Mobile Ticketing: mehr Service – weniger Kosten

Die Potentiale des mBusiness sind in der Vergangenheit in Studien vielfältig dargelegt worden. Praktische Anwendungsbeispiele waren jedoch bis dato eher Mangelware. Dass es jedoch bereits handfeste Informationen zu erfolgreichen mobilen Geschäftslösungen gibt, zeigt das folgende Best Practice-Beispiel.

Das Handy als Fahrkarte

Seit September 2002 testet NoordNed in Zusammenarbeit mit LogicaCMG den Einsatz eines mobilen Ticketsystems. Fahrgäste können dabei in Zügen in Friesland und Groningen ihr Mobiltelefon als m-Ticket anstelle einer herkömmlichen Zugfahrkarte nutzen. Die Tickets werden dabei entweder online oder durch Anrufe einer kostenlosen 800er-Nummer bestellt. Ein intelligentes Spracherkennungssystem fragt dazu notwendige Daten wie Anzahl der zu befördernden Personen, gewünschte Strecke und weitere Details ab. Das eigentliche Billett besteht aus einer SMS, die direkt auf das Handy des registrierten Kunden gesendet wird.

Auch die Fahrkartenkontrolle innerhalb der Züge erfolgt auf mobilen Endgeräten. Dazu verfügen die Kontrolleure über ein Handheld, auf dem alle notwendigen Daten zur Validierung des elektronischen Tickets gespeichert sind. Bei diesem Dienst spielt das Internet nicht nur für die Registrierung eine wichtige Rolle. Kunden können neben der Fahrkartenbestellung auch alle ihre Fahrten und Ausgaben kontrollieren.

Aus Passagieren werden Kunden

In den Niederlanden herrscht bereits seit Jahren in Zuge der Liberalisierung und Deregulierung rege Konkurrenz im öffentlichen Nahverkehr. Neben der staatlichen Bahn existieren eine Reihe von privaten Unternehmen, die erfolgreich Passagiere mit Bussen und Zügen befördern und attraktive Verbindungen, neue Fahrzeuge, Pünktlichkeit und vernünftige Preise zu bieten haben. Damit sich jedoch niemand auf seinen Lorbeeren ausruhen kann, werden die notwendigen Transportlizenzen im Nahverkehr nur für einen begrenzten Zeitraum vergeben. Unternehmen sind daher gezwungen, ständig nach innovativen Lösungen und Angeboten zu suchen und die Zufriedenheit ihrer Fahrgäste kontinuierlich zu steigern.

Bei der Vergabe dieser Verkehrslizenzen orientiert sich der niederländische Staat allerdings nicht nur an rein wirtschaftlichen Aspekten, sondern auch an Faktoren wie Service, Kundenzufriedenheit und Innovationskraft.

NoordNed Personenvervoer BV ist heute das zweitgrößte private Unternehmen, das Nahverkehrdienstleistungen in Holland anbietet. Anteilseigner sind Arriva (50%), seinerseits die Nummer eins im Nahverkehr, NS (49,9%) und ABN AMRO (0,1%). Aktuell verfügt NoordNed über drei Lizenzen für Dienstleistungen im Personenbeförderungssektor. In Friesland ist das Unternehmen Anbieter von 75% aller Bus- und Bahnverbindungen. Parallel dazu betreibt NoordNed die Zugverbindung zwischen Leeuwarden und Groningen sowie den gesamten Zugverkehr innerhalb Groningens. Pro Jahr nutzen mehr als 21 Millionen Passagiere Busse und Bahnen von NoordNed. Da die benötigten Lizenzen in 2004 bzw. 2005 auslaufen, beschlossen die Verantwortlichen bereits Anfang 2002, neueste Technologie einzusetzen, um so das vorhandene Angebot noch attraktiver zu gestalten.

Neben den Anforderungen aus dem Vergabeverfahren der niederländischen Behörden waren jedoch noch weitere Faktoren für die Mobile Ticket-Lösung ausschlaggebend: NoordNed verkauft bisher seine Tickets über einen externen Dienstleister und muss dafür einen nicht unerheblichen Teil der Umsätze als Provisionen abtreten. Wesentlich schwerer wiegt aber, dass durch diese bisherige Vorgehensweise absolut keine Informationen über die Passagiere vorliegen. Ohne eine eigene Ticketlösung würde NoordNed folglich weiterhin nur Passagiere, aber keine eigenen Kunden haben. Der wichtigste Gedanke war jedoch der Serviceaspekt. Es sollte eine Lösung gefunden werden, die den Erwerb der Zugtickets einfacher und schneller macht und auf die weitere Dienstleistungen aufgesetzt werden können.

In der ersten Testphase wurden mit Studenten und Geschäftsleuten hauptsächlich Zielgruppen angesprochen, die nahezu täglich reisen und für die das Mobiltelefon zum Alltag gehört. Interessenten können sich im Internet unter www.noordned.com registrieren. Dabei überprüft das zugrunde liegende LogicaCMG System sofort die Handynummer mittels einer SMS, die vom Interessenten beantwortet werden muss. Direkt im Anschluss daran erhält der Interessent seine Vertragsunterlagen per Post. Voraussetzung zur Teilnahme ist außer einem Vertrag mit einem holländischen Mobilfunkanbieter der Abschluss eines Direct Debit Agreements. Dieses ist die Grundlage für die Abbuchung der anfallenden Ticketkosten vom Bankkonto des Reisenden. Bewusst wurde auf die eigentlich auf der Hand liegende Abrechnung über die Telefonrechnung verzichtet.

Handy statt Zugticket

Registrierte Kunden können ihr Ticket bis unmittelbar vor Betreten des Zuges über eine kostenfreie 800er-Rufnummer anfordern. Ein intelligentes Sprachsystem führt interaktiv durch ein Menü und binnen einer Minute wird das ausgewählte Ticket als SMS an das Handy gesendet. Der ganze Vorgang ist sehr sicher, denn neben der Nutzung des Handys, für dessen Nutzung man ja bereits eine PIN benötigt, fragt auch das Sprachsystem PINs für Login und Ticketerwerb ab. Das Ticket selbst enthält alle notwendigen Angaben wie Anzahl der Personen, Kaufzeit, Strecke und vor allem einen eindeutigen Autorisierungscode.

Zusätzliche Kosten entstehen nicht: die Tickets kosten genauso viel wie am Verkaufsschalter. Die Kosten für den Versand der SMS übernimmt NoordNed. Wöchentlich erhalten die Fahrgäste die Abrechnung ihrer Tickets auf dem Kontoauszug. Dabei wird jedes Ticket einzeln detailliert aufgeführt. Für die Kunden ist auch diese Dienstleistung kostenlos, da in Holland für Buchungsposten von Bankkunden generell keine Gebühren erhoben werden.

Basis für die Kontrolle der Tickets, die ebenfalls mobil erfolgt, ist der Autorisierungscode. Zu diesem Zweck setzen die Kontrolleure auf den betreffenden Strecken einen Compaq-PDA vom Typ iPaq 3870 ein. In diesen werden vor jedem Kontrollgang alle Daten geladen, damit der Kontrolleur mit einem einzigen Blick verifizieren kann, ob ein Ticket echt ist. Weil aber viele Tickets erst im Laufe des Tages gekauft werden, ist es notwendig, ständig einen Abgleich zwischen der zentralen Datenbank und dem PDA durchzuführen. Zu diesem Zweck komplettiert ein Nokia 6310i-Handy, das mittels GPRS mit der Zentrale und über Bluetooth mit dem PDA in Verbindung steht, die Ausrüstung. So können neu gekaufte Tickets jederzeit von der zentralen Datenbank auf den iPaq übertragen werden.

Durch die Verwendung von GPRS fallen nur Kosten für übertragene Daten, sprich neue Tickets, an. Auf dem Display des PDA stehen alle Tickets der Personen, die für diesen Zug eine Fahrt mobil gebucht haben. Zur Kontrolle müssen die Passagiere lediglich die letzten drei Ziffern ihrer Handynummer angeben, die auf dem PDA direkt neben dem Autorisierungscode stehen. „Entwertet“ wird das Ticket, indem mit einem digitalen Pen auf dem Display ein Register-Button ausgewählt wird. Nicht nur die Reisenden, vor allem die Mitarbeiter sind von dem neuen Dienst begeistert, der neueste Technologie und umfassenden Service miteinander verbindet. Zahlreiche Zugbegleiter haben sogar den NoordNed spezifischen elektronischen Fahrplan für ihren PDA erworben, um zukünftig noch schneller und exakter auf Fragen nach Verbindungen reagieren zu können.

Sicherheit hat höchste Priorität

Aus technischer Sicht stellen bei der Realisierung einer derartigen Lösung die Themen Sicherheit und Datensynchronisation die größten Herausforderungen dar. Sind diese Aspekte nicht sicher gewährleistet, entpuppt sich die scheinbare Innovation schnell als unkalkulierbares Risiko mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Akzeptanz der Lösung. Folglich wurde auch größter Wert auf eine erprobte, schnelle, sichere und dennoch kostengünstige Datenbanklösung, die auf den unterschiedlichsten Plattformen einsetzbar ist und trotz komplexer Funktionalität nur geringe Anforderungen an die Hardware stellt. Im Backoffice läuft ein seit vielen Jahren erprobtes ASP (Application Service Provider)-System von LogicaCMG, das sowohl die Verbindungen zu den fünf niederländischen Mobilfunkanbietern herstellt als auch das Senden und Empfangen der SMS und die Kommunikation zwischen der Rabobank und den Datenbanken abwickelt. Das Spracherkennungssystem im Call Center basiert auf Philips Speech Mania, das Web-Interface basiert auf Java-Beans auf einem Tomcat-Server. Als zentrale Datenbank kommt ein Microsoft SQL Server zum Einsatz. Für die mobile Komponente wurden im Zuge einer Marktevaluierung die Entscheidung zugunsten der mobilen Datenmanagementlösungen der Sybase-Tochter iAnywhere Solutions gefällt. Hierzu gehört die Datenbank-Entwicklungsplattform SQL Anywhere Studio mit der UltraLite-Datenbank auf den Handhelds und MobiLink-Synchronisation.

Lessons learnt

Die Kalkulation geht auf – die aktuellen Nutzerzahlen liegen weit über den Planungen und in Kürze wird vom Testbetrieb in den Vollbetrieb gewechselt.

Alles in allem hat die Entwicklung der gesamten NoordNed-Lösung nur knapp zwei Monate gedauert. Einerseits, weil das Entwicklungsteam auf bestehende SMS-Produkte von LogicaCMG aufsetzen konnte, andererseits, weil die Implementierung der Datenübertragung mit der iAnywhere-Technologie quasi ein Kinderspiel war. „Bis heute sind im Betrieb keine nennenswerten Probleme aufgetreten.”

Die wissenschaftliche Untersuchung des Kundenverhaltens wird durch die Vrije Universiteit Amsterdam vorgenommen. Insbesondere soll festgestellt werden, wie die Fahrgäste die mobilen Tickets akzeptieren, und wie sich der mobile Dienst auf das Kauf- und vor allem Nutzungsverhalten auswirkt.

Alle Partner beteiligen sich außerdem aktiv an der Bewerbung der mobilen Dienstleistung. Neben klassischen Mitteln wie Werbung, Plakaten und Flyern werden dabei auch gänzlich neue Wege gegangen: So wird beispielsweise demnächst auf allen Bildschirmen der Geldausgabeautomaten und den Kontoauszugsdruckern der Rabobank für den Dienst geworben.

Mit den bisher erzielten Resultaten ist NoordNed mehr als zufrieden. Bereits heute nutzen mehr User als erwartet den Service, so dass das Projekt in Kürze in den echten Betrieb wechseln wird. Allein durch Einsparungen von rund 20 Prozent beim Ticketverkauf kann NoordNed das gesamte m-Ticketing finanzieren.

„Dieses Projekt ist das erste seiner Art im Bereich der Passagierbeförderung in Holland“, kommentiert Martijn Hünteler, Management Consultant bei LogicaCMG. „NoordNed erweitert damit seinen Kundenservice und eröffnet gleichzeitig einen neuen Vertriebs- und Kommunikationskanal. Warteschlangen beim Fahrkartenkauf gehören damit der Vergangenheit an und Kunden können nun überall rund um die Uhr ihre Tickets erwerben.“ Der Neuverteilung der Verkehrslizenzen in 2005 blickt man bei NoordNed bereits heute optimistisch entgegen.

Der vorliegende Beitrag stammt aus der Publikation „Best Practice Mobile Business“ von Thomas Lerner; Volker Frank, erschienen bei BusinessVillage. Sie können das Buch direkt bei BusinessVillage bestellen.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
Nach oben scrollen