Paid Content erfolgreich verkaufen

Viele Online-Portale und Verlage überlegen aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage, zumindest Teile ihrer bisher häufig kostenfreien Internet-Inhalte kostenpflichtig zu gestalten. Doch eine Paid Content-Strategie will gut überlegt sein. Sonst werden aus den erhofften Mehreinnahmen schnell unkalkulierbare Mehrausgaben.

Im deutschsprachigen Internet finden sich inzwischen einige Angebote kostenpflichtiger Inhalte, wie z.B. Stiftung Warentest, friendscout24 oder auch schwacke.de, die durchaus erfolgreich sind. Einige andere schaffen trotz einer enorm hohen Reichweite und einem qualitativ hochwertigen Angebot nicht den Durchbruch, wie die Online-Tochter des Spiegels. Auch heute noch klafft zwischen dem in Umfragen ermittelten potentiellen und dem real bestehenden Marktvolumen eine große Lücke. So konnten sich schon 2001 in einer internetrepräsentativen Studie von EARSandEyes 45% der User vorstellen, in Zukunft durchschnittlich ca. 20 € im Monat für kostenpflichtige Inhalte aufzuwenden. Dies entspricht in etwa den Kosten eines Monatsabos für eine Tageszeitung. Die real bestehenden Umsätze liegen jedoch auch heute noch weit hinter diesen schon damals potentiell möglichen Verkäufen zurück, obwohl die generelle Zahlungsbereitschaft laut Umfragen noch gestiegen ist. Die bestehenden Angebote scheinen in irgendeiner Weise die Anforderungen der Kunden häufig noch nicht zu erfüllen. Was aber sind die Faktoren, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden? In der Antwort auf diese Frage trifft man beim Großteil Teil der Marktteilnehmer auch heute noch auf große Unsicherheit.

Dieser Problematik widmet sich der Leitfaden „Paid Content erfolgreich verkaufen“, der vor einigen Wochen im hansebuch Verlag veröffentlicht wurde. Es wurden aus vorhandenen Studien, eigenen Untersuchungen und Interviews mit Branchenexperten zwei Bedingungen entwickelt, die für einen erfolgreichen Kaufabschluss gegeben sein müssen. Diese bilden die Basis für eine Vielzahl von Leitlinien für die Produktentwicklung als auch Entscheidungshilfen für die Auswahl und die Gestaltung der Zahlungssystem, die dieser Ratgeber in kompakter Form bietet.

Die erste, notwendige Bedingung, die erfüllt sein muss, damit ein Kunde ein kostenpflichtiges Angebot nutzt, ist, dass sein Nutzen des Produkts für den User gleich oder größer seinem (finanziellen + zeitlichen) Aufwand dafür ist.

Dabei ist der zeitliche Aufwand zur Bezahlung eine Größe, der bisher sehr wenig Beachtung geschenkt wird. Es existieren inzwischen eine Vielzahl von Untersuchungen, die sich mit dem Preis beschäftigen, den ein User für ein bestimmtes Produkt zu zahlen bereit ist und diese Größe wird bisher auch fast ausschließlich für den Misserfolg eines Angebots verantwortlich gemacht. Dennoch lässt sich ein Abverkauf von lediglich 800 Exemplaren der Titelstory des Spiegels zu einem Preis von 80 Cent bei 17 Millionen monatlichen Besuchern zu diesem Zeitpunkt nicht durch einen zu hohen Preis erklären. Ein Beispiel: Sie stehen in einem Kiosk und überlegen, ob Sie die Titelstory des Spiegels für 80 Cent kaufen. In einem Fall ist die Kasse frei, im anderen Fall stehen 15 Leute Schlange, um zu bezahlen, was für Sie eine Wartezeit von 4-5 Minuten bedeutet. Im letzteren Fall würden Sie wahrscheinlich auf den Kauf verzichten. Genau hier liegt eine Ursache für die Erfolglosigkeit vieler Angebote. Bei Produkten mit einem tendenziell geringen Nutzen ist eben nicht nur der finanzielle Aufwand, den man zu akzeptieren bereit ist, klein, sondern auch der zeitliche. Viele Bezahlungssysteme für digitale Inhalte erfordern jedoch einen Aufwand, der durchaus diesen 5 Minuten vergleichbar ist. Dies gilt gerade für Erstnutzer von Systemen, die eine Registrierung erfordern, wie z.B. firstgate Click&Buy. Beim ersten Kauf wird so ein Aufwand nötig, den aufzuwenden fast niemand bereit ist. Im Fall des Spiegels wird diese mangelnde Aufwandsbereitschaft noch dadurch verstärkt, dass der nötige zeitliche Aufwand zur Bezahlung vergleichbar ist mit dem zum Aufsuchen eines Konkurrenzprodukts. Denn auch das Konkurrenzangebot ist eine die Kaufentscheidung extrem beeinflussende Größe. Selbst wenn die erstgenannte Kaufbedingung für den Kunden befriedigend erfüllt ist, kann ein Kaufabbruch erfolgen, wenn die zweite, hinreichende Bedingung für einen Kaufabschluss nicht gegeben ist: Das Aufwand/Nutzen-Verhältnis des Angebots, auf dem der Kunde sich gerade befindet, muss für Ihn besser sein, als das der Konkurrenz.

Große Ansicht

Bietet ein Konkurrent dasselbe Produkt kostenlos an, so bricht ein Kunde unter Umständen den Kauf ab und wählt aufgrund des besseren Aufwand/Nutzen-Verhältnisses das Konkurrenzprodukt.
Es gibt also wesentlich mehr kaufentscheidende Parameter als nur den Preis. Erst wenn alle diese Faktoren für den Kunden in einem Verhältnis stehen, welches obige Bedingungen erfüllt, kommt es zum Kauf.
Auf Grund des weiten Auseinanderklaffens des potentiellen und tatsächlichen Marktvolumens scheint heute in der Mehrzahl der Fälle die genannten Bedingungen nicht befriedigend erfüllt zu sein.

Die Kriterien, die über eine erfolgreichen Kaufabschluss entscheiden, nämlich :
· der finanzielle Aufwand für das Produkt
· der Nutzwert des Produkts
· der zeitliche Aufwand für die Bezahlung
· die Angebote der Konkurrenz
· die individuelle Kenntnis des Kunden über Angebote der Konkurrenz

müssen also bei vielen bestehenden Angeboten optimiert werden. Dies muss sowohl durch eine auf einen hohen Nutzwert ausgerichtete Produktentwicklung als auch eine intelligente Gestaltung der Abrechnung geschehen.

Hierfür gibt „Paid Content erfolgreich verkaufen“ nun konkrete Hilfe. Neben einer Beurteilung der unterschiedlichen Zahlungstechnologien und Hilfe bei deren Auswahl wird dabei besonders auf eine den Kundenbedürfnissen entsprechende Gestaltung des Zahlungsvorgangs eingegangen. Ein Beispiel: Für den User sind nicht der reale Wert, sondern seine individuelle Schätzung der kaufentscheidenden Parameter relevant. Im Klartext: Vor dem Kauf hat der Kunde, sollte er noch keine Erfahrung mit den innovativen Zahlungssystemen wie Mehrwertnummern oder firstgate besitzen, lediglich eine unscharfe Vorstellung vom zeitlichen Aufwand zur Bezahlung des Produkts. Er muss ihn also schätzen. Dies ist aufgrund der noch geringen Verbreitung dieser Zahlungssysteme bei ca. 90% der User der Fall. Dies bedeutet jedoch eine hohe Entscheidungsunsicherheit, die sehr schnell eine Kaufverweigerung verursachen kann.

Es hilft einem Anbieter also nicht, lediglich ein schnelles Bezahlungssystem anzubieten, er muss dies auch seinen Usern vermitteln. Es existieren zwar Systeme, wie z.B. die Abrechnung über Mehrwertnummern, die eine Bezahlung ohne Registrierung innerhalb von 45 Sekunden ermöglichen. Die überwiegende Mehrheit der User schätzt jedoch aufgrund mangelnder Erfahrung mit den neuen Zahlungssystemen den Aufwand auf einige Minuten oder höher. Bietet man diese komfortable Zahlungsart an, so wird der Großteil der User dennoch den Kauf abbrechen, obwohl der real bestehende Aufwand für Sie durchaus akzeptabel wäre. Lediglich der geschätzte (nicht der reale) zeitliche Aufwand ist zu hoch. Dieses Problem tritt gerade bei geringwertigen Artikeln aufgrund der hier äußerst kleinen Aufwandsbereitschaft auf. Hieraus ergibt sich beispielsweise eine Leitlinie für die Gestaltung der Bezahlung, die bei den heutigen Angeboten nirgendwo umgesetzt ist: Die Nennung des zeitlichen Aufwands ist bei der Aufforderung zum Bezahlvorgang fast ebenso wichtig wie die Nennung des Preises.

Neben der Abrechnung ist wie bereits gesagt, auch die Produktentwicklung äußerst wichtig, denn von Ihr hängt der individuell empfundene Wert des Produktes ab. Bei einer einfachen Übertragung von Offline-Inhalten auf das Online-Medium ist der Nutzwert des Online-Produkts unter Umständen geringer als der der ursprünglichen Inhalte. So ist z.B. das Lesen langer Artikel am Bildschirm vom Komfort her dem Lesen selbiger auf dem heimischen Sofa hoffnungslos unterlegen. Nach einer Umfrage von Fittkau & Maaß aus dem Jahre 2002 können sich lediglich 18,3% der Befragten vorstellen, die Lieblingszeitschrift oder -zeitung künftig nur noch online zu lesen – was gegenüber dem Vorjahreszeitraum sogar einem Rückgang um vier Prozentpunkte entspricht. Ein Online-Artikel, der nicht zur gezielten Information bezüglich eines bestimmten Themas sondern zur Entspannung gelesen wird, wird folglich gegenüber seinem gedruckten Pendant wesentlich weniger gefragt sein.

Um also attraktive, gegenüber anderen Medien konkurrenzfähige Online-Inhalte zu entwickeln, müssen die Stärken des Online-Mediums berücksichtigt werden

· Interaktivität: Die Möglichkeit der Interaktion ermöglicht im Online-Bereich, im Gegensatz zu Print oder TV, eine Personalisierung von Inhalten, die für den User unter Umständen einen signifikanten Mehrwert bedeutet. So kann ein Test aus einer Printausgabe, der Mobiltelefone in bezug auf zehn verschiedene Kriterien vergleicht, für einen Käufer wesentlich weniger wertvoll als eine interaktive Online-Bewertung sein. Wer z.B. besonderen Wert auf die Akku-Lebenszeit legt, kann dies nicht wie im gedruckten Test nur mit 20, sondern mit 70 Prozent gewichten, und bekommt so das individuell für Ihn passende Modell.

· Sofortige Verfügbarkeit: Online-Informationen und -Services sind ohne weitere Mühe von jedem Computer aus verfügbar. Dies kann zum einen dem User Wege sparen. So entfällt beispielsweise bei einer Online-Autobewertung der Gang zum Experten oder die Bestellung einer Fachzeitschrift, was dem User Zeit und Weg spart. Dabei ist allerdings wichtig das dieser Vorteil nicht durch Wartezeiten bis zur Aktivierung der Zahlungsart zunichte gemacht wird.

· Aktualität: Gegenüber dem Printmedium sind Online-Produkte durch eine höhere Aktualität gekennzeichnet. Sportfans, die am Arbeitsplatz wichtige Events weder im Fernsehen noch im Radio verfolgen können, haben die Möglichkeit, die Geschehnisse nebenher online zu verfolgen oder aber aufs Handy geschickt zu bekommen, anstatt am nächsten Tag lediglich die Zeitung zu lesen.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
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