Marktplatz-Check oder auf das richtige Pferd setzen

Kaum ein Tag vergeht, an dem die Presse nicht über die Ankündigung eines weiteren B2B-Marktplatzes im Internet berichtet. Doch wie entscheidet man, ob und welcher Marktplatz für das eigene Unternehmen geeignet ist?

Die Menge verschiedener horizontaler wie vertikaler Marktplätze – E-Hubs genannt – ist kaum mehr überschaubar. Eine gewaltige Konsolidierung auf diesem noch jungen Spielfeld ist absehbar. Daher ist es für jedes Unternehmen, das an den beeindruckenden Kosten- und Ertragspotenzialen der E-Hubs partizipieren möchte, unerlässlich, die verschiedenen B2B-Marktplätze zu differenzieren und zu beurteilen.

Wie erkenne ich die Gewinner?
Es gilt, unter den E-Hubs „die Spreu vom Weizen zu trennen“. In zahlreichen Beratungsprojekten hat sich bei solchen Marktplatz-Bewertungen die Verwendung einer mehrstufigen Performance-Skala bewährt. Hierzu werden die einzelnen Erfolgsfaktoren qualitativ und / oder quantitativ bewertet und anschließend situationsspezifisch gewichtet zusammengestellt.

Mögliche Bewertungskriterien
Als erster Indikator dient das der E-Hub zur Verfügung stehende Kapital. Erfahrungsgemäß ist diese Information nicht immer leicht zu beschaffen, da selbst unter Start-Ups und insbesondere bei Nicht-Aktiengesellschaften das Eigenkapital ungern veröffentlicht wird.

Während mit dem verfügbaren Start-Kapital ein einfaches quantitatives Benchmarking betrieben werden kann, erfordert die Beurteilung der Beteiligungsstruktur und der Qualität der Investoren eine eingehendere Analyse. Als besonders erfolgsversprechend wird hier eine Mischung aus Top Venture-Capital Firmen neben strategischen Investoren wie bei Atrada oder BuildOnline beurteilt, da so außer auf Kapitalressourcen in der Regel auch auf externe Beratung und langjähriges Management Know-how zurückgegriffen werden kann. Ähnlich gut schneidet eine Zugehörigkeit zu einem finanzstarken Konzern ab, wie z.B. im Falle der zur Dresdner Bank gehörenden Bürobedarfsplattform Allago.

Leicht zu quantifizieren sind Umsatz bzw. Transaktionsvolumen der E-Hub sowie deren Kunden-/Nutzerzahl. Diese Größen sind deshalb so entscheidend, weil ausreichende Liquidität auf einem B2B-Marktplatz der augenscheinlichste Erfolgstreiber ist und sowohl auf der Käufer- wie auf der Verkäuferseite eine Multiplikatorwirkung ausübt. Hinsichtlich der Kundenzahl ist jedoch auch deren Qualität zu berücksichtigen. So konnte Emaro in der Startphase zunächst nur auf zwei Nutzer, nämlich die beiden Eigner Deutsche Bank und SAP, verweisen. Da diese jedoch angekündigt haben, ihren gesamten Bürobedarf über Emaro abzuwickeln, ist in diesem Falle die Größe „2 Nutzer“ vollkommen anders zu behandeln, als etwa die 270.000 Nutzer eines Marktplatzes wie Offerto.

Gerade bei jungen Plattformen sind die Management-Qualitäten alles entscheidend. Gehören möglicherweise versierte Manager mit langjähriger Vertriebs- bzw. Einkaufserfahrung und einer exzellenten Vernetzung mit der anvisierten Branche zur Unternehmensleitung? Oder handelt es sich beim Betreiberteam um zwar ambitionierte, jedoch mit weniger wertvollen Kontakten ausgestattete Hochschulabsolventen?

Ein ähnlich wichtiges Kriterium stellt der „Value-Added“ dar – die Einzigartigkeit, für die der Marktplatz stehen soll. Um sich erfolgreich von Wettbewerbern zu differenzieren, ist ein zielgruppenspezifisches Angebot an Extra-Services erforderlich. Für die Bewertung empfiehlt es sich, vorhandene strategische Partnerschaften in Business- und Technik-Partnerschaften wie z.B. mit Softwarepartnern zu unterteilen. Speziell bei von Start-Up Unternehmen betriebenen E-Hubs ist kritisch zu hinterfragen, wie etwa ein potenzieller Handelspartner geprüft, bei der Finanzierung des Handels geholfen und eine sichere Logistik gewährleistet wird. Hierüber geben Kooperationen mit Transportunternehmen, Finanzdienstleistern, Wirtschafts-Auskunfteien sowie Content Providern und Verlagen erste Auskunft.

Bei der Auswahl eines geeigneten Marktplatzes ist auch dessen direktes Marktumfeld und die Wettbewerbsintensität zu analysieren. So gibt es z.B. im MRO-Bereich bereits zahlreiche, meist relativ gleichstarke Player: insbesondere US-Sites wie FacilityPro, Grainger, Graybar, MRO.com und PurchasingCenter wetteifern hier um die Gunst der Materialbeschaffer. Ähnlich sieht es inzwischen bei den Bürobedarfs E-Hubs sowie den Bau-Marktplätzen aus. Es ist kaum anzunehmen, dass sich all diese Anbieter innerhalb der nächsten zwei Jahre am Markt behaupten werden. Insofern ist auch die Außenwirkung des Marktplatz-Unternehmens zu überprüfen. Hierunter fallen sämtliche Marketing-Maßnahmen sowie die komplette Unternehmenskommunikation von PR bis zur Werbekampagne. Auch wenn vielerorts bereits Marketing-Budgets gekürzt werden, um der ausufernden „Cash-Burn-Rate“ entgegenzusteuern, so ist doch die Bekanntheit eines Marktplatzes und dessen „Story“ ein wichtiges Kriterium für das mittelfristige Erfolgspotenzial.

Abschließend sind die gehandelten Produktgruppen unter die Lupe zu nehmen und deren Affinität zu den eigenen Produkten, die es im Internet zu vertreiben bzw. zu beschaffen gilt, zu überprüfen. Ein etwaiger übereinstimmender Produktfokus ist hierbei natürlich als positiv zu beurteilen. Andernfalls kann die Absicht, die in Frage stehende Produktgruppe in Kürze ins Sortiment aufnehmen zu wollen, eine ähnlich vielversprechende Option darstellen.

Nach Aufsummieren der verschiedenen Einzelscores müssen diese dann anhand der situationsspezifischen Ansprüche gewichtet werden. In der Regel werden die Kriterien dabei aber mit der gleichen Gewichtung aufgenommen, denn alle geben gleichermaßen Auskunft darüber, ob der Player sich voraussichtlich am Markt etablieren oder scheitern wird. Mittels dieser Gewichtung errechnet sich somit das jeweilige Marktplatz-Potenzial.

Strategische Optionen für die Implementierung
Mittels der Bewertung verschiedener E-Hubs mit diesen Kriterien, kristallisieren sich adäquate Partner und Geschäftsmodelle für das E-Procurement oder den Online-Vertrieb heraus. Für die Umsetzung gibt es verschiedene Ansätze.

Eine Partnerschaft mit einem geeigneten und positiv bewerteten, neutralen Marktplatz stellt die am leichtesten zu realisierende Variante dar. Vorteile sind niedrige Vorlaufkosten, ein kurzer benötigter Zeithorizont, Skalenerträge sowie der bereits vorhandene Traffic und somit Zugang zu zahlreichen Anbietern bzw. Nachfragern. Als nachteilig ist hingegen insbesondere der geringe, eigene gestalterische Einfluss auf den Marktplatz zu nennen.

Alternativ bietet sich der Weg Schaffung und Betrieb eines eigenen, exklusiven Marktplatzes an. Damit ist man seinen Kunden näher und kann genauere Informationen über ihr Kauf-/Verkaufsverhalten generieren. Ferner ergeben sich neben reinen Vertriebserlösen bzw. gesunkenen Beschaffungskosten zusätzliche E-Commerce Erlöse. Zu berücksichtigen sind der höhere administrative Aufwand, die erforderlichen finanziellen wie personellen Ressourcen, der zunächst geringere Traffic sowie eine kleinere potenzielle Nutzerzahl.

Anstelle des Betriebs eines eigenen E-Hub entscheiden sich einige Firmen für Schaffung und Betrieb eines branchen-/industriespezifischen Marktplatzes in Kooperation mit Wettbewerbern. Die wesentlichen Unterschiede gegenüber einem eigenen Marktplatz liegen in der Reduktion des unternehmerischen Risikos sowie einem schnelleren Erreichen einer kritischen Masse. Zu warnen ist jedoch vor einem erheblicher Koordinationsaufwand. Auch ist ein notwendiges Vertrauensverhältnis zu seinen Wettbewerbern nicht immer vorauszusetzen.

Bei einem Investment in einen bestehenden Marktplatz bzw. bei dessen Übernahme werden viele der zuvor geschilderten Vorteile gebündelt. Zudem kann ein junger E-Hub durch einen Kapitalzuschuss in zweistelliger Millionen-DM Höhe entscheidende Liquidität hinzugewinnen und Wettbewerber mit einem geringeren Startkapital leichter verdrängen.

Unter Berücksichtigung von Channel-Konflikten sowie eines effektiven Integrationsgrad der E-Business Aktivitäten in das bisherige Geschäft sollte nun vor allem zügig gehandelt werden. Noch stehen zahlreiche Investment-Chancen offen, klare Marktführer haben sich zum heutigen Zeitpunkt noch nicht herausgebildet. Mittels einer konzeptionellen Evaluation sind relevante E-Hubs zu differenzieren, ihre zukünftige Wettbewerbsposition zu prognostizieren und mögliche Handlungsalternativen mit langfristig orientierten Strategien in Einklang zu bringen.

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