eProcurement-Systeme im Einsatz

Die Vorteile der elektronischen Beschaffung liegen auf der Hand: Erhöhte Produktivität, reduzierte Fehlerquellen, und die Daten können ohne Medienbruch in das ERP-System eingebunden werden. Doch wie sieht der Vorgang in der Praxis aus? Ein Fallbeispiel.

Im Medizinbereich hat sich in den letzten Jahren vor allem das Marktplatz-Konzept etabliert. Kein Wunder, immerhin sprechen eine schnelle Anbindung, das mittlerweile umfangreiche Angebot und die leichte Erreichbarkeit rund um die Uhr für dieses Konzept. Trotzdem hat sich das Uniklinikum Ulm für ein im Haus gelagertes eProcurement-System entschieden. Grund: Die Anforderungen des Klinik-Einkaufs gingen über die reine Bestellung per Mausklick hinaus. Bei der Entscheidung standen in Ulm eine tiefe Integration in Systemlandschaft und Arbeitsorganisation sowie die Bewältigung zukünftiger Aufgaben wie beispielsweise die Umsetzung des DRG-Gesetzes im Vordergrund.

„Als wär´s schon immer da gewesen“
Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass eine tiefe Integration der elektronischen Beschaffung in die bestehenden Strukturen maßgelblicher Faktor für ein erfolgreiches eProcurement ist. Die für die Bestellung benötigten Daten können direkt aus dem ERP-System eingespeist werden, getätigte Order können an Finanzbuchhaltung und Materialwirtschaft weiter gegeben werden. Dies macht eine Auswertung der Informationen – beispielsweise für strategische Einkaufsentscheidungen – erst möglich.

Darüber hinaus muss die bereits vorhandene Organisation nicht auf ein neues System angepasst werden, im Gegenteil: krankenhaus-interne Abläufe wie beispielsweise die Arbeit mit Scannersystemen im Lager und auf Stationen, die Berücksichtigung von Artikelsperrlisten und die Unterstützung des 3-Schicht-Systems können mit eProcurement-Systemen abgebildet werden. Ein Beispiel: Die Frühschicht stellt fest, dass ein Artikel nicht mehr vorrätig ist und bestellt diesen nach. Die nachfolgende Schicht stellt diese Versorgungslücke ebenfalls fest und ordert den Artikel nochmal! Um solche Doppelbestellungen zu vermeiden, kann das eProcurement-System eine Warnung ausgeben, mit genauer Zeitangabe, wann das Medikament in welcher Menge bereits bestellt worden ist und wann die Ware wahrscheinlich eintrifft.

Für DRG’s gewappnet
Ab 2004 tritt das DRG-Gesetz in Kraft. Wer sich derzeit nach einem geeigneten eProcurement-System umschaut, sollte deshalb auch darauf achten, dass die fallbezogene Kontierung unterstützt wird. Protesen, Blutplasma & Co. können in vielen Systemen zwar auf Kostenstellen gebucht, nicht aber einzelnen Patienten zugeordnet werden. Eine frühzeitige Umstellung im Einkauf kann die praktische Umsetzung des Fallpauschalen-Preissystems erleichtern.

Uniklinikum Ulm: Freiheit bei der Lieferantenwahl
Ein weiterer großer Vorteil von eProcurement-Systemen im Vergleich zum Marktplätzen ist das Einbinden kundenspezifischer Preise. Mit anderen Worten: Gestern individuell verhandelte Preise können morgen schon für alle Bestellungen gelten. Zudem kann sich der Einkauf seine Lieferanten selbst aussuchen. Neben den Zulieferern und Herstellern, die in keinem Klinik-Einkauf fehlen dürfen und können, gibt das System zusätzlich die Freiheit, Lieferanten auszusuchen.

„Aus diesem Grund haben wir uns für einen Anbieter entschieden, der rund 400 Lieferanten in seinem Portfolio führt und unsere lokalen Zulieferer ebenfalls anbinden kann.“ erläutert Hans Hoot, Leiter Materialwirtschaft beim Uniklinikum Ulm, die Entscheidung für ein Inhouse-System.

Ende 2001 war das Uniklinikum der erste SAP-Kunde aus dem Medizinbereich, der seine Beschaffungsprozesse mit dem eProcurement-System aus Walldorf ausgestattet hat. Das Ziel des Projektes: Durch das Re-Engineering sollten eine Optimierung der Geschäftsprozesse im Einkauf, eine Vereinfachung der Bestellprozesse und daraus resultierend Zeit- und Geldeinsparungen erreicht werden.

Heute bestellen rund 150 Mitarbeiter der Uniklinik vom Arbeitsplatz aus ihren gelisteten Bedarf. Die hauseigene Logistik gewährleistet eine schnelle Kostenstellenbelieferung. Die Bestellungen werden im Intranet des Klinikums über das Backend-System an den Lieferanten gesendet. Nicht gelistetes Material können die Mitarbeiter als Bestellanforderung an die Einkaufsabteilung weiter leiten. „Immerhin soll die Zeitersparnis bei der Bestellung nicht durch surfen im Internet wieder zunichte gemacht werden“, erklärt Hoot. In der Kataloglösung catbuy von wallmedien liegen derzeit mehr als 10.000 Artikel zur Bestellung bereit – und es sollen mehr werden. „Derzeit sind vor allem Lieferanten aus den Bereichen Labor, Zahnmedizin und Büro angebunden. Wir versuchen aber mit so vielen Lieferanten wie möglich eProcurement zu betreiben, um die Einsparungen noch zu erweitern und für mögliche Kooperationen mit anderen Kliniken vorzubauen.“

Jede Transaktion bedeutet Ersparnis!
Jede Bestellung über ein eProcurement-System bedeutet eine effektive Kostenersparnis gegenüber traditionellen Prozessen. Die Prozesskosten für die Bestellung eines Artikels können durch das eProcurement-Verfahren auf bis zu 30% reduziert werden. Sind viele Produktgruppen im System hinterlegt, können die Mitarbeiter nahezu ihren gesamten Bedarf per Mausklick bestellen. Der gleiche Prozess, bei dem auf einem Marktplatz Gebühren anfallen, ist also beim Einsatz von eProcurement-Systemen ein weiterer Schritt Richtung Amortisation. Der Unterschied besteht lediglich in den Einstiegskosten. Die sind beim Inhouse-Konzept sehr hoch, können sich aber bei einer guten Auslastung innerhalb von 1-2 Jahren amortisieren. Demgegenüber bleiben die laufenden Kosten für eine Marktplatznutzung jederzeit bestehen.

Einkaufskooperationen ermöglichen weitere Einsparungen
Die Studie “European Physicians and the Internet“ der Boston Consulting Group, aus dem Jahr 2002 bestätigt, dass mehr als 50% der Ärzte an einer Kostenersparnis und Verwaltungsoptimierung durch IT-Systeme interessiert sind. Die Mehrheit würde eProcurement betreiben, wenn die Einsparungen gegenüber den herkömmlichen Bestellwegen mindestens 10% ausmachten. „Diese Zahl ist mehr als realistisch.“, meint Hoot. „Durch die Verkürzung der Durchlaufzeiten und die Reduzierung von Fehlbestellungen erwarten wir enorme Einsparungen.“ Natürlich muss der ‚herkömmliche Bestellweg’ in solchen Rechnungen ebenfalls berücksichtigt werden. Ist die Bestellabwicklung bereits bis auf ein Maximum optimiert worden, sind die Einsparungen durch eProcurement geringer. Zum Vergleich: Die Continental Teves AG hatte vor der Integration des neuen Procurement-Systems bereits ein Purchase Card-Verfahren im Einsatz. Die neu gewonnenen Einsparungen im Prozesskostenbereich waren demzufolge minimal. Trotzdem konnte der Einkauf durch die Umstellung weitere Einsparungen umsetzen und somit einen direkten Effekt auf den Umsatz des Unternehmens realisieren.

Die beim Uniklinikum Ulm eingesetzte Kombination aus SAP- und wallmedien-Lösungen bietet neben den oben genannten Vorteilen auch die Möglichkeit, Einkaufskooperationen (Private Exchanges) zu bilden. Luzius Ruppert, Schweizer Berater für Beschaffungsmanagement, drückt den Vorteil von Kooperationen in einem Satz aus: „Wer mehr Nachfragemacht hat, kauft günstiger ein.“ Ruppert zufolge ergeben sich durch eine unternehmens/institutionsübergreifende Einkaufskooperation Einsparungen von bis zu 15%. Kombiniert man dieses Einsparpotenzial mit einem elektronischen Beschaffungssystem, sind die von Ärzten gewünschten 10% in jedem Fall zu erreichen. „Das Uniklinikum hat bereits mit der SANA Kliniken GmbH einen Kooperationsvertag im Einkaufsbereich geschlossen, und zwar über alle Produktgruppen hinweg.“, so Hoot.

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