Unternehmensportale – ungenutzte Potentiale und die Dominanz der IT

Unternehmensportale werden derzeit in einer Vielzahl von Unternehmen projektiert oder schon in ersten Ausbaustufen eingesetzt. Die Erfahrung der verantwortlichen Projektleiter zeigt, dass Portalprojekte die Unternehmen technisch und organisatorisch vor große Herausforderungen stellen und nicht mit der Einführung von Standardsoftware verglichen werden können.

Binder & Company hat Ende 2004 in einer Expertenstudie CIOs und Portalmanager von 32 Unternehmen mit überwiegend mehr als 15.000 Mitarbeitern zu Ihren Erfahrungen befragt. Dabei wurden genutzte und geplante Portalszenarien erhoben, Ziele und Charakteristika der Projektdurchführung analysiert und Erfolgskriterien der Einführung aufgestellt. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse wird hier nun dargestellt.
Der Großteil der Unternehmen zielt mit der Einführung eines Portals auf eine Verbesserung des Informationszugriffs und Kosteneinsparungen bei administrativen Prozessen ab. Der Schwerpunkt der Einsatzszenarien liegt in administrativen Bereichen wie der Personalabteilung (Employee Self Services) und der Bereitstellung von Management-Informationssystemen. Eine Unterstützung operativer Unternehmensteile (z.B. Produktion) ist in den seltensten Fällen realisiert und überwiegend auch nicht für die Zukunft geplant. Die in der Umfrage genannte Reorganisation von Unternehmensprozessen bezieht sich damit auf unterstützende Prozesse und in der Regel auf PC-Anwender der Verwaltungsbereiche.

Wesentliche Zielgruppe von Portalen ist das Management (61% aller definierter Rollen), vor der IT (51%) und der Personalabteilung (48%).
Die inhaltlichen Schwerpunktsetzungen der momentanen Implementierungen liegen beim Informations- und Wissensmanagement, dem Single Sign On und der ersten Einbindung von Applikationen. Es dominieren der Bedarf nach Reduktion von Suchzeiten und die rollenspezifische Aufbereitung vorhandener Daten, Kennzahlen und Informationen.

Wesentliche Treiber für Portalprojekte sind die IT-Abteilungen (über 50%), gefolgt von den Bereichen Unternehmenskommunikation (22%) und Marketing/Vertrieb (9%). Die IT evaluiert das Portal als neue Technologie getrieben durch die Releasestrategie der Marktführer SAP und IBM, die die Portalplattform als integralen Bestandteil Ihrer Software-Architekturen positionieren. Zum anderen stellt ein Portal die nächste Entwicklungsstufe eines Intranets dar, das typischerweise bei den Bereichen Marketing / Kommunikation angesiedelt ist.

Portale dienen deutlich seltener als Instrument für die interpersonale Zusammenarbeit (Collaboration) und die Entwicklung anwendungsübergreifender Prozessabläufe. Nur 37,5 Prozent der Portale unterstützen momentan unternehmenskritische Prozesse. Gerade hier ermöglichen jedoch die Funktionalitäten der führenden Portalplattformen wie IBM und SAP neue Anwendungsfälle und die Unterstützung neuer flexibler Arbeits- und Prozessabläufe. Die integrative Kraft der Plattformen wird so bei den analysierten Projekten in der Regel nicht ausgeschöpft.

Der Verbreitungsgrad (die Reichweite) der Portalimplementierungen ist noch stark ausbaufähig. Die Anwender nutzen die Technologie im Schnitt nur wenige Minuten pro Tag. Erst ein Drittel der möglichen Anwender wird derzeit durchschnittlich über ein Unternehmensportal erreicht.
Von den Anwendern werden die derzeitigen Portalausprägungen eher mit der Note „befriedigend“ bewertet. Wesentliche Kritikpunkte betreffen den mangelnden Umfang der Inhalte und die unzureichende Einführungsbegleitung.
Der Anspruch, mit dem Portal den digitalen Arbeitsplatz für den PC-Anwender mit Zugriff auf alle relevanten Informationen und Anwendungen bereitzustellen, ist damit bei weitem noch nicht erfüllt.
Eine der Ursachen liegt in der komplexen Projektierung von Unternehmensportalen, die eine rasche Verbreitung und Anreicherung der Inhalte verhindert. Dies zeigt sich besonders deutlich bei der Analyse der Hürden einer Portaleinführung: Die Herausforderung im Umgang mit der neuen Technologie dominieren, derzeit nachgelagert ist die organisatorische Verankerung und die wichtige Begleitung der Veränderungsprozesse. Wesentliche Grundlagenarbeiten beim Single Sign On und dem mit einem Portal verbundenen Nutzer- und Rollenmanagement lassen Einführungsprojekte durchschnittlich auf 9-13 Monate anwachsen. Nur gut die Hälfte aller Projekte konnte Zeit- und Budget-Vorgaben einhalten.

Aus den Erkenntnissen der Expertenbefragung können folgende Erfolgsfaktoren abgeleitet werden:

Inhalte und Technologie parallel entwickeln:
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor in den frühen Phasen eines Portalprojektes ist der frühe Einbezug der Anwender in die Ausprägung der Portalinhalte (Rollenmodellierung). An Hand von prototypischen Portaloberflächen werden Abläufe und Inhalte aufgenommen und mit der Entwicklung abgestimmt. Dies verhindert ein Abdriften des Projektes in technologische Grundlagenarbeiten und sichert die geschäftliche Relevanz.

Portalprojekte als Programm verstehen
Portalprojekte müssen abteilungsübergreifend als Programm verstanden und geleitet werden. Durch den inhaltlich integrativen Aspekt des Portals müssen während der Entwicklung und im laufenden Betrieb eine Vielzahl verbundener Projekte koordiniert und gesteuert werden. Dies betrifft das schon oben erwähnte Nutzermanagement, Release-Umstellungen der angebundenen ERP-Systeme, (Weiter-)Entwicklung von Portalszenarien für zusätzliche Anwendergruppen etc. Die Komplexität dieser Abhängigkeiten kann über Methoden des Multiprojektmanagements beherrscht werden.

Governance und Guidance
Verbindliche Richt- und Leitlinien (Governance) sichern die Integrität der Portalplattform und sorgen für einen geordneten Ausbau der Inhalte. Durch den Einbezug aller relevanten Gremien und Interessensgruppen (Betriebsrat, Datenschutz) werden Akzeptanzbarrieren frühzeitig erkannt und abgebaut. Hilfsmittel für die (dezentrale) Projektierung und die Ausarbeitung von weiteren Portalszenarien, ermöglicht es, den Fachbereichen des Unternehmens im Rahmen der Governance eine hohe Eigenständigkeit und Flexibilität zu erreichen (Guidance). Die IT wird in diesem Sinne zum ‚Befähiger‘ und nicht ‚Verhinderer‘ von neuen Lösungen.

Organisatorische Veränderungsprozesse begleiten
Ein Portal stellt nicht nur eine neue Infrastruktur dar, sondern bedeutet für den Anwender auch eine Umstellung seiner Arbeitsweise. Abläufe werden zunehmend über Abteilungsgrenzen elektronisch abgebildet, das Portal entwickelt sich zum einzigen Zugang zu arbeitsrelevanten Daten. Weiter werden in der Regel Zielgruppen erreicht, deren Arbeitswelt nur wenig von IT durchdrungen ist. Die damit verbundenen Veränderungsprozesse gilt es, organisatorisch über Promotorenstrukturen zu begleiten.

Fazit

Die derzeitigen Implementierungen von Unternehmensportalen schöpfen das Potenzial der Technologie bei weitem nicht aus. Derzeit dominieren technische Fragestellungen die inhaltlichen Ausprägungen. Die über Portallösungen erreichbare Flexibilität zur Abbildung neuer Abläufe kann durch den frühen Einbezug der Anwender, die konsequente Ausprägung einer Governance und die Einführung eines Programm-Managements erreicht werden.

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