Millionengrab ASP?

Das Geschäftsmodell Application Service Providing (ASP) setzt sich nicht im erwarteten Umfang und mit prognostizierter Geschwindigkeit durch. Erweist sich ASP für die Anbieter als Millionengrab oder können die potenziellen Kunden noch von den ASP-Vorteilen überzeugt werden?

Produkt- und Serviceelemente von ASP

Zahlreiche Dienstleister stürzen sich in das Abenteuer ASP. Grund ist das vor allem von Marktforschungsinstituten vorausgesagte Marktpotenzial. Die Prognosen sind allerdings mit einer gesunden Skepsis zu betrachten: Qwest spricht von einem weltweiten Marktvolumen in 2003 von US$ 35 Mrd., Dataquest und Forrester Research von US$ 23 Mrd. bzw. 21 Mrd.. Pessimistischere Marktforscher gehen hingegen für den gleichen Zeitraum nur von US$ 5 Mrd. (IDC) bzw. 12 Mrd. (Meta Group) aus. Auch wenn diese Zahlen widersprüchlich sind, werden sie von Journalisten publiziert und von Managern geglaubt. Und sie halten daran fest, auch wenn die Realität dagegen spricht. Wer sein Geschäftsmodell einzig und allein auf diesen Prognosen aufbaut, hat nicht selten auf Sand gebaut.

Telekommunikationsunternehmen, Internet Service Provider (ISP), IT Service Provider, Rechenzentren und Softwarehersteller ­- alle wollen sich ein Stück des Kuchens ASP sichern. Oft betrachten die Anbieter ASP als erfolgversprechendes Zusatzgeschäft, das mit einer reinen Me-too-Strategie angegangen wird. Zudem verstehen viele Anbieter unter ASP nur das reine Vermieten von Software und kein umfassendes Dienstleistungsangebot. Für den derzeitigen Entwicklungsstand von ASP, ­ das immer noch in den Kinderschuhen steckt, ­ ist bei einem solchen Ansatz das Millionengrab vorprogrammiert.

Die Entwicklung eines neuen Geschäftsfelds erfordert keine opportunistische, sondern eine systematische Vorgehensweise. Heute predigen fast alle ASP-Anbieter, dass mit dem neuen Geschäftsmodell ASP Software für den Kunden kostengünstiger wird. Allzu oft wird dabei vergessen, zwischen Produktkosten und den sogenannten „total cost of ownership“, also den Gesamtkosten, die mit der Nutzung von Software verbunden sind, zu unterscheiden. Nicht das Produkt und seine Vorteile stehen in der Kommunikation zum Kunden im Vordergrund, sondern der niedrige Mietpreis der Software.

Zwangsläufig wird hierdurch auf Kundenseite der Fokus auf den Preis gelegt. Die einseitige Hervorhebung der Preisvorteile führt über kurz oder lang zu einem Preisdruck im ASP-Markt, bei dem alle Anbieter nur verlieren können. Wie vielfältig die mit ASP verbundenen Produkt- und Serviceelemente sind, zeigt Abbildung1.

Abb. 1

Preismodelle für ASP

Mit ASP erhält der Kunde ein umfassendes Dienstleistungspaket. Neben der reinen Bereitstellung der Software erhöht ASP seinen Nutzen noch durch weitere Services: Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit durch Soft- und Hardware-Updates, Entlastung der IT-Abteilungen durch Auslagerung von administrativen Aufgaben, um nur einige zu nennen. Der Kunde wird entlastet und kann sich auf sein eigentliches Geschäft konzentrieren. All diese Vorteile von ASP sollen dem Kunden kostenlos angeboten werden, ja er soll sogar für seine Problemlösung weniger zahlen als bisher. Die Gleichung „mehr Leistung für weniger Geld“ kann nur für den Kunden interessant sein ­ die Anbieter bleiben dabei mittelfristig auf der Strecke. Ein kontinuierlicher Cash Flow kann nicht der einzige Grund für die Softwarehersteller sein, ASP anzubieten und auf Marge zu verzichten.

Bei einem derart preisorientierten Ansatz ist es nicht verwunderlich, dass der ASP-Markt immer noch angebotsgetrieben ist. Den Kunden ist der wahre Nutzen von ASP bisher nicht klar kommuniziert worden. Sie bleiben skeptisch und warten ab. ASP-Anbieter fühlen sich noch stärker unter Druck gesetzt, Preise zu reduzieren, um endlich signifikante Kundenzahlen zu generieren. Eine Abwärtsspirale mit tödlichem Ausgang für viele Anbieter ist in Gang gesetzt.

Dabei muss das nicht der Fall sein. Grundlage für erfolgreiche ASP-Angebote ist ein
konsequenter Value-Pricing-Ansatz. Hierfür muss der Value des Produkts für den Kunden in ein stimmiges Preiskonzept umgesetzt werden. Es geht also um die gemeinsame Optimierung der Produkt- und Preispolitik.

Das Pricing zu optimieren bedeutet, im ersten Schritt das optimale Preismodell und im zweiten Schritt das optimale Preisniveau in Abhängigkeit verschiedener Produktgestaltungsoptionen zu bestimmen. Bereits beim Preismodell bieten sich zahlreiche Differenzierungsmöglichkeiten an. Sie sind in Abbildung 2 dargestellt.

Abb. 2

Beim „variablen“ Modell fallen für den Kunden nur Kosten an, die direkt an die Nutzung des Dienstes gebunden sind. Zwar ist dieses Modell sehr gut zur Differenzierung geeignet, aber Vielnutzer werden bei einem linearen Modell besonders stark zur Kasse gebeten. Skaleneffekte werden nicht an den Kunden weitergegeben und damit die Bindung des Kunden nicht gefördert. Ein weiterer Nachteil des Modells ist, dass dem Anbieter keine garantierten Umsätze zufließen.

Das genaue Gegenteil stellt das „Flat Rate“-Modell dar. Während eine Flat Rate einfach zu kommunizieren und in Rechnung zu stellen ist, favorisiert es eindeutig Vielnutzer und stellt eine finanzielle Barriere für Newcomer und Wenignutzer dar. Es ist ein extrem gefährliches Preismodell, da bei unpräzisen Nutzungsprognosen die Kosten für den Anbieter explodieren können. Das ist der Grund für das Flat Rate-Sterben bei deutschen ISPs.

Um das Risiko einer Flat Rate-Strategie zu begrenzen, kann die Einfachheit der Flat Rate mit den Vorteilen des „variablen“ Modells kombiniert werden. Die variable Komponente macht sich für den Kunden erst ab einer bestimmten Nutzungsmenge bemerkbar. Kritisch sind der zusätzliche Kommunikationsaufwand und die Kundenreaktion auf die ansteigende Rechnungssumme bei Überschreiten des Limits.

Vielfach erweißt sich eine multi-dimensionale Preisstrategie als überlegen. Bei diesem Modell werden mehrere Preisdimensionen wie z.B. monatlicher Grundpreis und eine nutzungsabhängige Komponente kombiniert. Es kann leicht auf unterschiedliche Kundensegmente oder Service Levels zugeschnitten werden. Dieses Modell wird in vielen Branchen erfolgreich umgesetzt. Einziger Nachteil ist der mit dem Modell verbundene höhere Kommunikationsaufwand.

Kriterien zur Bewertung von Preisstrukturen

Aber wie soll man sich nun konkret für eines der obigen Modelle entscheiden? Vor die Wahl gestellt, verlassen sich Verantwortliche unserer Erfahrung nach leider immer noch viel zu häufig auf Vermutungen und das Bauchgefühl. Dabei kann mit Hilfe einer systematischen Bewertung der Preismodelle schnell Ordnung in das Durcheinander des Tarifdschungels gebracht werden. Mögliche Bewertungskriterien hierfür sind in Tabelle 1 aufgeführt. Als Ergebnis einer solchen Übung erhält man im Idealfall, ein Set von zwei oder drei Modellen, die für einen Anbieter in Frage kommen. Endgültige Klarheit über das optimale Modell kann die Befragung potenzieller Kunden bringen. Hierfür reicht es häufig schon aus, sich auf zwei Dutzend Zielkunden zu konzentrieren.

Die Einschätzung der Kunden rundet das Bild letztlich ab und schafft Gewissheit über die richtige Preisstruktur.

Tabelle 1

Wenn die Preisstruktur feststeht, muss im zweiten Schritt das optimale Preisniveau ermittelt werden. ASP setzt sich aus einer Vielzahl von Kundennutzen stiftenden Elementen zusammen. Mit modernen Marketinginstrumenten ist es möglich, diesen Nutzen und die daraus resultierende Zahlungsbereitschaft auf segmentspezifischer Ebene zu ermitteln und anschließend kundenorientierte Produkte zu gestalten. Preise können optimiert und für verschiedene Kundensegmente differenziert werden. So können z.B. die optimalen Preise für unterschiedliche Service-Level-Agreements oder auch für das Gesamtpaket ASP bestimmt werden. Wenn der Nutzen des Gesamtpakets ASP größer ist als der Nutzen beim Softwarekauf, kann der ASP-Anbieter beim Kunden auch einen höheren Preis durchsetzen.

Die ASP-Angebote stoßen heute in Deutschland noch nicht auf das Interesse der potenziellen Kunden. Den Anbietern ist es bisher nicht gelungen, die potenziellen Kunden von den ASP-Vorteilen zu überzeugen. ASP wird von ihnen als Geschäftsmodell vermarktet und nicht als Produkt. Nicht die vielseitigen Leistungen und der resultierende Kundennutzen stehen im Zentrum der Kommunikation, sondern es wird einseitig auf die Kostenersparnis verwiesen. Mit dieser Strategie wird ASP auch in Zukunft nicht zum Erfolg. ASP muss als Produkt verstanden und entsprechend vermarktet werden. Die Vorteile und der Kundennutzen müssen im Zentrum der Strategie stehen. Mit dem Value-Pricing-Ansatz steht den Managern ein adäquater Ansatz zur Verfügung, den Kundennutzen zu quantifizieren. Bei der Bestimmung der Preisstruktur und des optimalen Preisniveaus sollten sich Manager deshalb nicht auf ihr Bauchgefühl oder aus der Luft gegriffene Marktprognosen verlassen.

Erfolgreicher sind systematische Bewertungen und fundierte Marketinginstrumente. Sie schaffen Klarheit über die tatsächlichen Kundenwünsche und ihre Zahlungsbereitschaften. Nur auf dieser Grundlage können erfolgreiche Vermarktungsstrategien für ASP erarbeitet werden.

Zusammenfassung

1. Langfristigen Marktprognosen ist mit gesunder Skepsis zu begegnen.

2. ASP ist mehr als das Vermieten von Software. Es ist ein neues Produkt, das den Kunden häufig so erhebliche Vorteile bringt, dass Preisniveaus weit oberhalb der Preise klassischer Software liegen können.

3. Basis für eine erfolgreiche Vermarktungsstrategie ist der Value-Pricing-Ansatz, d.h. Produkt-, Service- und Preispolitik sind konsequent auf den Kundennutzen und die damit verbundene Preisbereitschaft auszurichten.

4. Eine systematische interne und externe Bewertung ist die Vorraussetzung für die Auswahl der richtigen Preismodelle.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
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