Business Communities – Ziel, Kern, Konzept

Es ist ja nicht so, dass Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen eine neue Erfindung des Internet sind. Allerdings haben sich die Möglichkeiten und Formen der Kommunikation und Kooperation im Zeitalter des Web deutlich verändert. Grund genug, sich einmal genauer mit den so genannten Business Communities auseinander zu setzen.

Zentraler Nutzen von Business Communities ist das Teilen: das Teilen von Know-how und Beziehungen – zwischen denen, die dazugehören, abzielend auf den Nutzen des Einzelnen, den des Unternehmens und den der neuen Einheit »Community«. Ziel von Business Communities ist demnach Folgendes:

1. Die Überführung und Entwicklung eines Internet-Besuchers zu einem Community-Mitglied und weiter zu einem loyalen Kunden, der markentreu ist und Wiederholungskäufe tätigt.

2. Die Überführung und Entwicklung eines Arbeitsplatzinhabers zu einem Community-Mitglied und weiter zu einem High-Potential-Wissensmitarbeiter.

3. Die Überführung und Entwicklung eines losen Geschäftspartners zu einem Community-Mitglied und weiter zu einem institutionellen B2B-Kooperationspartner für transaktionskostenoptimierte Zusammenarbeit in Beschaffung, Entwicklung, Vertrieb etc.

Ziele und Nutzen von Business Communities (große Ansicht)

Das Nutzenkalkül ist klar. Die Anbieter setzen Business Communities, virtuelle Räume und Gruppen mit ihren Kunden, Mitarbeitern und Business Partnern ein, um Geschäftsprozesse zu optimieren, zur Verbesserung von Markenbekanntheitsgrad, Kundenbindung und Produktqualitäten sowie zur Durchführung ihrer Transaktionen (eCommerce, eProcurement). Die Kunden nutzen Business Communities als Instrument, um Mehrwertinformationen für ihre Informations- und Transaktionsentscheidungen zu generieren. Diese Informationen sind von Nutzen, um die Qualität, die Aktualität, die Verfügbarkeit und die Liefergeschwindigkeit sowie die Preiseffizienz von Produkten und Dienstleistungen zu bewerten.

Es schließt sich die Frage nach den typischen unverzichtbaren Wesenselementen einer Business Community an: die Frage nach ihrem Kern. Im Vergleich z. B. mit statischen Webauftritten, Internetportalen oder Online-Marktplätzen gibt es drei elementare Alleinstellungsmerkmale einer Business Community:

Kern 1 – Prosumertum
Der Kunde, Mitarbeiter oder B2B-Partner arbeitet durch seine Interaktion mit an der Wertschöpfung des Netzwerks. Er wird vom einfachen Konsumenten zum Co-Produzenten. Der Business Community wachsen so Werte zu, die ein Einzelner nicht zu erstellen imstande ist.

Kern 2 – Entwicklung von 1:1-Beziehungen hin zu n:n-Beziehungen
Im Unterschied zu klassischen Broadcast-Medien wie Hörfunk oder TV werden Community-Mitglieder im Internet zu Sendern und Empfängern gleichermaßen, und zwar in der Beziehung zum Unternehmen und untereinander. Dabei erhöht sich der Interaktionsgrad kontinuierlich, und die Anzahl der Interaktionsrichtungen nimmt zu. Singuläre Punkt-zu-Punkt-Kommunikation und losgelöste Einzelbeziehungen werden von n:n-Beziehungen abgelöst. Technologisch durch Community-Werkzeuge unterstützt, werden die Prozesse derjenigen, die dazugehören sollen und wollen, miteinander verbunden.

Kern 3 – geschäftliches Angebot und geschäftliche Nutzung
Ein Wirtschaftsunternehmen mit ökonomischem Nutzenkalkül und Handeln setzt Business Communities im Internet ein, um seine unternehmerischen Ziele wie Kostenersparnis und Gewinnrealisierung umzusetzen. Business Communities spielen eine Schlüsselrolle bei der Abbildung realer Geschäftsprozesse auf eBusiness-Modernisierungs-, Rationalisierungs- und Wettbewerbsertüchtigungsprogramme: Sie sind der »Missing Link«, das fehlende Glied zwischen realen Geschäftsbeteiligten, Produkten, digitalem Content und elektronischem Handel.

Business Communities sind Geschäftsgemeinschaften im Internet für professionelles Beziehungsmanagement zwischen Kunden, Mitarbeitern und B2B-Partnern. Zur Differenzierung werden unterschiedliche Gruppen unterschiedlich behandelt. Den Unterschied machen Mitgliedschaften. Mitgliedschaft ist das Grundprinzip der Beteiligung an einer Business Community und ihren Unter-Communities.

Bei der Registrierung erhalten Nichtmitglieder ihren Account, also ein eigenes Benutzerkonto, das dem Zugangsschutz zu Communities z. B. für Lese-, Schreibrechte oder der Abrechnung dient. An einem Rechner meldet sich das Mitglied beim Log-in an. Hierbei werden die Benutzerkennung und ein persönliches Passwort abgefragt und mit den Daten des Accounts verglichen. Der Log-in dient zur Identifizierung des Anwenders und ermöglicht es darüber hinaus, genauere Profile der Nutzer zu erstellen.

Aus dem Internet als Television – »alle sehen alles gleich« – werden durch die Mitgliedschaft massenindividuelle Interaktionskanäle zwischen bestimmten Gruppen geschaffen. Hierbei nutzen Business Communities eServices. Hierfür sind geeignete Gruppen und Räume im Internet notwendig. Herausforderungen aus der Sicht eines Unternehmens sind also die Strategie, das Design, das Engineering und der Betrieb der Business Community auf der Ebene der Geschäftsstrategie und Geschäftsstruktur sowie der Technologie und der Technologieauswahl.

Darüber hinaus sind bei Business Communities die Aspekte Transaktionskostenreduzierung und Schaffung qualitativen Mehrwerts besonders wichtig. Business Communities helfen dabei, die Such-, Anbahnungs-, Abschluss- und Kontroll-Aufwände und Auszahlungen zu minimieren. Vor allem hervorzuheben ist hierbei die erfolgskritische Verringerung der Risiken, durch die Geschäftsprozesse aufgrund zu hoher Transaktionskosten verspätet oder gar nicht ablaufen können. Des Weiteren schaffen transparente Community-Beziehungen, die Wissen und Erfahrungen von Geschäftsprozessen speichern, qualitativen Fortschritt: Kundenwünsche, Mitarbeiterfragen, Abfrage von Zahlungsbereitschaften, alle digitalen und realen Transaktionsprozesse zwischen B2B-Partnern, die bisher nicht erkannt werden konnten und so unmöglich zu bedienen schienen, können adressiert werden. Business Communities können so oftmals einzigartige Inhalte und einzigartiges Prozesswissen als Wettbewerbsvorsprung gegenüber Nicht-Mitgliedern nutzen. Damit rücken die Erfolgsfaktoren Wissen sowie Kultur und Vertrauen in den Mittelpunkt des Interesses. Denn bei alldem ist eines klar: Wirtschaftsindividuen sind keine Altruisten mit Helfersyndrom: Sie werden nur in Communities mitspielen und an ihnen partizipieren, wenn sie den erwarteten Ertrag höher als ihren Einsatz bewerten können. Es muss demnach eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten realisiert werden.

Begriff und Konzept von Business Communities bieten den breiten, aber dennoch handhabbaren Zugriff auf Analyse und Synthese von Geschäftsgemeinschaften im Internet. Der Analyse-Aspekt bezieht sich auf die Beschreibung, Erklärung und Vorhersage der Geschäftsgemeinschaften. Der Synthese-Aspekt bezieht sich auf die unternehmerische Entscheidungsunterstützung für Aufbau und Gestaltung der Communities. Dies kann geleistet werden in dreierlei Hinsicht: sozioökonomisch-gruppendynamisch, technologisch-organisational und eBusiness-unternehmensstrategisch.

Als sozioökonomisch-gruppendynamisches Konzept betrachtet, lässt sich daran eine Vielzahl von wissenschaftlichen Ansätzen andocken und deren Instrumentarium verwenden, wie z. B. soziologische Netzwerktheorie, Rational-Choice und Spieltheorie, empirische Verhaltenstheorie und Marketinglehre.

Ein gutes sozialwissenschaftliches Dimensionen-Raster, um Netzwerke einschätzen zu können, bietet beispielsweise van Waarden:

große Ansicht

An und für sich sind Business Communities im Internet eine Gruppe wie jede andere auch. Es gibt Mitglieder, Rechte, Zugangsordnungen, Spielregeln und Machtkonstellationen. Einziger Unterschied bleibt, dass diese Gemeinschaften sich im Internet konstituieren und dort leben. Zum Teil handelt es sich dabei um eine Abbildung realer Gruppen im Internet, z. B. wenn ein Handyhersteller Zusatzsoftware exklusiv im Internet für seine reale Kunden-Community bereithält. Zum Teil stellen diese Gemeinschaften aber auch Neugründungen dar, wie z. B. die Musiktausch-Community Napster. Es wird interessant sein, zu beobachten, wie der virtuelle Widerpart im Internet die realen Gruppen ergänzen und ersetzen wird.

Business Communities als technologisch-organisationales Konzept angewandt, sind fokussiert auf Aufbau, Gestaltung und Steuerung der Gemeinschaften. Das Community-Konzept definiert sich hierbei über die Beziehungen und Interaktionen zwischen den Beteiligten.

Den Anbietern und Betreibern von Business Communities stellt sich die erfolgskritische Frage, welche technologischen internetbasierten Werkzeuge sie den Community-Mitgliedern anbieten und im Betrieb einsetzen wollen. Eine Community-Plattform kann einzeln oder aus einer Kombination vielfältiger Module bestehen:

Personalisierungs-Modul zur dynamischen Kundenansprache und zur Profilierung, was das Community-Mitglied wirklich interessiert

Foren-Modul zur Diskussion von Themen, eventuell mit aufgesetztem Frage/Antwort-Modul für generierte und mitlernende FAQ-Mitgliederberatung

Chat-Modul z. B. zum moderierten oder freien Business-Talk

MyHomepage-Modul bzw. Yellow-Pages-Modul für die Vorstellung von Mitgliedern bzw. die Darstellung z. B. von Handbuchwissen und den Anwendungserfahrungen der Mitarbeiter,

Mitgliederverwaltungs-Modul für Administratoren und Nutzer zum Organisieren und Kommunizieren mit Gruppen und Untergruppen, z. B. für Instant Messaging

Hyperlink-Modul bzw. Dateien-Up-/Download-Modul zum Wissenspeichern im Netz beispielsweise für Projekt-Bookmarks bzw. gemeinsame Dokumente

News-Modul bzw. Newsletter-Modul zum Einstellen und Verschicken von Community-relevanten Neuigkeiten

Messaging-Modul bzw. Mailabo-Modul für Mailinglisten

Projekt-Modul zum Organisieren von Kontaktdaten, Aufgaben, Terminen und Meetings etc., eventuell mit Benachrichtiger-Modul bei Ereignissen

Teleconsulting-Modul bzw. Shared-Applikation-Modul zur medienbruchfreien Beratung durch einen Spezialisten mit digitalen Formularen via TCP/IP-Videoconferencing

Matchmaking-Modul zum erfolgskritischen intelligent-kontext-sensitiv unterstützen Suchen und Finden in Communities

Webevent-Modul mit Video-Streaming oder Powerpointpräsentationen-Übertragung und Rückkanal, z. B. live oder als Aufzeichnungskonserve

Ihrer Natur nach sind die Community-Werkzeuge in vier Dimensionen aufgestellt:

synchron vs. asynchron (z. B. Chat – Foren),

geschlossen vs. offen (Projektworkspace – Community-News),

1:1-Verbindungen vs. n:n-Verbindungen (z. B. Instant Messaging – Webevent) und

pull vs. push (Mailingliste – Newsletter).

Business Communities können auch als ein unternehmensstrategisches Konzept angesehen werden. In diesem Zusammenhang sind vor allem zwei Fragen von Interesse: Erstens, wie wandeln Business Communities die Geschäftsmodelle, und zweitens, wie wandeln Geschäftsmodelle die Business Communities?

Zum ersten Punkt: Geschäftsmodelle sind die einzigartige Kombination von Vermögenswerten, welche die Fähigkeit einer Organisation bestimmt, Wert zu schaffen und Wert zu vernichten. Solche materiellen oder immateriellen Vermögenswerte, auch Assets genannt, sind z. B. Infrastruktur, Finanzaktiva und Kundenbeziehungen. Die Errichtung exklusiver Räume und Gruppen im Internet für Lieferung, Fakturierung, Entwicklung oder Vertrieb bringt die Herausforderung mit sich, die Bestandteile von Geschäftsmodellen – Business Mission, Produkt-/Marktumfang, strategische Aktivposten und firmeneigene Kernprozesse – neu zu denken. In Business Communities liegen die Quellen für Kostenersparnis und Einnahmequellen.

Zum zweiten Punkt: In der eBusiness-Debatte wird oft auf Stärken und Schwächen der Old-und New-Economy-Firmen abgehoben. Zum Beispiel macht Bain&Company als Stärke der New Economy Geschwindigkeit, Talent, kulturelle Leistungskultur und organisatorische Flexibilität aus. Dem stehen in manchen Fällen strategische Defizite, operative Mängel (z. B. Controlling) oder Finanzierungsausfälle gegenüber. Die Old Economy glänzt mit detaillierten Kundenkenntnissen, Beziehungen, Marken, Finanzstärke und umfangreicher Wissensbasis. Wobei ihr der Malus der eingeschränkten organisatorischen Flexibilität, der niedrigen Performanz und strategische Defizite, was eBusiness anbetrifft, anhängt. Zum einen lässt sich die Entwicklung hin zu einer One Economy mit Click&Mortar-Firmen feststellen, das sind Unternehmen die stationär und im Internet agieren. Zum anderen führt das Lernen von New und Old Economy voneinander zusammen mit der Make-or-Buy-Grundentscheidung zu einer Zusammenarbeit, ja manchmal sogar zu Fusionen. Es entstehen Geschäftsgemeinschaften im Internet, wo vorher (noch) keine waren.

Als Zwischenfazit lassen sich die drei alleinstellenden Nutzenmerkmale im Vergleich mit klassischen Unternehmenswebsites, Portalen und Marktplätzen festhalten. In Business Communities kennen sich Anbieter und Kunden – im Gegensatz zu normalen Websites. Über Business Communities können Mitglieder miteinander kommunizieren – im Gegensatz zu hergebrachten Portalen. Mit Business Communities lassen sich Markt-Plätze bevölkern, die das Wort auch verdienen – ganz im Gegensatz zu vielen Online-Marktplätzen, die allein aus Katalogdatenbanken bestehen.

Der Beitrag ist ein Auszug aus der Publikation Business Communities. Professiones Beziehungsmanagement von Kunden, Mitarbeitern und B2B-Partnern im Internet“ erschienen im Galileo Business Verlag.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
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