Mobiles Internet in Japan – ein Vorbild für Europa?

Während in Japan bereits 20 Millionen User mobile Internet-Dienste nutzen, hält sich in Europa die Begeisterung für „schnurlose“ Online-Dienste noch zurück. Was hat iMode was WAP nicht hat?

Während Europa bei den mobilen Internet-Diensten noch in den Anfängen steckt, wird Japan häufig zu den Vorreitern gezählt. Doch abgesehen von dem sehr populären i-mode-Dienst von NTT DoCoMo weiß man in Europa wenig über Japan. Im Rahmen einer Studie zum Thema Mobiles Internet in Deutschland, die im Dezember erscheinen wird, hat Berlecon Research sich diesen bereits funktionierenden Markt für mobile Internet-Dienste genauer angesehen. Einige wesentliche Ergebnisse dieser Analyse sind in diesem Artikel zusammengefasst.

Zuerst ein paar grundlegende Informationen über den i-mode-Dienst: Er wurde im Februar 1999 von NTT DoCoMo (NTT Mobile Communications Network Inc.) ins Leben gerufen, einem Mobilfunk-Ableger des japanischen Telekom-Giganten NTT (Nippon Telegraph and Telephone Corp.). I-mode bietet Zugang zu über 600 offiziellen Portal-Sites und mehr als 15.000 Sites, die auf dem i-mode-Portal nicht gelistet sind. Der Dienst arbeitet mit einer paketbasierten Version des PDC (Personal Digital Cellular)-Standard mit einer Bandbreite von 9,6 kBit/s. Die Sites müssen in cHTML geschrieben werden, einer Kompaktversion von HTML, der Programmiersprache für das Internet. Für den Zugang brauchen die Kunden spezielle, i-mode-fähige Telefone. Bislang registrierte der i-mode-Dienst 12,6 Mio. Kunden.

I-mode ist zwar der bekannteste, aber keineswegs der einzige Dienst in Japan. An zweiter Stelle der Beliebtheitsskala steht EZ-Web, der von der KDDI Corp., einem Zusammenschluss von drei Unternehmen, unter dem gemeinsames Markenzeichen „au“ angeboten wird. Im September dieses Jahres verzeichnete dieser Dienst 3,9 Mio. Nutzer. EZ-Web ist wenigstens teilweise WAP-kompatibel, was zeigt, dass WAP tatsächlich eine für mobile Internet-Dienste verwendbare Technologie ist. Der dritte Dienst am Markt ist J-Sky von J-Phone (dem mobilen Zweig von Japan Telecom Ltd.) mit ca. 3,1 Mio. Nutzern im September. Somit nutzen insgesamt 19,6 Mio. Menschen die mobilen Internet-Dienste in Japan.

Die wichtigsten Ergebnisse dieser Analyse Japans lassen sich in den folgenden Hypothesen zusammenfassen:

Der Erfolg der mobilen Internet-Dienste in Japan lässt sich teilweise durch die relativ hohen Kosten für das Festnetz-Internet erklären.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist die paketbasierte Technologie, nicht so sehr die große Bandbreite.

Ein weiterer Faktor für den Erfolg ist die Art und Weise, in der i-mode das Portal einsetzt.

Japanische Nutzer des mobilen Internet sind längst nicht so verschieden von den europäischen, wie man oft glaubt.

Ganz im Gegensatz zu Deutschland ist der Festnetz-Zugang zum Internet in Japan recht teuer, zumindest, wenn man die Dienste eher selten nutzt. Das Festnetz-Internet kann etwa 40 DM monatlich plus ca. 40 Pfennig/min kosten. Im Vergleich dazu verlangt NTT DoCoMo 6 DM pro Monat für den i-mode-Dienst plus 0,6 Pfennig pro übertragenem Daten-Paket (128 Bytes). Eine durchschnittliche i-mode-Rechnung beläuft sich auf 30 bis 42 DM/Monat.

Im Vergleich dazu kann man in Deutschland das Internet über einen Festnetz-Anschluss für unter 4 Pfennig/min nutzen. Für die WAP-Dienste verlangen die Betreiber jedoch 15 bis 39 Pfennig/min. Damit ist das mobile Internet 4 – 10mal so teuer wie das Festnetz-Internet, ganz abgesehen davon, dass die Erfahrungen, die die Nutzer derzeit machen, keineswegs zufriedenstellend sind. Es scheint also, dass der Preisvergleich für mobile und Festnetz-Internetdienste (noch) zu Ungunsten einer breiten Akzeptanz ausfällt.

Obwohl die Preise gegenüber dem Festnetz-Internet-Anschluss ein Pluspunkt für den i-mode-Dienst sind, wird er nicht als Internet-Ersatz beworben. In Deutschland dagegen werden die WAP-Dienste meist als „mobiles Internet“ gepriesen und erwecken so völlig falsche Erwartungen, die für den momentanen Pessimismus in Bezug auf WAP zumindest mitverantwortlich sind.

Werden die zur Zeit in Europa gängigen WAP-Dienste diskutiert, wird häufig auf die geringe Bandbreite verwiesen, die in den meisten Netzen nur eine Übertragung von 9,6 kBit/s zulässt, weniger als 20 Prozent der Leistung moderner Festnetz-Modems. Diese geringe Bandbreite gilt häufig als einer der Hauptgründe dafür, dass das WAP bislang nicht so akzeptiert ist. Die Erfahrungen in Japan lassen jedoch Zweifel an dieser Argumentation aufkommen: Zwei der drei mobilen Internet-Dienste bieten nur eine Bandbreite von 9,6 kBit/s an, nur der EZ-Anschluss bietet für einige Regionen bis zu 64 kBit/s, in den meisten anderen sind es 14,4 kBit/s. Somit scheint eine große Bandbreite keineswegs der wichtigste Erfolgsfaktor zu sein.

Alle drei Netze setzen jedoch eine paketbasierte Technologie ein, bei der die Nutzer ständig online sind und für die übertragene Datenmenge zahlen, nicht für die Zeit, in der sie im Netz sind. Eine typische E-Mail-Versendung kostet den i-mode-Nutzer 4 bis 8 Pfennig und eine typische interaktive Transaktion, wie eine Flugbuchung oder eine Banküberweisung, 40 bis 80 Pfennig. Immer online sein zu können, ist ideal für das Versenden von Nachrichten, wie auch der Erfolg von SMS-Mitteilungen in Europa zeigt. Auch für Einsteiger ist dieses Modell günstig, weil sie so die Dienste ausprobieren können, ohne den Gebührenzähler im Nacken zu haben.

Legt man diese Erfahrungen zugrunde, könnte das bedeuten, dass die Einführung von GPRS in Europa die Zahl der Nutzer des mobilen Internet in die Höhe schnellen lässt, wenn der Preis vernünftig ist. GPRS ist eine paketbasierte Übertragungstechnologie als Erweiterung des gegenwärtigen GSM-Standards und wird wahrscheinlich in 2001 auf den bedeutenderen Märkten verfügbar sein. Doch auch wenn GPRS für bessere Erfahrungen der Nutzer und die Einführung neuer Dienste von Bedeutung sein wird, sollte man dessen Einführung nicht überschätzen. Schließlich ist das Versenden von E-Mail, eine der Hauptanwendungen des mobilen Internet in Japan, in Europa schon in Form der SMS möglich, auch wenn das eine eher primitive Form ist.

Ein wesentliches Element von i-mode ist das i-mode-Portal, der Einstieg für i-mode-Nutzer, über das ca. 600 offizielle i-mode-Sites Informationsdienste anbieten. Als offizielle i-mode Site auf diesem Portal gelistet zu sein, ist für Content Provider attraktiv, denn NTT DoCoMo bietet ihnen eine Abrechnungsmöglichkeit ihrer Mehrwertdienste über die Telefonrechnung der i-mode-Nutzer. Die Nutzer zahlen aber nicht für jeden Klick oder jede Seite, die sie anschauen, sondern (falls der Dienst nicht kostenlos angeboten wird) eine Monatsgebühr für die Dienste. Die Gebühren liegen zumeist zwischen zwei und sechs DM pro Monat und Dienst. NTT DoCoMo zieht ca. 9 Prozent des Rechnungsbetrages ab und verdient außerdem an den übertragenen Datenmengen.

Auf dieser Basis entwickeln sich Geschäfte, die durchaus interessant sein können, wie das Beispiel von Bandai Ltd. zeigt: Das Unternehmen bietet an, jeden Tag Cartoons herunterzuladen, berechnet dafür etwa 2 DM monatlich und hat bereits über eine Million Abonnenten. Die meisten Anbieter von Unterhaltung wie auch viele andere Content-Anbieter nutzen diese Abrechnungsmöglichkeiten. Neben diesen offiziellen Sites gibt es eine wesentlich größere Zahl (etwa 15 000) inoffizieller Sites, die das Abrechnungsverfahren des i-mode-Portals nicht anwenden können. Was Europa aus dieser japanischen Erfahrung lernen kann, ist, dass die Strategie der Portale für die Entwicklung der mobilen Datendienste einen hohen Stellenwert hat.

Häufig ist zu hören, dass sich der Erfolg von i-mode nur durch gewisse kulturelle Besonderheiten in Japan erklären lässt. Schaut man sich jedoch die benutzten Dienste näher an, gibt es durchaus Ähnlichkeiten zur Handy-Nutzung in Europa. So wird i-mode in erster Linie zur Kommunikation genutzt: Eine Marktstudie zeigte, dass für mehr als 80 Prozent E-Mail der Hauptgrund für das Abonnement von i-mode war. E-Mail ist aber auch in Europa ein wichtiger Faktor: Allein TD1, der Mobildienst-Anbieter der Deutschen Telekom, verzeichnet ca. 11 Mill. SMS täglich, etwa eine pro Abonnent. „Spaß haben mit SMS“ ist der Hauptgrund, sie zu schicken. Auch für die i-mode-Nutzer hat Unterhaltung einen hohen Rang: Nach Angaben von NTT DoCoMo nehmen die Unterhaltungsangebote auf dem i-mode-Portal die oberen Plätze auf der Hit-Liste ein. Last but not least werden i-mode in Japan wie auch SMS in Europa häufig in der Freizeit genutzt.

Betrachtet man diese Gemeinsamkeiten, gehört zu den wichtigsten Diensten im mobilen Internet in Europa womöglich keineswegs der interaktive Flugplan, der in so vielen Zukunftsszenarios vorkommt, sondern Dienste, mit denen man „das Monster des Tages“ als Cartoon herunterladen kann.

Es bleibt die Frage, ob der schnelle Erfolg von i-mode als proprietärer Ansatz von NTT DoCoMo anhalten wird, wenn man das Schicksal von Minitel in Frankreich und BTX in Deutschland bedenkt. Gegenwärtig wird viel über die Gestaltung der kommenden WAP-Version 2.0 spekuliert, die zu XHTML migrieren könnte, einer Markup-Sprache, die eng mit cHTML verbunden ist, wie sie i-mode jetzt verwendet. Auch die sich abzeichnende Kooperation zwischen i-mode und AOL oder der niederländischen KPN könnte für eine weltweite mobile Markup-Sprache richtungweisend sein. Das ändert jedoch nichts an den Vorteilen einer Abrechnung, wie das i-mode-Portal sie bietet. Schließlich ist das Problem des Umgangs mit kleinen Rechnungsbeträgen im Internet nach wie vor ungelöst.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
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