eSales verändern telco 2.0

Neue Kommunikations- und Informationstechnologien verändern die Verhaltensmuster der Konsumenten signifikant. Die Sozialisierung des Internets – zusammengefasst im Begriff Web 2.0 – und die Konvergenz bisher getrennter Endgeräte und Kommunikationsdienste führen dazu, dass Anbieter neue Wege zu ihren Kunden suchen müssen. Für die Telco 2.0 bietet sich die Chance, basierend auf ICT-Kernkompetenzen ein eSales-Portfolio aufzubauen, das Geschäftskunden in die Lage versetzt, ihre Kunden künftig auch in einer Web 2.0-Welt zu erreichen. Telekommunikationsanbietern in gesättigten Märkten bietet ein solches B2B2C-Geschäftsmodell neue Wachstumsmöglichkeiten. Am Beispiel des mobilen Endgerätes lässt sich zeigen, wie Kunden über ihren gesamten Lebenszyklus von der Information über die Transaktion bis hin zur Nutzung von Diensten und Produkten angesprochen werden können.

Jede Vertriebs- und Marketingorganisation muss sich mit den Veränderungen des Verhaltens ihrer Konsumenten auseinandersetzen. Wesentlicher Treiber für diese Veränderungen sind gegenwärtig Lifestyle-Trends wie das Phänomen Web 2.0 und die Konvergenz von Fest- und Mobilfunknetzen. Wie diese Entwicklungen das soziale Verhalten beeinflussen, lässt sich an den heute 12 bis 30-jährigen beobachten, in deren Alltag Kommunikationsformen wie Chats oder SMS fest integriert sind und für die Dienste wie YouTube und Flickr selbstverständlich sind. Einige wesentliche Merkmale der durch die neuen ICT-Technologien ausgelösten Veränderungen im Konsumentenverhalten sind Interaktivität, Mobilität, Transparenz, Fragmentierung und Benutzerfreundlichkeit.

Mit der steigenden Interaktivität und der Verfügbarkeit von Rückkanälen über alle Medien hinweg bekommt der Konsument die Möglichkeit, unmittelbar Feedback zu geben und selbst zum Anbieter zu werden. Der Konsument möchte diese Angebote 24*7 nutzen und erwartet eine schnelle Reaktion. Die Grenzen zwischen Festnetz- und Mobilfunknetz lösen sich zunehmend auf, Infrastruktur und Dienste konvergieren. Mobilität heißt, dass Nachfrager erwarten, Dienste ohne geografische Begrenzungen standortunabhängig nutzen zu können und von Preisvorteilen bei einer gemeinsamen Nutzung zu profitieren. Der Kunde erwartet darüber hinaus Transparenz. Informationen über Produkte und Dienste müssen immer verfügbar sein. Der Kunde greift neben den Herstelleinformationen insbesondere auf unabhängige Meinungen, beispielsweise aus Foren im Internet, zurück. Preise werden über Suchmaschinen verglichen. Geprägt durch eBay, Google und Amazon erwartet der Konsument eine sehr breite Vielfalt an Informationen und Produkten (Fragmentierung). Jeder Nachfrager erwartet, Angebote in seiner Nische vorzufinden – sei sie noch so speziell. Ein auf breite Massenmärkte angelegter Vertriebs- und Marketingansatz nach dem Gießkannenprinzip wird seine Zielgruppen künftig immer schlechter erreichen. Die Anforderungen an Benutzerfreundlichkeit sind sehr hoch. Elektronische Dienste und Oberflächen benötigen zielgruppenadäquate, intuitiv zu verstehende Benutzeroberflächen. Medienbrüche sind zu vermeiden.

eSales bietet Wege, neue Zielgruppen zu erreichen und Kosten zu reduzieren

Eine der zentralen Herausforderungen des Vertriebs und Marketing der Zukunft ist es, auf dieses sich ändernde Nachfrageverhalten zu reagieren. eSales-Ansätze – verstanden als Gesamtheit aller Vertriebs- und Marketingaktivitäten über elektronische Schnittstellen zum Kunden – bieten eine Antwort. Gelingt es den Anbietern, diese zu nutzen, eröffnen sich große Chancen: Die Nutzung eines elektronischen Kanals erlaubt es, neue Zielgruppen zu adressieren und die geografische Reichweite der Marktbearbeitung zu erhöhen. Amazon hat mit seinem eSales-Geschäftsmodell diese Ziele konsequent verfolgt. Während eine konventionelle Buchhandlung zwischen 40.000 und 100.000 Titel im Sortiment führt, für die eine wirtschaftlich zu bedienende Nachfrage besteht, bietet Amazon 2,9 Millionen weitere Titel an, die sich an zum Teil äußerst kleine Nischensegmente wenden. Der eSales-Ansatz erlaubt dennoch eine wirtschaftlich sinnvolle Vermarktung. Amazon erwirtschaftet inzwischen 40% der Umsätze mit dem „long tail“ seines Sortiments.

Darüber hinaus nutzt Amazon die vorliegenden Informationen über seine Kunden, um personalisierte Empfehlungen auszusprechen, und bezieht die Kunden aktiv mit ein, indem Amazon seine Kunden auffordert, eigene Rezensionen zu verfassen, die wiederum anderen Käufern bei ihren Entscheidungen helfen.

Eine weitere Chance von eSales liegt darin, Informationen und Transaktionen orts- und zeitunabhängig verfügbar zu machen. Dadurch wird es möglich, beim Verbraucher entstehende Kauf- und Informationsimpulse unmittelbar zu nutzen. So können beispielsweise Impulskäufe dadurch vereinfacht werden, dass Waren oder Dienste unmittelbar mit dem Handy bezahlt werden. Oder das Handy wird genutzt, um Informationen anzufordern, die an anderer Stelle, zum Beispiel einer Plakatwand, beworben werden.

Im Vertriebskanal-Mix ist eSales in der Regel der Vertriebskanal mit den geringsten Kosten. Nach einmal getätigten Investitionen in den Aufbau ist der Betrieb des eChannel im Vergleich zu anderen Kanälen sehr kostengünstig, da nur wenig Personal erforderlich ist.

Aus Vertriebssicht eröffnet eSales damit die Möglichkeit, den bestehenden Vertriebskanal-Mix zu optimieren. Die Kostenvorteile sowie die Möglichkeiten, neue Zielgruppen und Märkte zu adressieren, erlauben es in vielen Fällen, bestehende Vertriebswege sinnvoll zu ergänzen oder gar ganz zu substituieren.

eSales als B2B2C-Geschäftsmodell für die Telco 2.0

Die Planung und Umsetzung eines eSales-Ansatzes erfordert umfangreiches Know-how und den Zugriff auf Kommunikationsinfrastrukturen und IT-Dienste – alles Leistungen, die das Kerngeschäft eines Telekommunikationsanbieters ausmachen. Daher bietet es sich für einen Carrier an, auf Basis seiner ICT-Dienste und Netze ein Portfolio an Leistungen aufzubauen, das Geschäftskunden in die Lage versetzt, eigene eSales-Aktivitäten zu erbringen. Das Portfolio, das sich für die Vermarktung in einem solchen B2B2C-Geschäftsmodell anbietet, kann ein breites Spektrum von Leistungen umfassen. Hierzu gehören CRM-Leistungen ( Servicerufnummern, Call Center-Dienstleistungen, Managed Network ACD- und IVR-Lösungen), übergreifende Werbeplattformen ( Internet, IPTV, öffentliche Telefone, Rechnungsbeileger), Payment-Lösungen (Internet und Mobilfunk), webbasierte Vermarktungsplattformen, Sprachportale und IPTV Channel.

Aufgabe der Telco 2.0 ist es, diese Leistungen aus Vertriebs-, Marketing-, Transaktions- und Kommunikationsfunktionen so zu kombinieren, dass eine auf die spezifische Situation zugeschnittene eSales-Lösung entsteht. Am Beispiel des Mobilfunks lässt sich beschreiben, wie ein solches eSales-Angebot ausgestaltet werden kann.

Die Zeit für eSales im Mobilfunk ist gekommen

Schon seit vielen Jahren wird die Eignung des Mobilfunkkanals als neuer Promotion- und Vertriebskanal gerade für jüngere Kundensegmente untersucht. Erfolgreiche Anwendungen beschränken sich bis zum heutigen Zeitpunkt jedoch weitestgehend auf digitale Inhalte, die vom Mobilfunkbetreiber oder von Mehrwertdiensteanbietern bezogen werden können. Bei diesen Produkten – Klingeltöne, Wallpapers oder Mobile Games -, kann der gesamte Vertriebszyklus über das mobile Endgerät erfolgen. Das Anwendungspotenzial des mobilen Vertriebskanals übersteigt jedoch solch “ Digital Content Micro Payments“.

Das Potenzial neuer eSales-Konzepte über Mobilfunkendgeräte ergibt sich aus der funktionalen Erweiterung und damit einhergehenden fundamentalen Rollenerweiterung des Mediums über die reine Sprachkommunikation hinaus. Somit ergibt sich erstmals die Möglichkeit, das mobile Endgerät als vollwertigen Kundeninteraktionskanal in allen Phasen des Marketing- und Vertriebszyklus zu betrachten. Mobilfunkanbieter können das hieraus entstehende Potenzial nutzen, indem sie im Rahmen von B2B2C-Modellen als Vermittler für Unternehmen agieren, die neue Vertriebswege suchen, um jüngere Zielgruppen anzusprechen.

Die Voraussetzungen für eSales ergeben sich aus zwei synchronen Entwicklungen: einer veränderten Wahrnehmung des mobilen Endgeräts in den „unter 30“-Zielgruppen – von der reinen Sprachkommunikation zum primären, teils identitätsstiftenden Interaktionskanal, und einer technischen Entwicklung, die auf die Substitution jedes mobil verwendbaren Unterhaltungs-, Interaktions-, und Transaktionsmediums durch das Mobiltelefon hinausläuft. Die zentralen Stoßrichtungen dieser Entwicklungen und ihre Relevanz für den Vertriebszyklus werden im Folgenden beschrieben.

„I Mobile“: Die nahe Zukunft der Handynutzung

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Mobile Entertainment – Iphone ist nur der Anfang: Gigabyte Speichervolumen, hochauflösende Farbdisplays, Anbindung an breitbandige Netze und immer schnellere Prozessorchips schaffen die Vorraussetzungen für die funktionale Konvergenz von Telefon und mobilen Unterhaltungsgeräten wie MP3 Playern oder Mobile Gaming Devices. Gleichzeitig wird es mit der abnehmenden Bedeutung von Broadcast TV und der Filterung durch intelligente Speichersysteme wie Tivo für Unternehmen zunehmend schwerer werden, jüngere Zielgruppen über traditionelle Kanäle zu erreichen.

3G-Netzbetreibern bietet sich somit ebenso wie Betreibern von mobilen Internet -, Musik – oder IPTV/VoD-Portalen die Chance, diese neuen multimedialen Kanäle zu vermarkten.

Mobile Communities – Märkte sind Kommunikation (auch unterwegs): Mit mittlerweile über 50 Millionen Nutzern weltweit sind mobile Communities der Hypephase entwachsen und stellen einen nachhaltigen Trend dar. Mobile Communities sind mehr als der mobile Zugriff auf Online Communities – vielmehr erweitern sie den Zugriff auf das digitale Netzwerk der „Online Social Communities“ auf die reale Welt. Ein Mitglied einer mobilen Community lässt sein Netzwerk an seiner unmittelbaren Umgebung teilhaben und wird somit zum Multiplikator. Eine versteckte Promotion, die über mobile Communities Verbreitung findet, verfügt über eine deutlich größere Glaubwürdigkeit in der Zielgruppe, da sie über sich selbst verbreitet wurde. Mobile Communities haben neue Dimensionen viralen Marketings eröffnet. Dass diese vom Markt angenommen werden, zeigt beispielsweise der Erfolg von Community-Betreibern wie der deutschen YOC AG mit 3,6 Millionen Mitgliedern. Netzbetreiber können eigene Communities aufbauen, ohne diese selbst technisch entwickeln zu müssen. Dienstleister wie Jumbuck bieten standardisierte Community- Elemente wie zum Beispiel Chat oder Mobile Dating an, die personalisiert auf die Betreiber-Plattformen übertragen werden. Zahlreiche Beispiele zeigen, dass Betreiber durchaus in der Lage sind, glaubwürdig mobile Communities zu hosten. Dennoch ist die Nutzer-Akzeptanz keine Selbstverständlichkeit: das Cluetrain Manifesto, dass vor Jahren das veränderte Selbstverständnis online vernetzter Konsumenten aufzeigte, ist auch für mobile Communities relevant.

Mobile Wallet – Zahlen Sie mit Ihrem “ guten“ Handy: Mobile Wallet subsumiert den Ersatz der Brieftasche durch das Mobiltelefon. Neben einer Bezahlfunktion (Mobile Payment) kann das Mobiltelefon auch Funktionen von Kundenbonuskarten, Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel oder auch Eventtickets übernehmen. Mobile Payment- Funktionalitäten haben in Europa erst in wenigen Ländern Fuß gefasst. Nach anfänglichem Hype erreichte Mobile Payment seinen Tiefpunkt mit der Einstellung der SIM-pay-Initiative, die einen gesamt-europäischen Standard für Mobile Payment etablieren wollte. Seither ist viel passiert: Mobile Payment-Systeme auf USSD 2.0-Basis wie das spanische Mobipay weisen eine deutlich höhere Benutzerfreundlichkeit auf als bisher angewandte SMS-basierte Systeme. Hier wird sitzungsbasiert eine Menuestruktur auf dem mobilen Endgerät aufgebaut, die den Kunden beim Ausführen einer Transaktion unterstützt. Auf dieser Basis sind auch Mobile Banking-Funktionen wie Kontostandabruf, Überweisungen, oder Stocktrading möglich, wie sie bereits in Korea Anwendung finden.

Der endgültige Durchbruch von Mobile Wallet-Funktionalitäten wird jedoch mit Einführung von Endgeräten erfolgen, die sowohl über eine Smart Card als auch einen NFC Chip verfügen. Bis zum Jahr 2011 wird von einer weltweiten Endgeräte Penetration von einer Milliarde gerechnet. Die NFC-Technologie ermöglicht eine sehr schnelle Datenübertragung über kurze Distanz und ist somit sowohl geeignet, Bezahlfunktionen am Point of Sale (POS) einzunehmen als auch als Schlüssel für zugangsbeschränkte Zonen wie Konzerte, öffentliche Verkehrsmittel, aber auch für die private Wohnungstür zu dienen. Ein Blick nach Japan zeigt Mobile Wallet- Applikationen in einem fortgeschrittenen Stadium: Das von NTTDoCoMo und Sony entwickelte NFC-basierte Mobile Wallet-System FeliCa ist mit einer Marktpenetration von über 30% fest im japanischen Markt etabliert. Felica Chips übernehmen die Funktion von Kredit- und Guthabenkarten, dienen als Fahrkarte im Nah- und Fernverkehr und können auch Kundenkartenfunktionen übernehmen.

Die zunehmende Penetration von mobile wallet-Funktionalitäten eröffnet zahlreiche B2B2C-eSales- und Marketingansätze. So können Mobilfunkbetreiber über Partnerschaften mit Banken und Kreditkarten-Unternehmen sowohl gegenseitige Vetriebsaktivitäten stärken als auch in Form von Multi-Branding gemeinsame Angebote lancieren, die eine Synergie aus Bankgeschäft und mobilem Zugang realisieren. Darüber hinaus können Betreiber von menuebasierten Mobile Payment-Lösungen den Zugang zu ihren Plattformen vermarkten. NFC Chips ermöglichen neue Ansätze im Proximity Marketing, indem beispielsweise Reklametafeln mit NFC-Sendern versehen werden, um Aktionscoupons auf das Endgerät von Interessenten zu überspielen.

Mobile Sales ermöglicht eine Kundenansprache über alle Phasen des Vertriebszklyus

Die hier skizzierten Trends geben einen Eindruck über das Vertriebs- und Marketingpotenzial in der Telco 2.0. Zusammengenommen ermöglichen sie einen Kundenangang über alle Phasen des Vertriebszyklus:

In der Vorverkaufsphase sind Audio und Video-Casts, DVB-H Streams, Mobile Games und Mobile Internet Portale neue Kanäle, die die Positionierung von Werbebotschaften erlauben. Mobile Communities eröffnen neue Dimensionen des Guerilla-Marketing und des P2P-Vertriebs. Mobile Wallet Phones besitzen Zugangstechnologien, die neue Formen des Proximity Marketings ermöglichen. Die Steuerung von sitzungsbasierten Transaktionsmenus ermöglicht eine Einflussnahme auf das Kundenerlebnis im Transaktionsprozess. Durch den Einsatz von NFC-Endgeräten als Transaktionsmedium am POS wird eine logische Verbindung zwischen Transaktion und Mobilfunkdienstleistung hergestellt. Schließlich wird der Einsatz des Mobiltelefons als Transaktionsmedium im Aftersales direkt verknüpft mit der Speicherfunktion für Kundenbindungsprogramme. Der Kunde kann am POS auf Incentives aufmerksam gemacht werden, die er seiner mobilen Community mitteilt – es schließt sich der Zyklus zur Vorverkaufsphase.

Mobilfunkanbieter und integrierte Telekommunikationsdienstleister befinden sich im Mittelpunkt der Telco 2.0. Eine konsequente Weiterentwicklung der technischen Grundlagen sowie die sorgfältige Beobachtung von Trends im Konsumentenverhalten können zur Entwicklung eines starken Wertbeitrags innerhalb der B2B2C-Beziehung führen. Parallele Entwicklungen wie die Vernetzung von Städten zu „Smart Cities“ werden die Bedeutung des Mobiltelefons als Medium neuer Marketingansätze in Zukunft noch weiter verstärken.

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