Mit Open Source die Schulbank drücken

Der Umgang mit modernen Medien gehört heutzutage bereits zum alltäglichen Leben. Gerade Jugendliche sind gewillt, sich mit Informationstechnologien auseinander zu setzen. IT-Unterricht an den Schulen soll sie beim Umgang mit neuen Medien unterstützen. Dabei ist es wichtig, dass der Unterricht flexibel an die neusten Standards angepasst ist. Eine neue Form des modernen IT-Unterrichts findet sich testweise in Österreich.

Im Rahmen des Projekts desktop4education soll künftig der IT-Unterricht in den Schulen Österreichs verstärkt und alternativ mit Open-Source-Programmen abgedeckt werden. Um den Schülerinnen und Schülern den Einstieg zu erleichtern, wird in den Bildungseinrichtungen eine erweiterte und besonders angepasste Version eines OpenOffice-Video-Trainings genutzt.

Projekt desktop4education

„Lebensbegleitendes Lernen“ lautet der Leitgedanke des EU-Aktionsplans i2010. Der Einsatz von Medien und Informationstechnologien soll diesen bestmöglich unterstützen und ergänzen. Die Grundlagen dafür werden bereits im Schulunterricht geschaffen. Daher hat das österreichische Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) das Projekt desktop4education (d4e) unterstützt und gefördert und für die Schülerinnen und Schüler in Österreich einen Arbeitsplatz entwickelt, der ausschließlich quelloffene Programme verwendet.

Die Vision: Ein landesweites Open-Source-Bildungsnetzwerk mit dem der IT-Unterricht von den Volksschulen bis hin zu den Höheren Schulen abgedeckt werden kann. Der lizenzfreie Schüler-Desktop wird auf einer DVD vertrieben und kann von Schülern, Lehrern sowie Eltern kostenlos verwendet werden. Bisher wurden rund 8.500 DVDs an 300 Schulen ausgeliefert. Damit werden im Augenblick zwar nur rund sieben Prozent der potenziellen Zielgruppe erreicht. Die Tendenz ist aber stark steigend, da versucht wird, ganze Bundesländer im Pflichtschulbereich zu migrieren.

Schüler-Desktop auf Linux-Basis

Der Arbeitsplatz basiert auf openSuse Linux als Betriebssystem und dem Office-Paket Openoffice.org und StarOffice 8, der von Sun Microsystems entwickelten Profi-Version der freien Software OpenOffice.org, die unter anderem Programme zur Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Erstellung von Präsentationen, Datenbanken und die dazugehörigen Trainingsunterlagen enthält. Dazu kommt eine ganze Reihe weiterer schultypischer Anwendungen. Durch das moderne Betriebssystem ist sowohl eine Integration in vorhandene Infrastrukturen (z.B. Windows, Netware, Linux) als auch der Aufbau komplett neuer Netzwerke in den Bildungseinrichtungen leicht möglich.

Entwickelt wurde der Schüler-Desktop vom „Content Cluster Süd“, einem Zusammenschluss von Lehrern unter der Federführung von Mag. Helmuth Peer. Sein Ziel ist es ganz klar, innovative und günstige Alternativen zum Monopolisten Microsoft zu schaffen. Auch die Kosteneinsparung, die sich selbst bei kostengünstigen Schullizenzen von Microsoft Office auf mehrere tausend Euro pro Schule beläuft, ist ein nennenswertes Argument für lizenzfreie Software. Darüber hinaus ist es ein Anliegen der Initiative, den Jugendlichen von vorneherein beizubringen, auf offene Standards und webbasierte Lösungen zu setzen.

DVD-Erstauflage war schnell vergriffen

Der Umstieg in den einzelnen Schulen erfolgt dabei auf freiwilliger Basis. Gleich nach dem Startschuss im September 2006 stieß das Projekt bereits auf großes Interesse. So war die von Sun Microsystems Österreich zur Verfügung gestellte Erstauflage von 2.000 Installations-DVDs innerhalb weniger Tage vergriffen. Seitdem hat das IT-Unternehmen schon mehrere tausend Silberscheiben nachproduzieren müssen.

Die Installation von d4e auf allen Client-Rechnern in Österreichs Schulen soll aber nicht der einzige Schritt der Open-Source-Initiative bleiben. Quelloffene Software wird auch in den pädagogischen Hochschulen etabliert, um schon die angehenden Lehrer damit vertraut zu machen. Auf dieser Grundlage kann dann auch ein dreistufiges Support-System realisiert werden – von den Lehrern an der Schule über regionale Cluster bis hin zu den beteiligten Unternehmen.

Video-Training vermittelt Grundlagen

Um den Schülerinnen und Schülern die Grundlagen des OpenOffice-Pakets optimal zu vermitteln, greift die Initiative auf eine erweiterte und an den Lehrplan besonders angepasste Version eines Lehrvideos von video2brain zurück und stellt es im Bundle zusammen mit dem desktop4education zur Verfügung. Dieses betriebssystemunabhängige Lehrprogramm ist für den Einsatz an den österreichischen Schulen lizenziert und wurde vom BMUKK finanziert sowie von Sun Microsystems gesponsert.

Die Video-Trainings basieren auf einem einfachen Konzept: Namhafte Experten, bekannte Autoren und zertifizierte Trainer vermitteln Wissen aus erster Hand. Zusätzliches Lehrmaterial zu den bewegten Bildern – wie zum Beispiel Zusammenfassungen, die ebenso wie die verwendeten Rohdaten auch ausgedruckt werden können, und ein Multiple-Choice-Quiz für jedes Lernkapitel, um den persönlichen Lernerfolg zu überprüfen – ermöglicht eine individualisierte Unterrichtsgestaltung.

Lernen in der YouTube-Generation

In Zukunft – so die Planung – soll der virtuelle Trainer allerdings nicht mehr per DVD in die Klassenzimmer kommen. Sondern die Schüler erhalten nur noch einen Freischaltcode für ein webbasiertes Video-Training und können so noch flexibler arbeiten. Zudem bieten diese Online-Lernprogramme durch ständige Updates eine Aktualität, die ein klassisches Lehrbuch oder eine DVD nicht leisten können. Einen ersten Vorgeschmack bietet die Online-Schulung zu OpenOffice Base auf der Website von video2brain, die dem Lernenden das Erstellen von Datenbanken und Formularen in der freien Software vermittelt. Es ist Teil eines speziellen Video-Trainings zu OpenOffice.org, das auch für die Vorbereitung zur ECDL-Zertifizierung (European Computer Driving Licence) eingesetzt werden kann.

Studien in den USA zeigen für die YouTube-Generation bereits heute eine deutliche Veränderung, wie sie Wissen aufnimmt. Außerdem wächst die Gruppe derjenigen Jugendlichen, die sich die medialen Inhalte aneignen und weiterverwenden wollen, beständig. Um allerdings verantwortlich mit dem neuen Medium umgehen zu können, ist Medienkompetenz gefragt. Die kürzlich veröffentlichte Studie „Video Republic“ der britischen Forschungsgruppe Demos schlägt deshalb sogar die Einführung von „YouTube-Unterricht“ an den Schulen vor.

Wie groß in den Klassenzimmern die Akzeptanz solcher neuen Lernformen ist, zeigen auch die Video-Trainings im Bundle mit dem desktop4education in Österreich. Neben der Aktualität der behandelten Inhalte und dem didaktischen Konzept kommen auch die für das jeweilige Thema eingesetzten Experten in den Filmen bei den Schülerinnen und Schülern gut an. Die praktischen Erfahrungen zeigen, dass sie gerne im Unterricht mitmachen und die DVD als persönlichen Trainer nutzen, um Lektionen nachzuarbeiten, wann immer sie möchten.

Weltweit einzigartiges Projekt

Dies bietet einen großen Vorteil, da viele Jugendliche es vermeiden, bei Problemen ihre Lehrer oder Mitschüler um Rat zu fragen: Sie haben Angst davor, sich die Blöße zu geben, zuzugeben etwas nicht sofort verstanden zu haben. Bei dem Trainer auf der Silberscheibe existiert diese Hemmschwelle dagegen nicht. Das österreichische BMUKK sieht das Video-Training deshalb als ein unterstützendes Medium für die Aus- und Weiterbildung mit großem Potenzial für die Zukunft. Hiermit wird den Schülerinnen und Schülern das Wiederholen und selbstständige Erarbeiten von Lerninhalten deutlich erleichtert.

Open Source macht allerdings nicht nur in Österreich Schule. Im Rahmen der „Sun Academic Initiative“ (SAI) stellt das IT-Unternehmen weltweit allen Schulen, Hochschulen, Forschungs- und öffentlichen Weiterbildungseinrichtungen StarOffice 8 kostenlos zur Verfügung. Auch die Medienberatung NRW in Deutschland bietet in Abstimmung mit einzelnen Anbietern den Schulen Open-Sorce-Programme an. Allerdings nicht im Rahmen eines flächendeckenden Projekts wie desktop4eduction in Österreich. Diese Initiative ist in dieser Form bisher einzigartig.

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