiert werden.
Zieht man alle Vorteile der Implementierung eines vollautomatischen EDI-Workflows in Betracht, so kann EDI als Instrument zur Neustrukturierung und Optimierung der betroffenen Geschäftsprozesse dienen. Erst wenn es gelingt, durch EDI ein solches Business Process Reengineering herbeizuführen, können sich die Anschaffung für ein EDI-System und die damit zusammenhängenden Aufwendungen zur Datenintegration amortisieren und die gewünschten Benefits bieten.

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