Vor allem im Bereich der so genannten C-Güter wird der Einkauf über elektronische Marktplätze für deutsche Unternehmen immer selbstverständlicher. Das Transaktionsvolumen hält sich zwar noch in Grenzen, gleichzeitig wachsen aber Aufgeschlossenheit und Vertrauen in diese noch immer junge Beschaffungsform. Was aber gilt es bei der Auswahl des richtigen Marktplatzes zu beachten?
Nutzung von Marktplätzen
Über den derzeitigen Stand der Nutzung aus Sicht der deutschen Industrieunternehmen informiert eine BME-Studie, die im Rahmen der diesjährigen e_procure-Messe im Mai in Nürnberg präsentiert wurde. Demnach greifen bereits heute rund 47% der deutschen Industrieunternehmen auf elektronische Marktplätze im Einkauf zurück und weitere 16% planen eine Nutzung für die nahe Zukunft. Da die Nutzungsdauer beim Großteil dieser Unternehmen jedoch noch unter zwei Jahren liegt, befinden sie sich zumeist noch im Explorationsstadium, was dazu führt, dass sich Volumina der Transaktionen doch noch eher in bescheidenen Bahnen bewegen. Die Rede ist in diesem Zusammenhang von weniger als 10% des gesamten Einkaufs- und Beschaffungsvolumens. Über alle Branchen hinweg planen jedoch 78% für die nahe Zukunft einen deutlichen Ausbau der Nutzung. Mitarbeiterschulungen sowie eine Verankerung der Nutzung in den Einkaufsrichtlinien erscheinen den Unternehmen dabei als wichtige Faktoren für eine effizientere Nutzung.
Vorangetrieben wird die Entwicklung und Nutzung von Marktplätzen laut BME-Untersuchung vor allem von den Großunternehmen, wobei die Initiative zur Nutzung zu 68% direkt vom Einkauf ausgeht. In ihrem Fahrwasser starten inzwischen jedoch auch immer mehr mittelständische Unternehmen mit der intensiven Nutzung. Eine Vorreiterrolle fällt dabei insbesondere der chemischen Industrie zu, die sogar selbst als Marktplatzbetreiber in Erscheinung tritt. Überhaupt drehe sich bei den Marktplätzen nach Sicht des Branchenverbandes noch immer sehr viel um das Thema Konzentration. Vor allem vor dem Hintergrund der Nutzungseffizienz beschränken sich die Unternehmen in der Regel auf einen oder zwei Marktplätze. Perspektivisch bedeutet dieses: Es wird mittelfristig zu einer weiteren Konzentration von Markplätzen und damit zweifellos auch zu einer weiterten Konsolidierung des Marktes kommen, was der Entscheidung für oder gegen einen Marktplatz gleich noch einmal einen wesentlich höheren Bedeutungscharakter verleiht. In diesem Zusammenhang erscheint es dann durchaus auch bemerkenswert, dass gerade einmal 20-30% der vom BME befragten Unternehmen ihre Bedürfnisse durch die Marktplätze tatsächlich als erfüllt betrachten. Mehr als die Hälfte der Unternehmen beklagen dagegen wichtige fehlende Dienstleistungen und Funktionen.
Worauf kommt es an?
Wie findet man also den geeigneten Marktplatz für sein Unternehmen? Welche wichtigen Aspekte gilt es im Vorfeld zu berücksichtigen und gibt es Indizien, die Aufschluss darüber geben, inwieweit ein bestimmter Marktplatz mehr oder weniger ideal für ein Unternehmen erscheint? Gerade für Interessenten – und hier sind insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen zu nennen – die nur über ein begrenztes Investitionsvolumen und eingeschränkte Möglichkeiten zur Umstrukturierung ihrer Einkaufs- und Beschaffungsstrukturen verfügen, hängt sehr viel an einer Klärung dieser grundsätzlichen Fragestellungen.
Fernab von individuellen und strategischen Zielsetzungen und Grundüberlegungen eines Unternehmens, die für den Entscheidungsprozess eine wichtige Rolle spielen, gibt es zweifellos eine Reihe von Aspekten, deren Berücksichtigung den systematischen Vergleich unterschiedlicher Marktplätze unterstützt. Ganz am Anfang steht dabei sicher die Frage, inwieweit die Auswahl eines Marktplatzes tatsächlich frei erfolgen kann oder ob es nicht bereits – beispielsweise aufgrund von bestehenden Kunden und Geschäftspartnern – eine Festlegung auf einen bestimmten Anbieter oder eine gewisse Marktplatzform gibt. In diesen Rahmen fällt auch die wichtige Differenzierung von horizontalen und vertikalen Marktplätzen. Während die Erstgenannten zumeist mit einer sehr breiten Produktpalette agieren und dabei auf keine Branche festgelegt sind, orientieren sich vertikale Marktplätze ganz auf die Anforderungen und Bedürfnisse einer bestimmten Branche. Typische Kennzeichen eines horizontalen ‚eHubs’ (alternative Bezeichnung eines Marktplatzes im englischsprachigen Raum) sind dabei eine größere Nutzerbasis, ein höheres Cross-Selling-Potential, die Aussicht auf Synergieeffekte sowie die Möglichkeit eines ‚One-Stop-Shoppings’. Vertikale Marktplätze entsprechen dagegen in stärkerem Maße einem Special-Interest-Portal mit zumeist deutlich engerem Kontakt zwischen den Geschäftspartnern und einer größeren Fokussierung branchenspezifischer Anforderungen und Problemstellungen. Horizontale Marktplätze erfüllen in der Regel stärker den unternehmerischen Wunsch nach niedrigeren Preisen beim Einkauf, während sich vertikale Marktplätze eher in Richtung Kostensenkungspotentiale orientieren und dabei entsprechend auch Einfluss auf Prozesse und Strukturen nehmen können. Insofern entspricht eine Festlegung in Richtung der einen oder anderen Variante bereits einer bedeutenden strategischen Entscheidung.
Interessant für die Auswahl ist sicher auch die Rolle, die der Marktplatzanbieter innerhalb der Handelsgeschäfte einnimmt. Handelt es sich um einen Drittanbieter, wie es insbesondere im Bereich von C-Gütern schon beinahe die Regel ist, kann von einer relativ großen Neutralität gegenüber der Ein- wie der Verkäuferseite ausgegangen werden. Allein deshalb eignen sich solche eHubs vor allem dort, wo sich ein Markt sowohl im Bereich der Anbieter als auch bei den Nachfragern sehr stark zergliedert. Entscheidend für den Markterfolg dieser Betreiber ist eine relativ große Nutzerzahl mit der zudem eine ausreichende Liquidität einhergeht. Ein Blick auf die Nutzerzahlen – insbesondere auch in Verbindung mit der Zahl der durchschnittlich durchgeführten Transaktionen – kann somit wertvollen Aufschluss über die Marktposition und wirtschaftliche Potenz des Marktplatzbetreibers liefern. Dieses ist umso wichtiger dort, wo sich Informationen zu den Umsätzen und/oder Transaktionsvolumina des entsprechenden Marktplatzes nicht leicht beschaffen lassen. Zudem kann natürlich auch ein Blick auf die Referenzliste interessante Einsichten in die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Marktplatzes vermitteln. Denn nicht nur die Anzahl der Nutzer, sondern auch deren Qualität – sprich deren Rang und Namen in der Wirtschaft – können im Zweifelsfalle einen zusätzlichen Indikator abgeben, wenngleich auch den harten Zahlen und Fakten zur Entscheidungsfindung eine größere Präferenz eingeräumt werden sollte.
Übergeordnete wirtschaftliche Fragestellungen und strategische Erwägungen sind die eine Seite, die rein praktischen Ansprüche und Wünsche eine andere. Legt man hier einen standardisierten Anforderungskatalog zugrunde, ist eine gute Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Anbieter schnell gegeben. ECIN hat im Rahmen einer Marktübersicht einen solchen Anforderungskatalog erarbeitet, der die nachstehenden Aspekte umfasst:
Eignung/Zielgruppe
Beinhaltet im Wesentlichen die bereits angesprochenen Aspekte: Was wird angeboten? Wer wird angesprochen? Wer nimmt teil? Außerdem geht es um das Volumen der Transaktionen, die Preisbildung sowie die Verifizierung der Handelspartner.
Registrierung, Gebühren und Preise
Kann man vor dem ‚Kaufen’ testen und welche Gebühren fallen in welcher Höhe tatsächlich an? Wie werden die anfallenden Zahlungsvorgänge abgewickelt?
Service, Handling und Usability
Hier geht es vor allem um die Dienstleistungskompetenz des jeweiligen Anbieters, die ein großes Differenzierungspotential darstellt. Was wird geboten und an welcher Stelle fallen für welche Services möglicherweise zusätzliche Kosten an?
Technik und Schnittstellen
Ein entscheidendes Thema, wenn es um eine möglichst kostengünstige und schnelle Anbindung geht. Welche Software liegt zugrunde, welche Standards werden unterstützt, welche Sicherheitsmechanismen greifen und wie erfolgt der Datenaustausch?
Aus den Angaben der Betreiber lässt sich in Kombination mit einem ausführlichen Testbetrieb dann sehr schnell nachvollziehen, wie transparent sich Abwicklung und anfallende Gebühren für den jeweiligen Marktplatz gestalten, wie stabil, sicher und auf Basis welcher Standards die Transaktionen ablaufen und wie viel Aufwand für die praktische Nutzung der jeweiligen Lösung vermutet werden muss.
Welcher Anbieter ist der Beste?
Beratungsunternehmen haben es sich in diesem Rahmen zueigen gemacht, so genannte Bewertungstabellen zu entwickeln, in denen man zum einen alle relevanten Teilaspekte erfasst, zweitens die Umsetzung dieser Teilaspekte durch den Betreiber bewertet (beispielsweise nach Schulnoten) und drittens diesen Wert hinsichtlich der Relevanz für das eigene Unternehmen gewichtet (beispielsweise von 1 = nicht so wichtig bis 3 = sehr wichtig). Die auf diese Weise erhaltenen Werte werden für jeden Teilaspekt multipliziert und anschließend insgesamt addiert, so dass man einen guten Anhaltspunkt erhält, welche Marktplatzlösung den eigenen Wünschen und Vorstellungen bereits recht nahe kommt. Da es sich hierbei aber lediglich um einen Abgleich der wichtigsten funktionalen Aspekte handelt, kann ein derartiger tabellarischer Vergleich natürlich nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage bei der Auswahl eines Marktplatzes dienen. Eigene strategische Überlegungen und Zielsetzungen sowie exakte Informationen zum Hintergrund (Profil) des Marktplatzes sind für den Projekterfolg von mindestens gleich gelagerter Bedeutung.
Unwissenheit kann teuer werden
Zweifellos besteht ein gewisses Risiko darin, bei der Auswahl des geeigneten Marktplatzes auf das falsche Pferd zu setzen. Gute Beratungsleistungen können dieses aber leicht minimieren. Die weit größere Gefahr besteht jedoch darin, aufgrund fehlenden Know-hows leichtfertig wertvolles Marktpotential zu verschenken. Denn: Geht es um die Steigerung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit durch die Nutzung des Internet im Bereich Einkauf und Beschaffung, herrscht bei vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen heute noch immer große Skepsis vor. Leistungsfähige und etablierte Marktplätze, die sich beispielsweise auf den Handel mit Maintainance, Repair & Operations-Gütern (so genannten MRO- oder C-Gütern) spezialisiert haben, können hier wertvolle Überzeugungsarbeit leisten und stellen – bei überschaubarem Risiko – ein beinahe ideales Betätigungsfeld für unternehmerische Pilotprojekte dar. ECIN hat eine Reihe aktueller und wichtiger deutschsprachiger Marktplätze unter die Lupe genommen und die Ergebnisse im Rahmen eines Marktplatz-Reports veröffentlicht.