Effizient handeln mit RFID

Der Einsatz von RFID (Radiofrequenz-Identifikation) in Unternehmen scheint grenzenlos. Prognosen zeigen, dass auch künftig die Technologie in noch mehr Wirtschaftsbereichen eingesetzt wird. Dabei sollten sich Entscheider über das „Vehikel“ RFID und seine Anwendungsmöglichkeiten informieren und dessen Entwicklung genau beobachten.

Der RFID-Markt wird sich weiter sehr positiv entwickeln, trotz mancher Herausforderung. Während der Umsatz in Deutschland zwischen 2006 und 2016 um durchschnittlich 19% p.a. steigt, wird er weltweit sogar um durchschnittlich 25% p.a. wachsen. Mit der Verschiebung der Marktanteile der einzelnen RFID-Komponenten und der Abwanderung der Herstellung weniger komplexer Produkte aus den Hochlohnländern dürfte Asien einen immer größeren Anteil beitragen und bis 2016 der umsatzstärkste Kontinent sein.

RFID verknüpft die physische Ware mit der zugeordneten Information. Tatsächlich wird das Prinzip RFID in einer breiten Spanne von militärischen und zivilen Anwendungen bereits seit Jahrzehnten genutzt. Doch erst mit dem elektro-nischen Reisepass sowie den RFID-Tags auf einigen Konsumgütern im Einzel-handel wuchs das öffentliche Interesse an der Technologie spürbar.

Politische und technologische Herausforderungen beeinflussen die wirtschaftlichen Chancen der Technologie. Während bei der Technologie die Themen Energieverbrauch, Produktionskosten, Verarbeitungsgeschwindigkeit und Auslesefehler vordringlich erscheinen, sind es im Bereich der Politik die Themen Frequenzharmonisierung, Standardisierung, Umwelt- und Datenschutz.

Nicht jedes von der technischen Faszination getriebene RFID-Projekt wird auch zum wirtschaftlichen Erfolg. Unternehmen müssen im Vorfeld des RFID-Einsatzes kritisch Kosten und Erträge hinterfragen.

RFID fördert die gesamtwirtschaftliche Innovationskraft. Die Automati-sierung der Prozesse steigert zunächst die Effizienz des innovativen Unterneh-mens. Darüber hinaus führt RFID mittelfristig zu einem erweiterten gesamtwirt-schaftlichen Angebot von Waren und Dienstleistungen.

Den Informations- und Kommunikationstechnologien kommt bei der Umsetzung von stufenübergreifenden Wertschöpfungsprozessen eine wachsende Bedeutung zu. Für die Auguren steht dabei speziell die RFID-Funkchip-Technologie (Radio Frequency Identification) sinnbildlich für den Paradigmenwechsel. Im neuen Paradigma wird die Trennung zwischen der physischen Ware und der ihr zugeordneten Information aufgehoben.

Dabei ist RFID keine völlige Neuerung. Bereits im Zweiten Weltkrieg nutzten die Alliierten das Prinzip bei der Freund-Feind-Erkennung. Doch in den 1970er Jahren kam RFID dann mit dem technischen Fortschritt in der Mikroelektronik immer mehr in der zivilen Nutzung zum Einsatz. Die breite Spanne der Anwendungen reicht von Logistik und Handel über Industrie und Landwirtschaft bis hin zum Gesundheitswesen und Freizeitveranstaltungen. Doch erst mit der größeren Nähe zum Alltag – elektronischer Reisepass, Etiketten auf einigen Gütern im Einzelhandel oder auch Zugangskarten zum Arbeitsplatz – wuchs die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit an der Technologie enorm.

Systeme haben drei technische Komponenten

Jedes RFID-System besteht aus dem RFID-Tag (auch: Transponder, einem kleinen produktnummerncodierten Chip mit Funkantenne, siehe Box), dem Lesegerät (auch: Reader) und der Software zur Datenverarbeitung.

RFID-Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass die einzelnen Komponenten berührungslos und ohne Sichtkontakt über elektromagnetische Felder kommunizieren. Diese Form des Informationsaustauschs unterscheidet RFID von anderen Informationssystemen, wie dem Strich-Code oder der kontaktbehafteten Chipkarte, und von Funksystemen, wie Bluetooth.

In breiter Variation auf dem Markt vertreten

RFID-Systeme unterscheiden sich in ihrer Ausgestaltung sehr deutlich voneinander.

Diese Unterschiede betreffen:
– Freiheitsgrad (offen vs. geschlossen),

– Datenhaltung (zentral vs. dezentral),

– Datenverarbeitung (Echtzeit vs. Stapelverarbeitung),

– Bauform (z.B. Ohrmarke, Keramik-Bolus, Glas-Injektat, Nagel, Smart Label),

– Speicherkapazität,

– Energieversorgung (mit/ohne Batterie),

– Beschreibbarkeit des RFID-Tags (z.B. Read-Only; Write-Once-Read-Multiple; Read-and-Write),

– Funkfrequenz (von niederfrequent [LF] bis ultrahochfrequent [UHF]),

– integrierte Sensorik (z.B. Temperatursensoren).

Diese breite Variation ist den verschiedenen Projektanforderungen (z.B. hinsichtlich tolerierbarer Fehlerquote beim Auslesen) und den verschiedenen Arbeitsumgebungen (z.B. hinsichtlich Materialumfeld oder Umgebungstemperatur) geschuldet, bei denen die RFID-Systeme zum Einsatz kommen.

Freiheitsgrad, Datenhaltung, Energieversorgung und Funkfrequenz:Dimensionen der technischen Vielfalt

RFID-Systeme können offen oder geschlossen sein. Geschlossene Systeme wer-den in einem abgeschlossenen Prozess eingesetzt. Dieser abgeschlossene Pro-zess zeichnet sich dadurch aus, dass RFID-Tags unkontrolliert weder zu- noch abfließen. Da der Prozess abgeschlossen ist, kann der Anwender die Parameter der Einzelkomponenten (wie Software, Frequenzbereich, Bauform des RFID-Tags) ohne Abstimmung mit einem anderen Unternehmen frei wählen und somit optimal auf die eigenen unternehmensinternen Erfordernisse abstimmen. Demgegenüber haben offene Systeme immer Schnittstellen zu anderen Unternehmen innerhalb der Wertschöpfungskette. Der Komplexitätsgrad offener Systeme steigt ohne einen allgemein anerkannten technischen Standard mit der Anzahl der zu integrierenden Partner schnell an. Es gilt, die Interoperabilität zwischen den bestehenden Prozes-sen, insbesondere in den Bereichen Enterprise Resource Planning (ERP) oder Warehouse Management System (WMS), entlang der Wertschöpfungskette rei-bungslos zu gestalten.

RFID-Systeme können Daten zentral oder dezentral vorhalten. Bei der derzeit weit verbreiteten zentralen Datenhaltung speichert der RFID-Tag lediglich einen Num-merncode, nicht aber die objektbezogene Information selbst. Die objektbezogene Information ist diesem Nummerncode eindeutig zugeordnet und wird von der
zentralen Datenbank vorgehalten.

Demgegenüber speichert der RFID-Tag im Fall der dezentralen Datenhaltung nicht nur einen Nummerncode, sondern auch ob-jektbezogene Informationen (Data-on-Tag). Der Vorteil der dezentralen Datenhal-tung liegt darin, dass die Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette die relevante Information unmittelbar vom RFID-Tag erfahren. Dieser Vorteil wiegt im Fall zeitsensitiver Prozesse, wie sie beispielsweise in der Produktion vorkommen, besonders schwer. Aber diese einfache Verfügbarkeit objektbezogener Informatio-nen ist auch unmittelbar mit zwei großen Nachteilen verbunden. So müssen zum einen die dezentralen Systeme vor unberechtigten Zugriffen von Dritten geschützt werden. Zum anderen sind sie tendenziell störanfälliger, da mehr Daten pro Zeit-einheit ausgelesen werden.

Nach dem Kriterium der Energieversorgung werden aktive und passive RFID-Tags unterschieden. Während sich aktive RFID-Tags über eine eigene Energiequelle versorgen, beziehen passive RFID-Tags ihre Energie über die Potenzialdifferenz im elektromagnetischen Feld. Die Energieversorgung hat einen erheblichen Ein-fluss auf Einsatzgebiet, Kosten, Lebensdauer und Funkreichweite des RFID-Tags. Auch wenn viele RFID-Tags im hochfrequenten (HF) oder ultrahochfrequenten (UHF) Bereich arbeiten, gibt es letztlich kein optimales Frequenzspektrum für alle angestrebten Anwendungen. Das jeweils beste Frequenzband hängt unmittelbar von den jeweiligen Anforderungen und den Umweltbedingungen ab. So sind An-wendungen, die im Bereich hoher Frequenzen arbeiten, besonders für das parallele Auslesen im Pulk (auch: Bulk) geeignet, da sie höhere Datenraten, kürzere Lesezeiten und größere Übertragungsreichweiten erreichen. Dieser Vorteil der Frequenzen wird allerdings durch die größere Störanfälligkeit bei der Übertragung von Daten im Umfeld von Flüssigkeiten oder Metallen erkauft.

RFID ermöglicht vielfältige Innovationen

Bei dieser Variation der Systeme kann das Wesen der RFID-Technologie nur in einem größeren Zusammenhang als der möglichen Konkurrenzbeziehung zum Strich-Code verstanden werden. Das Ziel der Basistechnologie RFID ist nämlich nicht, den Strich-Code zu verdrängen. Stattdessen steht RFID für ein umfassendes Konzept, das über vielfältige Innovationen die Wirtschaft verändert.

So eröffnet RFID neue Möglichkeiten bei der Automatisierung der Wertschöpfungsprozesse. Die Warenflüsse entlang der weltweit aufgefächerten Wertschöpfung werden mit Hilfe von RFID gesteuert und dokumentiert. Dieser „Automatisierungseffekt“ oder auch „Effekt erster Ordnung“ steigert die Effizienz der innovativen Unternehmen und verbessert somit deren Wettbewerbsposition. Mittelfristig führt RFID bei Waren und Dienstleistungen zu einem erweiterten Angebot. Dieser „Transformationseffekt“ oder auch „Effekt zweiter Ordnung“ bestimmt die gesamtwirtschaftliche Innovationskraft.

Technologie beeinflusst viele Bereiche des Alltags

RFID kommt in weiten Bereichen unseres Alltags zum Einsatz – von der Wirtschaft (insbesondere Produktion, Handel, Transport), über die hoheitlichen Aufgaben (insbesondere Militär, Grenzschutz, innere Sicherheit) und Zugangskontrollen bis hin zur Freizeit. Dabei zielen RFID-Projekte beispielsweise im Handel darauf, den Aufenthaltsort von Waren und Transportbehältern (z.B. Rollkäfige, Container) in Echtzeit zu erfassen. Über diese Erfassung können das eingesetzte Kapital reduziert und sich selbst verstärkende Planungsfehler vermieden werden. Dabei soll das Ziel der Reduzierung des eingesetzten Kapitals erreicht werden, indem zum einen bei gleicher Verfügbarkeit die Lagerbestände gesenkt und zum anderen die Auslastungsquote der Transportbehälter erhöht wird.

Beim Ziel der Vermeidung sich selbst verstärkender Planungsfehler geht es darum, Falschmeldungen über Fehlbestände (Out-of-Stock) auszuschließen. Verzeichnet ein Warenwirtschaftssystem einen Fehlbestand, obwohl die Ware tatsächlich noch vorhanden ist, so führt diese fehlerhafte Meldung in Zweit- und Drittrunden-Effekten letztlich beim Händler aber auch beim Produzenten zu hohen Kosten. Könnten solche falschen Fehlbestandsmeldungen vermieden werden, würden Händler und Produzenten davon profitieren.

In der weltweit aufgefächerten Wertschöpfungskette muss ein steigendes Gütervolumen in hohen Zustellungsfrequenzen kostengünstig bedient werden. Insbesondere geht es dabei darum, den Materialfluss enger mit dem Informationsfluss zu verknüpfen sowie die Prozesse auf den einzelnen Wertschöpfungsstufen miteinander abzustimmen. Entsprechend konnte sich RFID in der Transportwirtschaft speziell in den folgenden vier Feldern bewähren:
– Visualisierung des physischen Warenflusses (auch: Tracking and Tracing),

– Automatisierung der Statusinformation zur Güterbeschaffenheit (auch: Condition Monitoring),

– Unterstützung der Transportsicherheit (z.B. Warnung der Einsatzkräfte bei Unfällen mit Gefahrgütern),

– Dokumentation bei Haftungsfragen (z.B. Verzeichnis von Unregelmäßigkeiten der Transportfahrt).

Diese vier Felder sind für die Transportwirtschaft wichtige Hebel, um die Effizienz der eigenen Prozesse zu steigern.

Realisierte Projekte faszinieren

Der deutsche Logistikdienstleister DHL schätzt, dass heute weltweit mehr als 1,3 Mio. Paletten mit einem RFID-Tag markiert sind. Doch die Relation zwischen Kosten und Erträgen beschränkt den RFID-Einsatz derzeit auf größere Transporteinheiten und hochwertige Produkte. Demnach durchaus optimistisch prognostiziert die Unternehmensberatung McKinsey, dass 2010 weltweit zwar nur jeder zwanzigste einzelne Artikel, dafür aber jede dritte Verpackung und sogar jede zweite Palette mit einem RFID-Tag ausgestattet sein wird.

Die folgende kleine Auswahl aus einer gewaltigen Spanne von realisierten Projekten verweist auf das innovative Potenzial von RFID.
– Mit 200.000 markierten Transportkisten dokumentieren dänische Fischer Fangdatum, Fischsorte und Fangmethode. Die Fischhändler übernehmen diese Information direkt in ihr System. Über diese schnelle Abwicklung können sie fangfrische und damit hochwertigere Ware anbieten.

– Ein Pharma-Hersteller will die Fälschung von hochwertigen Lifestyle-Medikamenten verhindern. Die Großpackungen der Produkte werden dazu mit einem RFID-Tag mit elektronischem Echtheitszertifikat (ePedigree) versehen. Mit einem Lesegerät können die Apotheker die Echtheit des Medikaments schnell überprüfen.
– Im Schmuckhandel hilft RFID bei Inventarisierung und Diebstahlschutz. Ein Händler markiert seine Schmuckstücke mit einem winzigen RFID-Tag. Dieser RFID-Tag verknüpft die physische Ware mit den Informationen in der Datenbank des Händlers. So kann der Händler nun an jedem Abend schnell die Vollständigkeit seines Bestands überprüfen und bei Fehlbeständen zur Suche die Produktbeschreibung nutzen.

– Ein Kantinenbetreiber speichert die Information zu den ausgegebenen Gerichten auf den RFID-Tags im Teller. An der Kasse wird diese Information dann ausgelesen. Wartezeiten und manuelle Fehler der Kassierer werden so vermieden.

– Passagiere eines deutschen Nahverkehrsverbunds können Fahrten per Nahfeldkommunikation (Near Field Communication) über den in ihrem Handy integrierten RFID-Tag zahlen. Beim Ein- und Ausstieg halten sie ihr Handy an das Lesegerät im Fahrzeug. Ein zentrales System sammelt diese Information und erstellt die Monatsabrechnung mit dem jeweils günstigsten Tarif.

– Die EU will verhindern, dass Haustiere grenzüberschreitend Krankheiten verbreiten. Sie schreibt deshalb vor, Impfungen im Haustierausweis zu dokumentieren. Um den Ausweis eindeutig zuzuordnen, werden die Tiere mit einem RFID-Tag unter ihrer Haut markiert.

– Blinde Menschen können mit RFID-Tags markierte Alltagsgegenstände (z.B. Medikamente, Schlüssel) in ihrem Haushalt einfacher wiederfinden. Dem blinden Menschen ermöglichst RFID so ein selbständigeres Leben im Alltag.

Nicht alle Erwartungen wurden erfüllt

Neben all den positiven Erfahrungen zeigt die Praxis allerdings, dass die Effizienzsteigerung mittels RFID keine unbedingte Zwangsläufigkeit ist. Die Entscheider in den Unternehmen sollten sich bereits im Vorfeld über Kosten sowie Erträge des RFID-Projekts im Klaren sein und eine Wirtschaftlichkeitsberechnung durchführen. Darüber hinaus sollten die Zielvorgaben regelmäßig kritisch hinterfragt werden. So hat RFID in der Praxis beispielsweise die Erwartungen bezüglich der Reduzierung von Produktionsausfällen und der Qualitätskontrolle zumeist erfüllt. Demgegenüber wurden beispielsweise die Erwartungen bezüglich der Reduzierung des Anpassungsbedarfs nach der Auslieferung von Waren und geringerer Materialverschwendung oft enttäuscht.

RFID beinhaltet keine unbedingte Erfolgsgarantie

Die öffentliche Diskussion betont besonders stark die Bedeutung fallender Chip-Preise für die Verbreitung von RFID-Systemen. Diese Argumentation ist einfach nachvollziehbar, wird aber der Komplexität des Themas RFID nicht völlig gerecht. So bestimmen neben den Preisen für RFID-Tags etliche nicht weniger wichtige Faktoren aus den drei Bereichen unternehmerisches Umfeld, Technologie und Politik die Kosten-Ertrags-Relation eines RFID-Systems.

Die Praxis zeigt, dass aus dem unternehmerischen Umfeld folgende drei Vorbedingungen über den Erfolg der Projekte entscheiden:
– Verbreitungsgrad von RFID in der Wertschöpfungskette: Mit der Verbreitung der Technologie in der Wertschöpfungskette können die Investitionsprojekte mehr Erträge erzielen.

– Passgenauigkeit der Software: Es gibt keine preisgünstige passgenaue Standardlösung für RFID. Produzenten, Händler und Transportdienstleister müssen ihre Infrastruktur miteinander abstimmen. Dabei kommt es darauf an, die neue Technologie effizient in bestehende Prozesse und in die vorhandene IT-Infrastruktur einzubetten.

– Verteilung der Kosten: Kosten und Erträge des RFID-Einsatzes fallen zumeist bei verschiedenen Akteuren in der Wertschöpfungskette an. Um Investitionen überhaupt zu ermöglichen, braucht es eine umfassende individuelle Kosten-Ertrags-Kalkulation. Diese Kalkulation soll dabei helfen, dass Produzenten, Händler und Transportdienstleister die anfallenden Kosten angemessen verteilen.

Während im unternehmerischen Umfeld der Aspekt der Verteilung der Kosten eine grundsätzliche Vorbedingung der Investition darstellt, beeinflussen die beiden Aspekte Passgenauigkeit der Software und Verbreitungsgrad von RFID in der Wertschöpfungskette in besonderem Maß die Wirtschaftlichkeit des RFID-Projekts.

Harte Nüsse bei Technologie und Politik zu knacken

Neben den Herausforderungen aus dem unternehmerischen Umfeld gibt es auch bei der Technologie und der Politik bislang unbewältigte Herausforderungen, die den Markterfolg von RFID direkt beeinflussen.

So stehen in der Aufgabenliste der Technologie die folgenden vier Punkte:
– Energieverbrauch (hier geht es um den sparsamen Umgang mit Energie [sog. Power Management] sowie um die Gewinnung von Betriebsenergie aus der Systemumgebung [sog. Energy Harvesting]),

– kostengünstige Produktion (hier geht es um gedruckte Antennen und leitende Polymere),

– Geschwindigkeit der Datenverarbeitung (hier geht es darum, dass die Software die gesammelte große Datenmenge möglichst in Echtzeit statt nur im zeitverzögerten Stapelbetrieb verarbeitet und so möglichst schnell entscheidungsrelevante Information bereitstellt),

– Lesefehler (hier geht es insbesondere darum, beim Auslesen im Pulk die vom Prozess tolerierbare Quote von Lesefehlern zu unterschreiten).

Daneben stehen in der Aufgabenliste der Politik die vier Punkte:
– Frequenzharmonisierung (hier geht es um die Nutzung wichtiger Frequenzbänder in Regionen),

– Standardisierung (hier geht es um Datenformate, Luftschnittstellen, Kommunikationsprotokolle),

– Gesundheitsschutz und Umweltschutz (hier geht es um schädliche Materialien in den RFID-Tags),

– Datenschutz und Datensicherheit (hier geht es insbesondere um die informationelle Selbstbestimmung der Verbraucher).

Die Bedeutung der politischen Aspekte ist in den verschiedenen Anwendungsbereichen von RFID ungleich gewichtet. So sind die beiden Aspekte Datenschutz und Datensicherheit sowie Gesundheitsschutz und Umweltschutz dann besonders wichtig, wenn der Konsument in direkten Kontakt mit der Technologie kommt. Demgegenüber spielen die beiden Aspekte Frequenzharmonisierung sowie Standardisierung beim internationalen Warenverkehr eine besondere Rolle.

Im komplexen Interessengeflecht fällt Einigung schwer

Abseits dieser Unterschiede in der Gewichtung haben all diese Aufgabenfelder gemein, dass auf nationaler und internationaler Ebene zahlreiche, teilweise sogar gegensätzliche wirtschaftliche, technologieorientierte und gesellschaftspolitische Interessen aufeinander stoßen. Dieser komplexen Gemengelage entsprechend kommt der Einigungsprozess nur langsam voran – trotz zahlreicher Bemühungen verschiedener politischer Institutionen. Dies wirkt auf die Entwicklung des vom Wesen her hochdynamischen RFID-Marktes retardierend.

Wie schwer es fällt, einen tragfähigen politischen Ausgleich zwischen durchaus begründeten, aber gegensätzlichen Interessen zu finden, zeigt beispielsweise der Disput über Opt-out-Option oder der Opt-in-Option im Einzelhandel. Hierbei meint Opt-out, dass der RFID-Tag der Ware nur dann beim Verlassen des Kaufhauses deaktiviert wird, wenn der Kunde diesen Wunsch explizit äußert. Dagegen meint Opt-in, dass der RFID-Tag der Ware nur dann beim Verlassen des Kaufhauses nicht deaktiviert wird, wenn der Kunde diesen Wunsch explizit äußert.

Bei diesem Disput zwischen Opt-out-Option und Opt-in-Option findet sich die Politik im Spannungsfeld der Forderungen von Unternehmen und Verbraucherschützern. Dabei plädieren die Unternehmen für Opt-out, indem sie betonen, dass sich Effizienzpotenzialen nur in einem umfassenden und störungsfreien Konzept entlang der Wertschöpfungskette vollständig entfalten. Demgegenüber machen sich Verbraucherschützer für das Opt-in stark, da sie die Gefahren für den Datenschutz betonen. Nach dem öffentlichen Konsultationsverfahren plädiert die EU nun für Opt-in im Einzelhandel und einer weiteren kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema im Jahr 2011. Auch wenn diese Empfehlung aus dem März 2008 für die Mitgliedstaaten der EU nicht rechtsverbindlich ist, scheint damit dennoch eine Vorentscheidung für Opt-in im Einzelhandel gefallen.

Die Ausführungen zeigen, dass der wirtschaftliche Erfolg von RFID von vielen Vorbedingungen aus den drei Bereichen unternehmerisches Umfeld, Technologie und Politik beeinflusst wird. Bei diesen Vorbedingungen wird auch deutlich, dass RFID keine Allzwecklösung für alle geschäftlichen Herausforderungen ist. Entgegen mancher Darstellung in der öffentlichen Diskussion wird es auch weiterhin etliche Anwendungsfelder geben, bei denen der RFID-basierte Lösungsvorschlag den alternativen Lösungsvorschlägen (speziell Lösungen auf Basis des Strich-Codes oder auch des Data-Matrix-Codes ) wirtschaftlich unterlegen ist.

Unternehmen setzen große Hoffnung in Technologie

Angesichts der prominenten Beispiele erfolgreich umgesetzter RFID-Projekte und des breiten öffentlichen Interesses an RFID glauben heute nur zwei von fünf deutschen Unternehmen, dass RFID für das eigene Geschäftsfeld grundsätzlich ungeeignet ist. Diese gegenüber dem wissenschaftlichen Institut für Informatik und Gesellschaft der Universität Freiburg (IIG) geäußerte Einschätzung hängt allerdings eng von der Größe des befragten Unternehmens ab. Denn während nur etwa jedes zwölfte große Unternehmen angibt, RFID sei ungeeignet, ist es bei den kleinen und mittleren Unternehmen beinahe jedes vierte – obgleich keine RFID-Anwendung für kleine und mittlere Unternehmen technisch a priori ungeeignet ist.

Die Unternehmen, die sich für den Einsatz von RFID entscheiden, setzen große Hoffnung in diese Projekte. So hoffen mehr als 70% der befragten Unternehmen, dass sich ihre Investition bereits binnen 4 Jahren amortisieren wird.

Die bei den meisten realisierten RFID-Projekten erzielten Effizienzgewinne üben eine erhebliche Anziehungskraft auf die potenziellen RFID-Anwender aus. Die Unternehmen hoffen darauf, die Effizienzpotenziale der Technologie auch im eigenen wirtschaftlichen Umfeld zu realisieren.

RFID ist ein dynamischer Markt

Wie bei vielen anderen technischen Innovationen braucht es auch bei der Lösung der Herausforderungen von RFID mehr Zeit als anfangs erwartet. So sind bei etlichen Themen die über die letzten Jahre hinweg erzielten Fortschritte gering. Wegen der immer noch ungelösten Herausforderungen aus den drei Bereichen unternehmerisches Umfeld, Technologie und Politik konnte der Markt nicht mit den enormen Raten wachsen, die einige Forschungsinstitute noch vor wenigen Jahren voraussagten.

Gleichwohl können wir bei dem deutlichen Interesse der Nachfrager von einem insgesamt positiven Umfeld für RFID-Anbieter ausgehen. In diesem Umfeld dürfte der weltweite Umsatz zwischen 2006 und 2016 um durchschnittlich 25% p.a. auf rd. EUR 16 Mrd. wachsen. In Deutschland allein wird in diesem Zeitraum der Umsatz um durchschnittlich 19% p.a. auf EUR 2,2 Mrd. wachsen. In diesem schnell wachsenden Markt dürfte der Umsatzanteil der RFID-Tags zugunsten der Anteile der Lesegeräte und der Software zwischen 2006 und 2016 von knapp 50% des Gesamtumsatzes auf gut 40% fallen.

Bei den Umsatzanteilen steht Nordamerika heute noch deutlich vor Europa und mit Abstand vor Asien. Doch mit der Verschiebung der Marktanteile der einzelnen RFID-Komponenten und der Abwanderung der Herstellung weniger komplexer Produkte aus den Hochlohnländern dürfte Asien bis 2016 hinsichtlich seines RFID-Umsatzes an Europa, aber auch an den USA vorbeiziehen.

Resümee: Panta rhei – mit RFID auf zu neuen Ufern

Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, müssen die Produzenten, Transportdienstleister und Händler in der weltweit aufgefächerten Wertschöpfungskette die relevanten Informationen in engem Kontakt austauschen. Bei dieser Aufgabe der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit kommt der Funkchip-Technologie RFID eine wichtige Rolle zu.

Entsprechend erwägen immer mehr Unternehmen die Einsatzmöglichkeiten von RFID in ihrem Geschäftsbereich. Die umgesetzten Projekte in der Produktion, im Handel und im Transportgewerbe verdeutlichen die Potenziale, die mit RFID in der Privatwirtschaft realisiert werden können – zunächst für das anwendende Unternehmen selbst, dann aber auch für die gesamte Volkswirtschaft.

RFID führt in der Volkswirtschaft zu einer großen Fülle von Innovationen – insbesondere Prozessinnovationen. Doch bei weitem nicht jedes, von der technischen Faszination getriebene RFID-Projekt wird für den Anwender auch zum wirtschaftlichen Erfolg. Neben der oft diskutierten Bedeutung fallender Chip-Preise bedingen etliche andere Rahmenbedingungen nachhaltig den wirtschaftlichen Erfolg von RFID.

Diese Herausforderungen werden langsamer gelöst, als zunächst erwartet. Die über die letzten Jahre hinweg erzielten Fortschritte sind bei etlichen Themen noch recht klein. Demnach konnte der Markt nicht die enormen Wachstumsraten erreichen, die einige
Forschungsinstitute vor wenigen Jahren vorhersahen. Wegen des enormen Interesses der Nachfrager können wir gleichwohl von einer positiven Entwicklung für die RFID-Anbieter ausgehen. In diesem günstigen Umfeld wird der RFID-Umsatz in Deutschland zwischen 2006 und 2016 um durchschnittlich 19% p.a. wachsen, weltweit sogar um durchschnittlich 25% p.a. Mit der Verschiebung der Marktanteile der einzelnen RFID-Komponenten und der Abwanderung der Herstellung weniger komplexer Produkte aus den Hochlohnländern dürfte Asien einen immer größeren Anteil beitragen und bis 2016 der umsatzstärkste Kontinent sein.

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