eProcurement-Lösung für den Mittelstand

Die elektronische Beschaffung über das Internet – so eine Studie des US-amerikanischen Institute for Supply Management (ISM) und des Marktforschungsunternehmens Forrester Research – ist weltweit auf dem Vormarsch. Nach den Konzernen und Großunternehmen richtet sich das Augenmerk der Anbieter inzwischen zunehmend auf den Mittelstand. Ein Fallbeispiel.

Die Gründe dafür, warum bisher fast ausschließlich international aufgestellte Firmen von der Beschaffung über das World Wide Web profitierten, sind vielfältig. Einer der wichtigsten ist aber wohl der, „dass sich diese Unternehmen in einer weitaus günstigeren Position befinden, wenn es darum geht, die passenden Lösungen zu realisieren und ihre Zulieferer zu einer Teilnahme zu motivieren“, wie Andrew Bartels, Analyst bei Forrester Research, konstatiert. Mittelständler – so seine Einschätzung – verfügen meist nicht über die nötigen Druckmittel, um ihre Zulieferer einzubinden. Doch ohne eine solche Integration nützt das beste eProcurement-System nichts“, so der Experte.

Dass es aber auch anders geht und auch Mittelständler ab einer bestimmten Größe durchaus von elektronischen Beschaffungslösungen profitieren können, zeigt das Beispiel des Automobilzulieferers ThyssenKrupp Bilstein in Ennepetal. Rund 2.200 Mitarbeiter in vier Werken fertigen hier täglich über 40.000 Stoßdämpfer für so renommierte Kunden wie DaimlerChrysler, General Motors, Jaguar, Porsche oder Maserati.

Zwar gehört das Unternehmen zum ThyssenKrupp Konzern, doch als eigenständiges Profit-Center ist es für seinen Einkauf selbst verantwortlich. Und so liefen die Beschaffungsprozesse bei Bilstein in der Vergangenheit ähnlich ab, wie bei vielen anderen Mittelständlern auch: Anforderungszettel ausfüllen, genehmigen lassen, an den Einkauf weiterleiten, Anfragen tippen, Angebote prüfen, Bestellungen schreiben, abzeichnen. „Am Ende überstiegen die Prozesskosten dann häufig den Wert der bestellten Waren“, wie sich Rainer Kochanski, Leiter Einkauf bei Bilstein, erinnert. Denn: Auf Grund der Vielzahl an manuellen Zwischenschritten seien pro Beschaffungsvorgang rund 100 Euro an Kosten angefallen.

Senkung der Transaktionskosten
Um hier Abhilfe zu schaffen, entschloss sich der Stoßdämpfer-Spezialist deshalb vor drei Jahren, die Beschaffung von Hilfs- und Betriebsstoffen mit Hilfe der ThyssenKrupp e.Procurement-Plattform zu optimieren. Bereitgestellt wurde die Lösung vom Krefelder IT-Service-Provider Triaton GmbH, der sich auf dieses Thema spezialisiert hat. Und so unterscheiden sich die Bestellvorgänge bei Bilstein heute erheblich von denen vor drei Jahren. Über die eProcurement-Lösung erhalten die Bedarfsträger nun unmittelbaren Zugriff auf verschiedene Lieferantenkataloge und die benötigten Waren werden – wie im Supermarkt – in einen elektronischen Einkaufskorb gelegt. Die Bestellung lässt sich direkt online an den Lieferanten übermitteln. Überschreitet das Einkaufsvolumen bestimmte Wertgrenzen, findet automatisch die Prüfung einer möglichen Aktivierung im maximal einstufigen Genehmigungsverfahren statt. Der gesamte Beschaffungsprozess endet mit der Bestätigung des Wareneingangs und der Rechnungszahlung.

Die Bilanz des neuen Beschaffungssystems kann sich sehen lassen: Innerhalb von nur 15 Monaten ist es Bilstein gelungen, die Zahl seiner Zulieferer im C-Güter-Bereich um 20 Prozent zu senken und außerdem brachte der Mittelständler alle 74 Wunschlieferanten dazu, ihre elektronischen Kataloge in das neue Beschaffungssystem zu integrieren. „Außerdem sind die Transaktionskosten um ein Viertel gesunken und wir konnten die durchschnittliche Prozesslaufzeit von acht auf insgesamt drei Tage verkürzen, was zu deutlichen Bestandsreduzierungen geführt hat“, nennt Kochanski weitere Vorteile.

Gleichzeitig stieg die Beschaffung von kostengünstigeren Standardartikeln, Off-Contract-Bestellungen finden nicht mehr statt. Heute werden monatlich rund 600 bis 700 Bestellungen über die ThyssenKrupp e.Procurement-Plattform abgewickelt. Und neben der Zeit- und Kostenersparnis gibt es noch einen weiteren Vorteil: Durch die effizientere Abwicklung der Bestellvorgänge sind im Einkauf personelle Ressourcen für strategische Aufgaben frei geworden. Konkret bedeutet dies, dass die Mitarbeiter von operativen Tätigkeiten entlastet werden, und sich wieder stärker auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können.

Katalogplattform von Poet Software und nahtlose Integration in SAP R/3
Technische Basis für das Content-Management bei der e.Procurement-Plattform ist die Lösung Poet eSupplier Solutions der Hamburger Poet Software GmbH. Die Zulieferer können damit ihre Kataloge in Eigenregie aktualisieren und die jeweils neueste Version für das Beschaffungssystem im Self-Service-Modus zur Verfügung stellen. Dazu sind sie über einen Web-Browser an die Katalogplattform angeschlossen und nutzen deren umfangreiche Katalogmanagement-Funktionen, wie z. B. das regelbasierte Katalog-Clearing, das Zuordnen von Produkten zu Warenklassifikationssystemen oder das direkte Versenden von Katalog-Updates.

Über einen automatisierten Workflow gelangt der erstellte Katalog dann zur Freigabe an den zuständigen Einkäufer. „Durch regelbasierte Kontrollen wird dabei der Prüfaufwand für diesen Personenkreis wesentlich reduziert“, sagt Robert Helgerth, Senior Vice President bei der Poet Software GmbH. Gleichzeitig unterstütze die Plattform so das konzernweite Lead-Buyer-Konzept der ThyssenKrupp AG. In dessen Rahmen wird für jede Bedarfsgruppe – wie zum Beispiel Informationstechnik, Pneumatik- oder Hydraulikkomponenten – von einem so genannten „Lead Buyer“ zentral mit den Lieferanten ein Konzernrahmenvertrag ausgehandelt.

„Die Lead Buyer nehmen dabei strategische Aufgaben für ihre Bedarfsgruppen wahr, entwickeln und implementieren konzernweite Einkaufsstrategien, tragen zur Volumenbündelung bei, definieren in Zusammenarbeit mit den technischen Abteilungen Standards und erheben die konzernweiten Bedarfe“, fasst Toni Faas vom Zentralbereich Materialwirtschaft der ThyssenKrupp AG das Konzept zusammen. Auf Basis der ausgehandelten Konzernrahmenverträge werden die elektronischen Produktkataloge auf der Beschaffungs-Plattform zur Verfügung gestellt, die dann für das gesamte Unternehmen gültig sind.

„Mit Hilfe der Katalogplattform wollen wir sowohl unsere Lieferanten als auch unsere derzeit 35 Lead Buyer und die zahlreichen Bedarfsträger optimal unterstützen“, erläutert der Projektverantwortliche für das eProcurement-System bei der ThyssenKrupp AG. Nachdem die einzelnen Kataloge der Zulieferunternehmen von den zuständigen Einkäufern geprüft und freigegeben sind, können sie unternehmensweit genutzt werden. Ein spezielles Modul visualisiert die Kataloge und bietet dem Anwender am Arbeitsplatz eine komfortable Such- und Warenkorbfunktionalität. Kataloge verschiedener Hersteller werden zu so genannten Mehrlieferantenkatalogen aggregiert und dann individuell für verschiedene Unternehmenszweige und Sprachen aufbereitet.

Damit die Anwender am Arbeitsplatz leicht und fehlerfrei in den Katalogen suchen und ihre Warenkörbe füllen oder bestellen können, verwenden sie den Enterprise Catalog (EC) von Poet. „Dabei handelt es sich um eine komfortable Suchmaschine, die den Such- und Bestellvorgang beim Bedarfsträger optimal unterstützt“, erläutert Robert Helgerth. Über die Schnittstelle SAP OCI 3.0 ist der Enterprise Catalog nahtlos in das Beschaffungssystem integriert. Dessen Komponente „Enterprise Buyer Professionals“ (EBP) ist die webbasierte eProcurement-Lösung von SAP für den Einkauf, mit der sämtliche webbasierte Aktivitäten der Beschaffung – angefangen von Bedarfsanforderungen bis hin zur Bezahlung von Rechnungen – abgedeckt werden können.

Die Bestellnachricht wird direkt aus dem EBP-System oder dem unternehmenseigenen R/3 über eine leistungsfähige und standardisierte Middleware von SAP an den Lieferanten übermittelt, der die Bestellinformationen somit sofort in sein Auftragsmanagementsystem übernehmen kann. „Da auch viele Lieferanten ihr Auftragsmanagement mit SAP R/3 realisiert haben, kann eine Anbindung an die webbasierte Bestellabwicklung des Kunden problemlos und ohne Medienbrüche erfolgen“, sagt Peter Schlemmer, Leiter Produktvertrieb SRM bei der SAP AG in Walldorf. Der notwendige Implementierungsaufwand sei dabei sehr gut kalkulierbar.

Ausbau der Lösung ist bereits geplant
Auf Basis der definierten SRM-Releasestrategie von SAP sind zukünftig denn auch weitere gemeinsame Szenarien geplant. So ist zunächst an ihre Ausdehnung auf die Beschaffung von direkten Materialien gedacht. Dabei handelt es sich um Rohstoffe, die unmittelbar zur Produktion in einem Unternehmen verwendet werden – wie z.B. bestimmte Komponenten bei einem Automobilzulieferer. Auch für diesen Bereich soll es in Zukunft einen automatisierten Bestellabwicklungsprozess und einen Beleg-/Dokumentenaustausch auf sicherer technischer Basis über einen „Supplier Hub“ geben.

„Im zweiten Schritt wollen wir dann einen globalen Roll-Out der e.Procurement-Plattform durchführen“, blickt Toni Faas in die Zukunft. Denn der Konzern ist in mehr als 70 Ländern der Erde aktiv und erwirtschaftet 65 Prozent seines Umsatzes mit Kunden außerhalb Deutschlands. Knapp die Hälfte aller Mitarbeiter ist zudem im Ausland beschäftigt. Zu den Schwerpunktregionen, in denen das elektronische Beschaffungssystem mit lokalem Content zunächst zum Einsatz kommen soll, gehören Großbritannien, die USA, Italien, Frankreich, Spanien/Portugal und Brasilien.

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