Viele Kapitallebens- und Rentenversicherungsverträge sind aufgrund ihrer Kostenstruktur und Anlageentscheidungen nicht wirklich rentierlich. Unternehmer können aber durch den Widerrufsjoker unter bestimmtem Bedingungen Altverträge gegen eine hohe Entschädigung loswerden.
Für viele Unternehmer, die keine oder nur sehr geringe Ansprüche gegen die gesetzliche Rentenversicherung haben, ist eine private Kapitallebens- beziehungsweise Rentenversicherung (auch mit staatlicher Förderung) oftmals die erste Wahl. Durch die fondsgebundenen Policen bauen sie ein Vermögen im Versicherungsmantel mit Blick auf den Ruhestand auf, das dann einmalig oder monatlich ausgezahlt wird.
Das Problem: Viele dieser Verträge sind aufgrund ihrer Kostenstruktur und Anlageentscheidungen nicht wirklich rentierlich, und so manche erwirtschaften sogar dauerhaft negative Ergebnisse. Das ist gerade dann ärgerlich, wenn Unternehmer ihre Ruhestandsfinanzierung dezidiert auf einem solchen Vertrag aufbauen; und die Praxis zeigt, dass in nicht wenige Verträgen auch vierstelligen Summen fließen, Monat für Monat. Die Erwartungshaltung bei einer prognostizierten Rendite von mehreren Prozent laut Prospekt ist dann natürlich eine andere als die Aussicht, später weniger herauszubekommen als eingezahlt wurde.
Der Vorteil für viele Sparer: Viele Kapitallebens- und Rentenversicherungsverträge, die zwischen dem 21. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 abgeschlossenen wurden, enthalten fehlerhafte beziehungsweise keine Widerrufsbelehrungen. Laut der Allianz-Versicherung sind bis zu 100 Millionen Kapitallebens- und Rentenversicherungsverträge aus diesem Zeitraum mit einem Volumen von ca. 400 Milliarden Euro an eingezahlten Beiträgen davon betroffen. Der Europäische Gerichtshof EuGH hatte seinerzeit entschieden, dass die Widerrufsbelehrungen in vielen Lebensversicherungsverträgen gegen die europäischen Richtlinien verstoßen und somit ein unendliches Widerrufsrecht gilt. Das hat bei diesen Altverträgen zur Folge, dass sie auch heute widerrufen werden können, da das Widerrufsrecht niemals endet.
Das ist besonders wichtig für Verträge, die nicht halten, was sie versprechen. Denn diese lassen sich durch diesen Widerrufsjoker unter gewissen Umständen rückabwickeln. Durch einen professionellen Widerruf mit anschließender Rückabwicklung werden überwiegend bis zu 100 Prozent der eingezahlten Beiträge zurückgezahlt, zusätzlich wird noch eine Nutzungsentschädigung fällig – auch für bereits gekündigte oder ausgezahlte Verträge. Damit unterscheidet sich der Weg des Widerrufs erheblich von Verkauf oder regulären Kündigung eines Vertrages, die immer mit spürbaren finanziellen Nachteilen für einen Kunden verbunden sind. Denn im Gegensatz zu Widerruf und Rückabwicklung werden bei einer herkömmlichen Kündigung unter anderem Abschluss- und Verwaltungskosten einbehalten, sodass nur ein Teil der eingezahlten Beträge ausgeschüttet wird.
Übrigens: Grundlage dafür ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahre 2013, das seitdem durch einige hundert Urteile verschiedener Instanzen konkretisiert wurde. Daher sind Widerruf und Rückabwicklung kein Wunschdenken oder leere Marketingversprechen von Beratern, sondern längt Realität. Betroffene haben bereits Volumina von vielen 100 Millionen Euro widerrufen.
Daher sollten sich Unternehmer mit Kapitallebens- beziehungsweise Rentenversicherungen, die sie zwischen dem 21. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 abgeschlossen haben, nicht scheuen, einen Widerruf und die anschließende Rückabwicklung rechtlich genau prüfen zu lassen. Zwar führt der Widerruf regelmäßig vor Gericht, weil Banken und Versicherungsgesellschaften nicht gewillt sind, den Ansprüchen der Kunden einfach stattzugeben. Aber die Erfolgsaussichten sind sehr hoch – die Gesellschaften sind nicht unbesiegbar.