Wissen ist das einzige Gut, das sich durch Teilen vermehrt. Doch viele Unternehmen ahnen gar nicht, was sie alles wissen. Eine Tatsache, die sich mitunter als schwerwiegender Fehler erweisen kann.
Die Kenntnisse, Ideen und Fähigkeiten der eigenen Mitarbeiter sind Unternehmen oftmals gar nicht bekannt. So werden nicht selten Probleme und Aufgaben, die früher bereits an anderer Stelle im Unternehmen erfolgreich gelöst bzw. bearbeitet wurden, immer wieder aufs Neue angegangen. Kapazitäten werden dabei gedankenlos verschleudert. Darüber hinaus ist in vielen Unternehmen das Ausscheiden eines Mitarbeiters zumeist auch mit einem entsprechenden Know-how-Verlust verbunden. Hier versprechen Knowledge Management-Systeme Abhilfe, in denen Wissen gesammelt, archiviert und anschließend allen Mitarbeitern ein dauerhafter und schneller Zugriff auf alle wichtigen Informationen ermöglicht wird.
Knowledge Management: lesen, speichern und vergessen?
Konnte man Anfang der 90er Jahre noch froh sein, überhaupt eine Festplatte zum Speichern zu besitzen, bekommen Mitarbeiter heute aus den firmeneigenen IT-Abteilungen häufig zu hören „Speicher kostet nichts mehr“. Auf den ersten Blick sicherlich eine sehr positive Entwicklung. Jedoch verleitet das Vorhandensein großer Speicherreserven auch schnell dazu, Informationen nicht mehr zu selektieren, sondern alles mehr oder minder wahllos zu archivieren. Allzu oft fehlt es in diesen Unternehmen an der Einsicht, dass die Informationen selbst zu den wichtigsten Produkten im Hause gehören. So werden die virtuellen Lagerflächen des eigenen Data Warehouses ohne konkreten Plan und Bedacht befüllt, was eine spätere Nutzung nicht selten unnötig erschwert oder gar unmöglich macht.
Warum der Einsatz von Knowledge-Management-Systemen?
Mehr Information bedeutet nicht automatisch mehr Wissen. So sind zwar mittlerweile viele Unternehmen zu wahrhaftigen Wissensriesen geworden, in der gewinnbringenden Verwertung ihres oft verteilten Know-hows gleichen sie jedoch eher Zwergen. Es fehlt am Wissensmanagement (Knowledge Management). Es gilt Informationen nicht nur zu finden, sondern auch zu selektieren, organisieren und in einer verständlichen Form zu präsentieren und so anschließend auch zu sichern. Heute sollte das Wissen nicht mehr ausschließlich an einer Stelle im Unternehmen präsent sein, sondern via Intranet und Extranet überall im Unternehmensnetzwerk verfügbar gemacht werden. Dabei versprechen Knowledge Management-Systeme Hilfe. Sie bestehen in der Regel aus einer Vielzahl von Einzelkomponenten wie etwa Groupware-Lösungen, Content-Management, Workflow-Management, Data Warehouse, Informationsportale etc. Die Produktvielfalt ist dabei fast genauso groß wie die Liste der Anbieter. Zu den bekanntesten Anbietern von KM-Systemen gehören laut IfeM-Studie u.a. Autonomy, Cognos, Gauss Interprise, Hyperware, IDS Scheer, Opentext, U.S.U und SER Systems. Ein eindeutiger Marktführer ist heute jedoch noch nicht auszumachen.
Wer setzt Knowledge Management-Systeme ein?
Zwar prognostizieren viele Analysten, dass der Einsatz von Knowledge Management-Systemen bereits in naher Zukunft ein beträchtliches Wachstum verzeichnen wird, doch verhalten sich viele Unternehmen zurzeit noch zögerlich. Was sich schon bald ändern sollte. So hat die META Group in ihrer Mitte Oktober erscheinenden Studie „Der Markt für Knowledge Management in Deutschland“ mehr als 200 repräsentativ ermittelte Anwenderunternehmen befragt. Die Ergebnisse belegen, dass sich die Nachfrage professioneller Dienstleistungen und Produktlösungen aus diesem Bereich drastisch erhöhen wird. Demnach soll Knowledge Management in den nächsten Jahren einen sehr hohen Stellenwert in den Wertschöpfungsprozessen einnehmen. So haben auch über 45 Prozent der befragten Unternehmen ein entsprechendes Projekt aufgesetzt oder befinden sich zurzeit in der Planungsphase dazu. Dagegen kommen die Unternehmensberater von KPMG in einer Befragung von 1.300 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu dem Ergebnis, dass nur die wenigsten bereits heute ein wirklich funktionsfähiges System für Wissensmanagement auch in geschäftsrelevante Bereiche integriert haben. Doch wäre es vermessen, die zögerliche Implementierung von Knowledge Management-Systemen allein auf die IT-Abteilungen in den Unternehmen zu schieben. Schließlich steht und fällt erfolgreiches Wissensmanagement mit der Akzeptanz bei den Mitarbeitern, weiß Christian Petschke, verantwortlicher Partner für den Service Knowledge Management bei der KPMG Consulting AG, zu berichten.
Die Erwartungen an Knowledge Management
In Zukunft werden auf Mitarbeiter immer komplexere Anforderungen zukommen. Hier versprechen die neuen Informationstechnologien zumindest Arbeiten wie das Erfassen, Kategorisieren, Weiterleiten oder Auffinden von Daten und Informationen zu unterstützen. Auch soll laut Petschke der Austausch von Wissen und Information über Unternehmensgrenzen hinweg dann zum Alltag gehören. Dementsprechend erwartet man momentan von Knowledge Management in erster Linie, das der Umgang mit Wissen und Information verbessert wird:
Die Knowledge Management-Barrieren
Die KPMG-Studie belegt darüber hinaus, dass die Barrieren bei der Einführung von Knowledge Management auf den verschiedensten Ebenen liegen: Neben organisatorischen Problemen („keine Zeit“) werden kulturelle Hürden (mangelnde Bereitschaft, eigenes Wissen zu teilen oder fremdes Wissen zu nutzen), strategische (keine klaren Wissensziele) oder informationstechnische Probleme (Schwächen der IT) angeführt. So scheinen einige Geschäftsführer auch etwas Unbehagen bei dem Gedanken zu verspüren, dass das gesammelte Unternehmens Know-how an zentraler Stelle vorzufinden ist.
Während man Mitarbeiter sicher vergleichsweise einfach dazu ermutigen kann, die eigenen Erfolge dem Rest des Unternehmens zu schildern, dürfte es sich als weitaus schwieriger darstellen, gemachte Fehler zu publizieren. Dabei ist besonders das Lernen aus negativen Erfahrungen wertvoll, denn wie z.B. ein Erfahrungsbericht der Plato AG zeigt, sind etwa 60 Prozent der im Unternehmen auftretenden Fehler Wiederholfehler. An dieser Stelle ist ein Umdenken notwendig, da nur die detaillierte Schilderung von Fehlern auch zur zukünftigen Fehlervermeidung beiträgt.
Knowledge Management wird zur Chefsache
Während im vergangenen Jahr gerade einmal 15 Prozent aller Unternehmen die Einführung von Wissensmanagement zur Chefsache erklärten, äußerten in einer im Mai 2001 vom Kölner Institut für e-Management durchgeführte Online-Umfrage bereits 49 Prozent der befragten Unternehmen, dass bei ihnen der Vorstand über die Implementierung von Knowledge Management entscheidet. Und dabei scheinen sich auch in zunehmendem Maße KMUs mit dem Thema zu beschäftigen, denn immerhin 62 Prozent der befragten Unternehmen haben weniger als 500 Mitarbeiter. Zwar ist man in kleinen und mittleren Betrieben in der Regel noch weit davon entfernt ein ganzheitliches Wissensmanagement-System zu implementieren, doch zeigt eine Auflistung von Erfahrungsberichten des Projektes KluG, dass auch hier erfolgreiche Lösungen existieren.
Sind Anreizsysteme notwendig?
Das beste KM-System wird sich nicht rentieren, wenn die Mitarbeiter nicht bereit sind, ihr Wissen preiszugeben. Knowledge Management setzt jedoch die aktive Kommunikation und das Teilen von Fachwissen voraus. Individuelle Anreize können hierbei eine wichtige Rolle spielen. Dennoch ist zur Motivation der Mitarbeiter in dieser Frage bei weniger als 30 Prozent der KM-Anwenderunternehmen die Einführung von Anreizsystemen vorgesehen. Zu diesem Ergebnis kommen die Analysten der META Group in ihrer jüngsten Untersuchung.
Dabei dürften die größten Bedenken der Mitarbeiter sein, dass die eigene Position nach „Preisgabe“ des persönlichen Know-hows leicht zu ersetzen ist bzw. überflüssig werden könnte. Diesen Bedenken kann entgegen gewirkt werden, indem man eine Art Wissenskreislauf im Unternehmen anstößt. Für das Bereitstellen des eigenen Wissens wird der Mitarbeiter wiederum durch zusätzliche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten immateriell entlohnt und wird so wiederum wertvoller fürs Unternehmen. Ebenso sollten individuelle Leistungen als solche auch für die Kollegen zu erkennen sein. Hier sind beispielsweise Statistiken bzw. Rankings über das Einstellen von Beiträgen ein mögliches und probates Mittel. Daneben bieten sich natürlich auch „handfeste“ monetäre Anreize an. Ein eben solches Anreizsystem hat z.B. auch die Siemens AG in ihre Wissensplattform ShareNet implementiert. Hier versucht man die Mitarbeiter durch ein ausgeklügeltes Belohnungssystem für gegebene Antworten zum Wissensaustausch zu ermutigen.
Fazit
Spätestens wenn die eigenen Mitarbeiter im Unternehmen nicht mehr wissen, was der andere eigentlich macht und wo seine Kompetenzen liegen, wird der Einsatz von Knowledge Management notwendig. Doch leider driften hier wieder einmal Theorie und Praxis ein gutes Stück weit auseinander. In der Regel müssen nämlich erst einmal die Wissensbarrieren im Unternehmen erkannt und anschließend abgebaut werden. Eine häufig sehr arbeitsintensive Aufgabe, die viel Fingerspitzengefühl verlangt.