Erwerb eines insolventen Unternehmens: Detaillierte Prüfung wichtig

Ein Unternehmenskauf in einem Restrukturierungsfall oder aus der Insolvenz kann für Erwerber viele Chancen eröffnen. Aber genauso sollte sie die typischen Risiken wie die steuerrechtliche Haftung durch professionelle Beratung vermeiden. 

Viele Restrukturierungsfälle oder Insolvenzverfahren führen zu einem guten Ende. Durch eine übertragende Sanierung werden Unternehmen erhalten und in neue Zukunft geführt. Oftmals sind die neuen Eigentümer direkte Wettbewerber, ehemalige Mitarbeiter oder auch Finanzinvestoren. Der Fachbegriff für Unternehmenskäufe in der Insolvenz: Distressed M&A. Das bietet für beide Seiten viele Vorteile. Zum einen wird ein Unternehmen gerettet, Arbeitsplätze werden erhalten. Auf der anderen Seite erwerben Käufer einen am Markt eingeführten Betrieb mit personellem Know-how, Kundenbeziehungen und Ausstattung und können die dieser Struktur zugrundeliegende Substanz für den eigenen wirtschaftlichen Erfolg nutzen. Es kommt aber auch darauf an, Risiken für den Erwerber auszuschließen – ein zu sanierendes Unternehmen muss vor einem Erwerb einer detaillierten Prüfung unterzogen werden. Schließlich ist es nicht „einfach so“ zu einer Schieflage gekommen.

Dabei stehen verschiedene Bereiche im Fokus. Zum einen sollen durch eingehende Analysen Haftungen für mögliche Altschulden des Unternehmens vermieden werden und dies insbesondere im Bereich einer steuerrechtlichen Haftung. Dazu kann es in der Praxis schnell kommen, wenn der Erwerber für unentdeckte Steuerschulden eintreten muss oder es vielleicht sogar zu Steuervergehen gekommen ist, die den neuen Organen des Unternehmens „auf die Füße fallen“ können. Das folgt dem Ansatz: Lässt sich der Käufer zum Geschäftsführer des erworbenen Unternehmens bestellen, erwächst ihm eine unmittelbare Haftung für Steuerschulden der Gesellschaft. Der Geschäftsführer hat als gesetzlicher Vertreter der Kapitalgesellschaft gemäß Abgabenordnung (AO) deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Bei schuldhafter Verletzung dieser Pflichten hat er als Haftungsschuldner unter den weiteren Voraussetzungen des § 69 AO für die Steuerschulden der Gesellschaft einzustehen. Das kann natürlich teuer werden und den Erfolg eines Distressed M&A-Deals gefährden. Erst durch eine genaue steuerrechtliche Analyse können diese Gefahren vermieden werden, etwa durch eine Anpassung des Kaufpreises, um spätere Steuerzahlungen dadurch aufzufangen.

Apropos Kaufpreis: Der Kauf aus einer Insolvenz unterliegt natürlich besonderen Parametern bei der Unternehmensbewertung. Die üblichen Bewertungsmethoden wie vereinfachtes Ertragswertverfahren oder Discounted-Cash-Flow-Verfahren kommen nur eingeschränkt zum Tragen. Viel eher muss die Wertuntergrenze, die bei der Unternehmensbewertung erzielt werden kann, ermittelt werden. Der Liquidationswert bildet diese Untergrenze und bezeichnet die Summe der Erlöse aus der Veräußerung aller Vermögensgegenstände eines Unternehmens abzüglich der Veräußerungskosten sowie gegebenenfalls von Steuern. Auf dieser Basis entsteht dann, in Kombination mit den typischen Werttreibern wie Marktposition, Zukunftsaussichten etc., ein Preis für den Unternehmenserwerb.

Auch die Prüfung beim Kauf aus einem Insolvenzplanverfahren ist wichtig. Ein Insolvenzplan ist eine umfassende Regelung der Befriedigung der Gläubiger des Insolvenzverfahrens. Typische Inhalte eines Insolvenz­plans sind die Fortführung des insolventen Rechtsträgers und Forderungsverzichte bei gleichzeitiger teilweiser Befriedigung der Gläubiger. Der Käufer übernimmt im Rahmen eines sogenannten „Share Deal“ sämtliche Anteile des insolventen Unternehmens und damit mittelbar alle Aktiva und Passiva. Dies gilt auch für Vertrags- und Arbeitsverhältnisse, Forderungen und Verbindlichkeiten – und für alle sonstigen Risiken. Denn es kann sein, dass nach dem Kauf weitere Gläubiger des Insolvenzverfahrens auftauchen und von der neuen Gesellschaft die Erfüllung der Quote verlangen. Daher sollten vor einem Kauf unbedingt alle Gläubiger identifiziert werden, damit es nicht zu möglicherweise teuren Konsequenzen nach dem Erwerb kommen kann.

Kurzum bedeutet das: Jeder Kauf eines insolventen Unternehmens unterliegt gewissen Risiken. Aber diese Risiken können durch eine professionelle Beratung reduziert werden, sodass ein Erwerb sehr erfolgversprechend und zukunftsfähig sein kann. 

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