Einkäuferportal optimal aufbauen

In den letzten fünf Jahren hat sich die Frage nach den Vorteilen eines Portals für Einkaufsorganisationen geklärt: Portale sollten unbedingt genutzt werden. Unternehmer müssen dabei jedoch zwei wesentliche Erfolgsfaktoren beachten: Der erste davon ist die Abbildung eines Einkaufskernprozesses, der hinreichende Benefits generiert. Zweitens müssen mehrere Grenzen im Unternehmen zu überwinden sein. Diese können organisatorisch, systemtechnisch oder prozessual sein. Kommen beide Faktoren zusammen, hat ein Einkäuferportal einen deutlichen Vorteil gegenüber einer herkömmlichen IT-Lösung.

Auch wenn die Erfolgsfaktoren erfüllt sind, können Portalprojekte trotzdem an mangelnder Akzeptanz scheitern. Mit zwei Strategien kann man hier gegensteuern. Zum einen kann man die Alltagstauglichkeit des Portals für die Nutzer steigern, indem man kleine Hilfstools wie z. B. einen Währungsrechner geschickt integriert. Der zweite wichtige Faktor ist hinreichende Management Beachtung. Sind die Führungskräfte mit dem Portal vertraut, wirken diese als starker Multiplikator für das Unternehmen.

Braucht man wirklich ein Einkäuferportal?

Für die große Mehrzahl der Einkaufsorganisationen in Deutschland ist dies eine fast schon ketzerische Frage. Die meisten haben bereits ein Einkäuferportal, manchmal auch Einkäuferarbeitsplatz oder Beschafferdesktop genannt, oder führen es gerade ein. Insbesondere bei Beschaffungsorganisationen, die den „Early Adopters“ oder den „Fast Followers“ zugerechnet werden, ist die Durchdringung nahezu 100%.

Ein weiteres Indiz, dass die Frage obsolet ist, wird von der Softwareindustrie geliefert. Nahezu jedes Standardsoftwarepaket, allen voran in Deutschland natürlich SAP, bietet eine Portalkomponente an.

So übersichtlich die Situation auf den ersten Blick erscheint, umso komplizierter erweist sie sich beim näheren Hinsehen. Verstehen doch fast alle Beteiligten unter dem Begriff etwas anderes. Im Sinne dieses Opinion Papers soll unter einem Einkäuferportal eine ins Unternehmen gerichtete IT-Lösung verstanden werden, die einen zentralen Zugriff auf personalisierte Inhalte und bedarfsgerecht aufbereitete Prozesse bietet (vgl. „Was ist ein Portal?“, Fraunhofer IAO, 2004). Dabei lassen sich zwei generelle Typen unterscheiden.

IT-orientierte Portale bilden eine Art Klammerfunktion über die Anwendungen des Einkaufs. Das Portal bietet dabei einen personalisierten Einstieg. Der Absprung aus dem Portal in die integrierten Applikationen ohne weitere Anmeldung (Single-Sign-On SSO) gehört zum Standardrepertoire eines Portals. Die verschiedenen Lösungen werden in eine Oberfläche integriert, Übersichten und Aufgabenlisten werden dem jeweiligen Einkäufer über alle Anwendungen aggregiert angeboten. Dazu treten nützliche Kleinstapplikationen zur Unterstützung der Nutzer. Taschenrechner, Wörterbücher, Newsticker, oder auch internes Marketing seien hier als Beispiele genannt.

Prozessorientierte Portale gehen über diesen Standard hinaus und integrieren ganze Geschäftsprozesse. Nach dem Einstieg wird dem Einkäufer sein persönlicher Arbeitsvorrat bezogen auf den „betroffenen“ Prozess angezeigt. Nach Auswahl eines Beleges findet der ganze Prozessablauf in der Oberfläche des Portals statt. Die darunter liegende Backendanwendung bekommt der Nutzer nicht zu Gesicht.

Das GAP zwischen Erwartung und Wirklichkeit

Hätte man die Eingangsfrage vor circa 4 Jahren auf einem Kongress oder einer Messe gestellt, wäre die einhellige Antwort „Ja“ gewesen. Portale waren zu dieser Zeit in aller Munde und wurden vielfach als Allheilmittel zur Optimierung der Prozesseffizienz und Erhöhung des Einkaufshebels angesehen. Die Erwartungen waren hoch gespannt: optimierte, dem Unternehmen angepasste Prozesse, personalisierte Arbeitsvorräte mit auf den Einkäufer zugeschnittenen Prozessen in ergonomischen, personalisierten Oberflächen. Und das Ganze auf einer unternehmensweit einheitlichen Datenbasis. Darf es noch ein wenig mehr sein?

Zusätzlich wurde die Einführung von Portallösungen dem CPO durch die Softwareindustrie mit dem Argument schmackhaft gemacht, dass die Einführung sehr leicht und schnell sei. All die schönen Erwartungen sollten sich quasi im Vorbeigehen durch die Einführung einer technischen Portallösung erfüllen. Unter 4 Augen wurde bereits vom Ende der klassischen ERP-Software gesprochen.

Heute zeigt sich, dass zwischen den Erwartungen und der Wirklichkeit eine große Lücke klafft. Obwohl fast überall Portalprojekte begonnen wurden, sind diese in den seltensten Fällen fertig gestellt. In der Regel haben die einzelnen Projekte deutlich länger gebraucht und erheblich mehr Ressourcen verschlungen.

Ein etablierter Standard für Portale ist nicht erkennbar. Dort wo Einkäuferportale existieren, ist die Zahl der Nutzer häufig gering oder die Akzeptanz des Portals lässt zu wünschen übrig. Und die totgesagten ERP-Systeme sind lebendiger als zuvor. Umso wichtiger ist es daher erfolgreiche Projekte zu untersuchen. Dabei zeigt sich, dass häufig zwei wesentliche Erfolgsfaktoren beteiligt sind: „Anzahl der zu überwindenden Grenzen“ und der „Grad der strategischen Relevanz“.

Portale sind erfolgreiche Grenzgänger

Ein Beispiel für eine erfolgreiche Portallösung ist ein international operierendes Telekommunikationsunternehmen, welches ein ambitioniertes Programm zur Optimierung der konzernweiten Beschaffung durchführt und auch über ein technologisch orientiertes Einkäuferportal auf der Basis einer Standardsoftwarelösung verfügt.

Zentrales Element der Einkaufsoptimierung ist ein geschäftsfeldübergreifendes Bedarfsmanagement. Die aufkommenden Bedarfe werden nach dem Optimierungsprogramm nicht mehr in den einzelnen Geschäftsfeldern verhandelt, sondern zentral abgewickelt. An dieser Stelle müssen kurzfristig Einkäufer Zugriff auf alle existierenden Bedarfe erhalten, die in verschiedenen ERP-Systemen abgebildet sind. Bestandteil des Portals ist ein persönlicher Arbeitsvorrat, der dem Einkäufer unter anderem die Bedarfe aus all den Systemen aggregiert, für das er nutzungsberechtigt ist.

Die Herausforderung des Zugriffs auf Bedarfe aus unterschiedlichen Systemen reduziert sich damit auf die Verteilung von Zugriffsrechten in den verschiedenen Systemen. Die wesentliche Funktion des Portals ist in diesem Fall die Überwindung der existierenden Organisations- und Systemgrenzen.

Ein weiteres Beispiel lässt sich bei einem der Top Fünf Automobilhersteller finden. In diesem Beispiel war die Beschaffung mit der Einführung und dem internationalen Rollout eines Einkäuferportals vorangeschritten. Im Zuge eines Optimierungsprojektes wurde die Zusammenarbeit zwischen Einkauf, Entwicklung und Produktion im Rahmen von Fahrzeuganläufen verbessert. Ein Beitrag, den die Beschaffung in diese Optimierung einbringen konnte, war ihr Portal. Dieses verfügte über eine Workroom-Funktionalität. Damit ließen sich schnell und unbürokratisch abgesicherte Arbeitsräume für die verschiedenen Beteiligten einrichten und verwalten. Auch in diesem Beispiel hilft ein Portal im Unternehmen existierende Grenzen zu überwinden.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine wesentliche Stärke von Portalen die Überwindung von Grenzen ist. Ob diese Grenzen organisatorisch, systemtechnisch, oder unternehmensübergreifend sind, ist dabei zweitrangig. Diese Fähigkeit ist insbesondere für die Beschaffung von immenser Bedeutung, da zwei ihrer Kernaufgaben direkt mit dem Knüpfen von Netzwerken verbunden sind:

Zum einen zwingt die Versorgung aller anderen Einheiten innerhalb des Unternehmens mit den benötigten Gütern und Dienstleistungen den Einkauf zur vollständigen Vernetzung mit dem ganzen übrigen Unternehmen.

Zum anderen erfordert die Steuerung des dem eigenen Unternehmen vorgelagerten Zuliefernetzwerks dezidiert die Überwindung von Organisations- und System-Grenzen. Die Bedeutung dieser Aufgabe nimmt in Zeiten sich verringernder Eigenwertschöpfungstiefe stark zu.

Erfolgsfaktor End-To-End-Optimierung

Neben dem Erfolgsfaktor „Anzahl der zu überwindenden Grenzen“, ist auch die Relevanz des abzubildenden Prozesses von hoher Bedeutung. So bekam in den zitierten Beispielen das Portalprojekt durch die Abbildung eines neuen strategischen Unternehmensprozesses zusätzlichen Schub.

Hier zeigt sich erneut die bekannte Tatsache, dass neue Technologien alleine keine Werte schöpfen. Auf Technologie gebaute Strategien bleiben im Unternehmensalltag stecken. Erst die konstruktive Verschränkung von neuen technologischen Möglichkeiten mit innovativen Businessprozessen schafft Wertschöpfung.

Das es sich in den Beispielen um „grenzüberschreitende“ Prozesse handelt, ist kaum verwunderlich. Prozessoptimierung ist seit vielen Jahren die Schlüsseldisziplin um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Naturgemäß hat man sich dabei den „low hanging fruits“ zugewandt und zunächst die Optimierung innerhalb eines Prozesses oder einer Abteilung vorangetrieben. Diese Potentiale sind aber mehr und mehr ausgeschöpft.

Die zusätzlichen Potentiale liegen nun in der Optimierung der grenzüberschreitenden Prozesse. Erfolgversprechender sind heute ganzheitliche, übergreifende Ansätze wie End-to-end-Prozesskettenoptimierung oder kollaborative Wertschöpfungsansätze. Auch aus diesem Grund ist also zu erwarten, dass die Bedeutung von Einkäuferportalen zunehmen wird.

Relevanzanalyse für den Einsatz eines Portals

Fasst man die beschriebenen Erfolgsfaktoren in einer Darstellung zusammen, erhält man ein Analysetool, dass eine schnelle Entscheidungshilfe zur Relevanz einer Portallösung für die Beschaffungsorganisation bereitstellt. Wie eingangs erwähnt, sind mit einer Portal-Implementierung Zeit und Kosten verbunden. Dieses Investment muss auf CPO/CIO Level sorgfältig, aber zügig mit dem erwarteten Nutzen abgewogen werden. Es empfiehlt sich daher nach einer detaillierten Analyse den im Portal abzubildenden Prozess hinsichtlich der beiden Faktoren „Anzahl der zu überwindenden Grenzen“ und „Grad der strategischen Relevanz“ einzuordnen. Die beiden Faktoren sind in der folgenden Abbildung miteinander verknüpft dargestellt:

Aus der Einordnung des untersuchten abzubildenden Prozesses in diese Matrix lässt sich eine Handlungsempfehlung ableiten.
– Einordnung in den rechten oberen Quadranten: Der untersuchte Prozess ist durch eine komplexe Systemlandschaft und/oder durch viele organisatorische Grenzen gekennzeichnet. Weiterhin ist der im Portal abzubildende Prozess ein Kernprozess und damit strategisch relevant. Der Einsatz eines Portals ist empfehlenswert

– Einordnung in den linken unteren Quadranten: Der untersuchte Prozess bewegt sich zum einen in einer übersichtlichen Umgebung hinsichtlich der Anzahl der Systeme und involvierten Organisationseinheiten. Zum anderen hat der für das Portal relevante Prozess nur eine geringe Bedeutung im Unternehmen. Der Einsatz eines Portals bietet in diesem Fall keinen relevanten Nutzen.

– Einordnung in den linken oberen oder rechten unteren Quadranten: Die Konstellation der beiden Faktoren lässt keine eindeutige Empfehlung für oder gegen ein Portal zu. Die Situation muss detailliert untersucht und fallweise entschieden werden, insbesondere unter Berücksichtigung des geplanten Investments.

Akzeptanz wird nicht automatisch erreicht

Hat man nun mit der beschriebenen Relevanzanalyse geeignete Prozesse identifiziert, sind aber die Schwierigkeiten für ein Einkäuferportal noch nicht überwunden. Wie bereits beschrieben, leiden Portale häufig unter Akzeptanzschwierigkeiten. Das neue Portal wird als Fremdkörper empfunden, seine besonderen Fähigkeiten gar nicht genutzt. So war in einem der Beispiele schon längere Zeit eine SSO-Funktion verfügbar, trotzdem meldeten sich eine große Zahl von Nutzern noch jeden Morgen nacheinander an ihren verschiedenen IT-Systemen an. Generell muss auch die Einführung eines Einkäuferportals als Changeprojekt begriffen und entsprechend gemanaged werden.

Allerdings erlauben die Besonderheiten eines Portals mit leichten Mitteln wirkungsvolle Unterstützung zu geben.

Bei einem Automobilhersteller wurden nach Einführung des Portals verschiedene Nutzungsanalysen durchgeführt. Dabei ergab sich, dass neben den wichtigen Kernprozessen, vor allem auch einfache Unterstützungstools wie:
– ein Währungsrechner,
– ein Wörterbuch / die Verlinkung auf die Übersetzungsseite leo.org
von den Anwendern besonders wertgeschätzt wurden. Diese einfachen Tools machten das Portal besonders alltagstauglich und sorgten für eine deutlich erhöhte Akzeptanz des neuen Einkäuferportals.

Akzeptanz wird des Weiteren wirkungsvoll erreicht, wenn das Portal Zusatzinformationen liefert, die in derart einfacher und aggregierter Form nur dort zu erhalten sind. Beispielhaft seien hier personalisierte Berichte genannt, wie KPI-Reports, oder die Anzeige des unternehmensweiten Status (Klasse) der Lieferanten (Preferred Supplier, Blacklisted Supplier etc).

Ein weiterer Schlüssel zur Akzeptanz ist natürlich auch die Beachtung durch das Management. Bei dem bereits zitierten Automobilhersteller wurde als zweiter Schritt mit der Bestellung von Geschäftsfahrzeugen ein Prozess, der für die meisten Manager von persönlicher Bedeutung ist, auf das Portal verlegt. Dadurch bekam das Einkäuferportal hohe Management-Beachtung und zwang das gesamte Führungspersonal zur intensiven Beschäftigung mit dem Portal. Die gesamte Führung des Unternehmens war in kurzer Zeit in der Lage das Portal zu benutzen, kannte die Fähigkeiten der Lösung und war so in der Lage als Change Agent tätig zu werden.

Es sei allerdings nicht verschwiegen, dass bei einer schlechten Qualität der aufgebauten Lösung (z. Bsp. schlechtes Antwort-Zeit-Verhalten) dieses Vorgehen auch den gegenteiligen Effekt haben kann. In diesem Fall wird die Einführung im besten Fall stark gestört, wenn nicht gar gänzlich verhindert.

Schlussfolgerung und Empfehlung

Zusammenfassend kann die eingangs gestellt Frage also mit „Ja“ beantwortet werden. Die Anfangs beschriebenen Schwierigkeiten bei der Einführung von Portalen haben Ihre Ursache nicht darin, dass Einkäuferportale gänzlich ungeeignet sind, sondern zeigen vielmehr, dass eine genaue Kenntnis der Stärken und Schwächen von Portallösungen und eine Analyse der eigenen Zielsetzung Voraussetzung für ein erfolgreiches Einkäuferportal sind.

Insbesondere die Notwendigkeit im Einkauf grenzüberschreitend vorzugehen, egal ob es das eigene Unternehmen, die eigenen Abteilung oder die IT-Applikationslandschaft betrifft, prädestiniert die Beschaffung für den Einsatz eines eigenen Einkäuferportals.

Die vorgestellte Relevanzanalyse hilft dem CPO abzuschätzen, ob für die Annahme einer Herausforderung das Einkäuferportal ein geeignetes Tool darstellt.

Sorgt man dann noch wie beschrieben für eine hohe Alltagstauglichkeit des Portals und bringt die notwendige Management Beachtung zuwege, wird die Einführung des Einkäuferportals zu einer Erfolgsgeschichte.

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