eCommerce aus Lieferantensicht: erst überlegen, dann handeln

Möglichkeiten zur Verbesserung der Verkaufsprozesse gibt es viele. Doch nicht alles, was technisch möglich ist, macht wirtschaftlich Sinn. Um Fehlinvestitionen zu vermeiden, sollte der erste Schritt vor dem Einsatz einer eCommerce Lösung eine individuelle Bestandsaufnahme und eine genaue Zielsetzung der Internet-Vertriebsstrategie sein.

Der Einsatz von eCommerce Technologien im Business-to-Business-Bereich (B2B) bietet Lieferanten vielfältige, oft unüberschaubare Möglichkeiten, ihre Verkaufsprozesse mit Kunden zu verbessern und den Umsatz zu steigern. Doch Unternehmen, die bereits den Online-Verkauf auf ihrer Webseite anbieten, stellen schnell fest, dass ein Web User Interface nur die Spitze des Eisbergs ist, wenn es um erfolgreiches und effektives Verkaufen für Lieferanten geht. Der erste Schritt vor dem Einsatz einer eCommerce-Lösung sollte daher eine individuelle Bestandsaufnahme und eine genaue Zielsetzung der Internet-Vertriebstrategie sein.

Klassische Aussagen, die immer wieder von Lieferanten zu hören sind, die sich bereits seit einiger Zeit mit eCommerce-Initiativen befassen, lassen sich wie folgt zusammenfassen: „Es ist sehr einfach, eine Webseite mit Buttons zu bauen, über die etwas verkauft wird – aber ein komplettes Backend und eine Integration in die Systeme von Kunden aufzubauen, ist eine ganz andere Herausforderung.“

Für viele Lieferanten stellt sich zunächst die Frage, welche Kunden sie wie am besten bedienen. Für den Vertriebskanal „Internet“ bedeutet das die Wahl zwischen einem Online-Shop und einer Integration in Beschaffungssysteme und Marktplätze über elektronische Kataloge. Generell gilt: Für Kaufentscheide, die vom Anwender individuell und kurzfristig getroffen werden, ist ein Shop die bessere Wahl. Für Kaufentscheide auf Basis von unternehmensweiten Beschaffungsstrategien bei Großabnehmern eignet sich eine elektronische Kataloglösung mit Integration in die Beschaffungssysteme der Kunden besser. Da bei kaum einem Unternehmen überwiegend nur der eine Kundentyp anzutreffen ist, müssen gute B2B Sell-Side Anwendungen beide Varianten standardmäßig beherrschen.

Abbildung 1: Aus Lieferantensicht bieten sich für unterschiedliche Kundentypen verschiedene

Integration von klassischen Vertriebskanälen und -medien
Neben dem Internet als aufkommendem neuem Vertriebsmedium, wird aber immer noch ein Grossteil der Bestellungen von Kunden über klassische Medien wie Fax, Telefon oder Print-Kataloge abgewickelt. Um dem Kunden eine einheitliche, konsistente Sicht auf seine geschäftlichen Interaktionen mit dem Unternehmen zu bieten, ist es wichtig auch die klassischen Vertriebskanäle und -Medien mit in eine eCommerce Lösung zu integrieren. Oftmals liegt genau hier ein großer Spielraum für Prozessverbesserungen und Kosteneinsparungen, insbesondere für Unternehmen, die bisher schon Kataloge als Vertriebsmedium nutzen. Sie können Einsparungen beim Pflegeaufwand der Inhalte sowie bei den Produktionskosten für die klassische Katalogerstellung erreichen, indem die Produktion der Kataloge für unterschiedliche Medien wie Print und CD-ROM aus einem zentralen Redaktionssystem heraus erfolgt.

Bei der Bereitstellung von individuellen Katalogen für Großkunden und der Integration in ihre Beschaffungssysteme müssen Lieferanten aus technischer Sicht die folgenden Herausforderungen bewältigen: Sie müssen sich mit ihren Kunden auf eine oder mehrere Arten der Katalogdatenhaltung, auf Datenaustauschstandards, sowie auf Prozessabläufe, Integrationswege und -Kostentragung einigen. Für die Katalogdatenhaltung bieten sich mehrere Varianten an, die je nach Produktart und Kundenanforderung besser geeignet sind:

Lieferantenseitige Kataloghaltung
Hierbei wird der Katalog vom Lieferanten über eine Shop-Funktionalität auf seiner Website bereitgestellt. Der Einkäufer wählt also auf der Internet-Seite des Lieferanten die zu bestellenden Produkte aus, die dann als elektronische Bestellanfrage („Punch-Out“) an das Procurement-System des Lieferanten geschickt und dort weiterbearbeitet werden. Diese Variante hat folgende Vorteile:
• Die Pflege des Inhalts liegt beim Lieferanten selbst
• Die Aktualität der Daten ist sehr hoch
• Eine Online-Verfügbarkeitsprüfung ist möglich
• Die Verkaufsfunktionalität kann auf die Besonderheiten der Produkte des Lieferanten abgestimmt werden
• Für komplexe und erklärungsbedürftige Artikel werden spezielle Konfigurationsregeln und abgestimmte Suchmasken angeboten – was sinnvoll und nützlich für den Endkunden ist
• Die Infrastrukturkosten für diese Variante sind auf Kunden- und Lieferantenseite sehr niedrig

Für den Online-Käufer ist es bei diesem Vertriebsmodell ein wenig nachteilig, dass er pro Lieferant eine unterschiedliche Bedienungsoberfläche, Angebotsstruktur und -funktionalität sieht. Eine einfache Vergleichbarkeit unterschiedlicher Anbieter ist nicht möglich. Außerdem muss das Procurement System des Einkäufers „Punch-Out“ Schnittstellen wie OCI oder Ariba cXML unterstützen.

Abbildung 2: Bei lieferantenseitiger Kataloghaltung kauft der Kunde im Shop-Frontend des Lieferanten ein und bekommt die Bestellanfrage per „Punch-Out“ elektronisch übermittelt (große Ansicht)

Kundenseitige Kataloghaltung
Hierbei wird der elektronische Katalog des Lieferanten direkt in das Beschaffungssystem des Einkäufers oder eines elektronischen Marktplatzes eingespeist. Der Einkäufer kann direkt in seinem Beschaffungssystem in den aggregierten Katalogen unterschiedlicher Lieferanten suchen und bestellen. Die Bestellprozesse von der Anfrage bis zur Bestellung und Rechnung werden dabei auch über den elektronischen Datenaustausch mit unterschiedlichsten Formaten abgewickelt. So hat der Anwender eine einheitliche Artikeldarstellung und Lieferantenübergreifende Such- und Vergleichsmöglichkeiten. Zudem können Freigabeprozesse in der Beschaffung des Kunden einfacher abgewickelt werden.
Allerdings ist diese Variante bezüglich der Integration der Geschäftspartner deutlich aufwändiger. Denn sowohl beim Austausch der Kataloge wie auch bei den Transaktionsdaten wie Bestellungen, Rechnungen und mehr, müssen sich Kunde und Lieferant in detaillierten, individuellen Absprachen auf ein einheitliches Datenübertragungsformat einigen und die entsprechenden Schnittstellen bereitstellen.

Abbildung 3: Bei der kundenseitigen Kataloghaltung werden die Katalogdaten des Lieferanten regelmäßig in elektronischer Form an das Beschaffungssystem des Kunden übertragen (große Ansicht)

Eine deutliche Erleichterung beim elektronischen Datenaustausch im B2B-Bereich verbunden mit entsprechenden Kosteneinsparungen kann durch die Nutzung unternehmensübergreifender Standards für Kataloge oder Geschäftsdokumente erzielt werden.

So hat BMEcat, der Standard für den Katalogdatenaustausch, der mit Unterstützung führender deutscher Unternehmen entwickelt wurde, nach Expertenschätzungen einen Marktanteil von 80 bis 90 Prozent erreicht. Andere ergänzende Standards wie EDIfact, OCI oder openTRANS übernehmen die Übermittlung von Bestellanfragen oder Bestellungen und ermöglichen effizientes Forecasting und Bestellabwicklung. Normierungsstandards wie eCl@ss übernehmen die Klassifikation und eindeutige Beschreibung von Produkten und ermöglichen dadurch eine Lieferantenübergreifende Suche, Aggregation und Vergleichbarkeit von Produkt- und Dienstleistungsangeboten.

Fazit
Lieferanten, die Verkauf und Bestellmanagement elektronisch abbilden, Ihre Interaktionen mit Vertriebspartnern und Kunden über mehrere Kanäle koordinieren und Katalogmanagement sowie Konfigurations- und Beratungsprozesse mit E-Business Tools automatisieren, realisieren signifikante Nutzenvorteile: Bestehende Prozesse werden wesentlich verbessert, effizientere Planung bei höherer Flexibilität ist möglich, der Lieferant verzeichnet niedrigere Kosten und höhere Kundenzufriedenheit bei maximiertem Umsatz und Ertrag. So können Lieferanten für IT-Produkte und Services beispielsweise dank B2B eCommerce heute bereits bis zu 40 Prozent der Aufträge elektronisch abwickeln. Durch die direkte Anbindung einer Sell-Side Lösung an die Beschaffungssysteme wichtiger Kunden arbeiten die Unternehmen profitabler und steigern die Kundenloyalität. Darüber hinaus erhöht das Angebot auf elektronischen Marktplätzen und eine professionelle eCommerce Website die Kundenreichweite wesentlich.

Standards für den B2B Datenaustausch werden für Lieferanten immer wichtiger. Hier ein Überblick über die am weitesten verbreiteten Standards und Verfahren:

Katalog-Standardisierung
Diese Standards regeln die elektronische Übertragung von Produkt- und Dienstleistungsdaten und enthalten oft auch ein Katalogklassifizierungsschema. Der Standard trifft typischerweise zu den folgenden Punkten Aussagen:
• Für alle Produkte allgemeingültige und kategoriespezifische Attribute und Wertebereiche.
• Kategorisierung / Klassifizierung von Produkten
Beispiele: BMEcat, OCI

Klassifizierungssysteme
Ziel einer Klassifizierung ist es, Produkte mit ähnlichen Eigenschaften in einer bestimmten Produktklasse zusammenzufassen. Dass Klassifizierungssystem definiert den Namen der Produktklasse, dazu eventuell eine Liste von Synonymen und der zugehörigen Eigenschaften, und ordnet sie in ein hierarchisches Schema übergeordneter Produktklassen ein.
Beispiele: UN/SPSC, eCl@ss oder ETIM

„Punch-Out“-Verfahren
Bei diesen Verfahren wird aus dem Beschaffungs-System des Einkäufers auf die Sell-Side Website des Anbieters verlinkt. Dort füllt der Einkäufer dann seinen Warenkorb, der dann als „Punch-Out“ an das Beschaffungssystem übertragen wird (meistens per HTTP). Nach erfolgter Bestellfreigabe, wird auf dem gleichen Weg die Bestellung in die andere Richtung übertragen.
Beispiele: OCI von SAP und cXML von Ariba

Transaktions-Standardisierung
Diese Übertragungsstandards regeln den Datenaustausch von Anfragen, Preisauskünften, Bestellungen usw. zwischen dem Beschaffungssystem des Kunden und dem Sell-Side System des Lieferanten.
Beispiele: openTRANS, EDIfact, cXML

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