WiMAX – Erfolg im zweiten Anlauf?

Die Euphorie für WiMAX scheint abzuflachen und ein Run auf die Lizenzen für die mobile Breitbandlösung in Deutschland wird wohl auch ausbleiben: Gibt es womöglich keinen Bedarf für alternative funkgestützte Breitbandzugänge in Deutschland? Oder kommt der Erfolg von WiMAX erst mit neuen, lukrativen Geschäftsmodellen?

Lizenzausschreibung in Deutschland

Derzeit läuft in Deutschland die erste Runde der Ausschreibung für Lizenzen zum WiMAX (Worldwide Interoperability for Microwave Access) Betrieb im 3,4 – 3,6 GHz-Band. Im Vergleich zu der Ende der 90er Jahre durchgeführten Ausschreibung für WLL (Wireless Local Loop) sind die Bedingungen jetzt deutlich vereinfacht, so dass ein Lizenzantrag ohne größeren Aufwand erstellt werden kann. Insbesondere die aufwändige exakte Funknetzplanung und die Suche nach geeigneten Plätzen für die Sendeeinrichtungen kann im Falle von WiMAX erst nach einer Lizenzerteilung erfolgen. Neben dem Nachweis der fachlichen Eignung, der Leistungsfähigkeit und der Zuverlässigkeit, wie sie bei allen Telekommunikationsausschreibungen obligatorisch sind, werden nur grundsätzliche Angaben wie z.B. zum Geschäftsmodell, das Frequenznutzungskonzept, die Anzahl der geplanten Sendestationen und Sektoren sowie einem Polygonzug zur Abgrenzung des angestrebten Lizenzgebietes gefordert.Die Lizenzanträge für die erste Runde der Frequenzvergabe müssen bis zum 28.02.2006 bei der Bundesnetzagentur vorliegen. Es ist davon aus zu gehen, dass pro Region 4-5 Anbieter eine Lizenz erhalten könnten. In der ersten Runde nicht vergebene Lizenzen können auch später noch beantragt werden. Gehen mehr Anträge ein, als Frequenzbandbreite zur Verfügung steht, so ist zunächst ein für zehn Wochen angesetztes selbständiges Einigungsverfahren im Kreise der Antragsteller zur Klärung vorgesehen. Danach wird die Bundesnetzagentur unter den Antragstellern eine Versteigerung der verfügbaren Frequenzen ansetzen.Die Lizenzgebühren errechnen sich aus der zugeteilten Bandbreite und der abgedeckten Fläche, minimal aber € 1.250. Damit stellt der Erwerb einer Lizenz kaum eine wesentliche wirtschaftliche Hürde dar. Um „Leeranträge“ zu verhindern, muss der potenzielle Lizenznehmer innerhalb von acht Monaten nach der vorläufigen Zuteilung die Standorte und die standortbezogenen Parameter benennen.Vor diesem Hintergrund sollte eine deutliche Nachfrage nach WiMAX Frequenzen bestehen, insbesondere bei solchen Netzbetreibern, die ein flächenmäßig ausgedehntes und ländliches Gebiet abdecken. Auch für Netzbetreiber und Unternehmensgründer, die auf die Realisierung von breitbandigen und mobilen Mehrwertdiensten für spezielle Zielgruppen abzielen, kann WiMAX eine interessante Übertragungstechnik sein.Aktueller Stand von Tests und AusschreibungTrotz der eigentlich guten Voraussetzungen ist die Annahme der neuen Technologie bislang noch recht verhalten. Es wurden und werden zwar verschiedene Feldversuche mit unterschiedlichen WiMAX Infrastrukturherstellern durchgeführt, die zum einen die Performance der verschiedenen technischen Lösungen im praktischen Einsatz testen und zum anderen die Akzeptanz beim potenziellen Kunden. Über die Ergebnisse der zum Teil bereits abgeschlossenen Feldversuche wird aber recht wenig kommuniziert. Wohl aber wird deutlich, dass je nach ausgewählter Netzinfrastruktur und Netzplanung technische Beschränkungen insbesondere im NLOS (Non Line Of Sight) Betrieb zu beobachten sind, so dass z.B. in Bereichen von Abschattungen gegenüber der Sendestation Empfangsprobleme bestehen. Gerade der NLOS Einsatz ist aber einer der großen Vorteile gegenüber der früheren WLL (Wireless Local Loop) Technologie, die in jedem Fall eine direkte Sichtverbindung zwischen Sender und Empfänger erforderlich machte. Auch ist die „Indoor Coverage“, d.h. die Funkversorgung in geschlossenen Räumen, nicht immer gleichbleibend gegeben. Während es in einem Teil eines Zimmers gut gehen mag, kann die Empfangsstärke in einer anderen Ecke nicht mehr ausreichen. Dies ist natürlich ein prinzipielles Problem bei funkgestützten Übertragungssystemen und auch von WLAN (Wireless Local Area Network) her nicht unbekannt. Für den WiMAX Empfang ist anders als bei WLL keine große Dachantenne erforderlich, aber ohne eine Fensterantenne ist der Empfang in vielen Fällen doch zu schwach.Es lässt sich daher noch nicht abschließend feststellen, wie die Ergebnisse der Feldversuche von den Betreibern bewertet werden. Allerdings scheint sich ab zu zeichnen, dass es außer in den größeren Ballungsgebieten keinen ausgesprochenen Run auf die ausgeschriebenen Lizenzen geben wird. Reges Interesse an WiMAX ist in einigen Ballungsgebieten, insbesondere im Raum Berlin, zu beobachten, so dass hier die verfügbaren Lizenzen vermutlich schon im ersten Anlauf der Ausschreibung vergeben werden. Vermutlich wird es in Ballungsgebieten mehr Lizenzanträge als verfügbare Frequenzen geben. Es gibt offensichtlich einige Anbieter, die ein Interesse an Lizenzen in größeren Regionen oder mehreren Ballungsgebieten haben und damit auch einen überregionalen Service realisieren könnten. Die größere Anzahl hat aber eher einen Fokus auf eine regional eng begrenzte Lizenz, z.B. zur Erweiterung des eigenen Versorgungsgebietes. Eine Reihe von Regionalcarriern hat aber auch beschlossen, zunächst auf den Einsatz von Funktechnologien für den Breitbandzugang zu verzichten und ganz auf den Ausbau des leitungsgebundenen Netzes zu setzen.Potenzielle Anbieter von WiMAX Netzen, die auf den Ausbau in OPAL Gebieten gesetzt haben, mussten die Erfahrung machen, dass bei zunehmendem Konkretisierungsgrad ihres Vorhabens die Nachrüstung des Leitungsnetzes mit DSL (Digital Subscriber Line) auf einmal viel schneller möglich ist. Damit entfällt für die betroffene Gemeinde dann oft auch das Interesse am Aufbau einer Funkinfrastruktur! Derzeit beschränkt sich der Fokus für den Einsatz von WiMAX Netzen weitgehend auf die Nutzung als alternativer Breitbandzugang in den bislang nicht mit DSL ausgebauten Regionen. Die Entwicklung und Umsetzung mobiler Mehrwertdienste oder die Fokussierung auf spezielle Zielgruppen, wie z.B. den „nomadic user“, wird derzeit noch nicht forciert verfolgt. Gründe für die derzeitige Zurückhaltung bei WiMAXFür einige der potenziellen WiMAX Lizenznehmer stellt der mögliche Einsatz einen Schritt in eine neue Technologie dar. Zwar werden Richtfunkstrecken im Backbone-Netz von vielen Netzbetreibern eingesetzt, aber eine „richtige“ Funktechnik wie WiMAX ist für den typischen Regionalnetzbetreiber unbekanntes Neuland. Der bisher leitungsgebunden tätige Regionalnetzbetreiber wird sich daher genau überlegen, in welchen Situationen und unter welchen Wirtschaftlichkeitsannahmen sich der Aufbau einer Funkzelle lohnt. Die im Umgang mit Funktechnologien erfahrenen Unternehmen wie z.B. die Mobilfunknetzbetreiber wollen sich dagegen kaum mit WiMAX auseinander setzen, da diese Technologie im Wettbewerb zu den eigenen UMTS Lösungen steht. Die in den letzten Monaten begonnene Markteinführung von DSL-Diensten mit höherer Bandbreiten von zunächst 6 MBit/s bis hin zu zukünftig verfügbaren 20-25 MBit/s für „triple-play“ Dienste (Sprachkommunikation, Internetzugang und Fernsehübertragung über einen gemeinsamen IP-basierten Netzzugang) hemmt die Entscheidung für ein WiMAX-Netz, da auch bei entsprechender Optimierung mit dieser Funktechnologie kaum mehr als 3 MBit/s übertragen werden können.Ein nicht unwesentlicher Hinderungsgrund für die schnelle Verbreitung ist für viele potenzielle Anbieter der z.Z. hohe Preis für die notwendigen Funkmodems auf der Anwenderseite. Derzeit sind noch keine integrierten Modems verfügbar und die Kosten für die ersten Chip-Sets, die voraussichtlich ab 2007 auf den Markt kommen werden, sind mit ca. $ 150 angekündigt. Damit ist WiMAX für den Nutzer heute noch mit der Eintrittsbarriere einer verhältnismäßig hohen Einmalinvestition verbunden, während vergleichbare stationäre DSL-Modems bei Vertragsabschluss meistens kostenlos abgeben werden. Eine tatsächliche Massenmarktfähigkeit von WiMAX mit preiswerten eingebauten Modems ist nicht vor 2008 zu erwarten.Ausblick auf die Zukunft von WiMAXIst für WiMAX somit eine ähnliche Entwicklung vorgezeichnet wie für die unglückselige WLL Technik? Vermutlich nicht, da die Technologie hierfür zu attraktiv ist und Potenzial für innovative Dienste birgt. Der Ansatz, WiMAX primär unter dem Aspekt des alternativen Breitbandzugangs in Regionen ohne DSL-Infrastruktur zu bewerten, ist in Deutschland allerdings eingeschränkt. Der Ausbau des DSL-Netzes schreitet in Deutschland schnell voran – auch in den sogenannten OPAL-Gebieten mit Glasfaser-Infrastruktur werden die noch bestehenden Versorgungslücken in absehbarer Zeit geschlossen sein. Der Aspekt des alternativen Netzzugangs ist in Deutschland somit weniger relevant als in Ländern mit weniger hochwertiger Netzinfrastruktur. Der grundsätzlich interessante Ansatz der Nutzung von WiMAX zum Angebot entbündelter Leistungen widerspricht den Interessen vieler der derzeitigen Interessenten für eine WiMAX Lizenz. Die entbündelte Leistung ist besonders für Unternehmen ohne eigenes Leitungsnetz interessant, da so für die Realisierung von Sprachdiensten nicht auf die Teilnehmeranschlussleitung anderer Betreiber zurück gegriffen werden muss. Ein anderes Einsatzgebiet von WiMAX liegt in der Umsetzung mobiler Mehrwertdienste für spezielle Zielgruppen. Hierfür gibt es interessante Ansätze für private Netzbetreiber wie regionale Industrie- oder Dienstleistungsunternehmen, aber auch z.B. für die Wohnungswirtschaft. Wenn die Mobilität bzw. Portabilität des Breitbandanschlusses in der Anwendung einen zusätzlichen Nutzen für die Zielgruppe darstellt, lässt sich der temporäre Nachteil höherer Modemkosten kompensieren. Dabei bieten die Hersteller bereits jetzt die Möglichkeit mit WiMAX neben dem schnellen Internetzugang hochwertige Sprachdienste auf der Basis von VoIP (Voice over Internet Protocol) zu realisieren, sowie Videostreaming, Videokonferenzen, Video-on-demand und Video Broadcast. Neben rein professionellen Services für Industrie und Dienstleistung, z.B. im Bereich der Gesundheits- und Sicherheitsdienste, können auch Entertainment und Gaming Serives für den privaten Nutzer mit Hilfe von WiMAX umgesetzt werden. Je stärker der Aspekt der orts-unabhängigen („nomadic“) Nutzung in den Vordergrund tritt, desto eher sind dabei UMTS Dienste im Wettbewerb zu sehen. Die derzeit noch niedrige Übertragungsgeschwindigkeit von UMTS setzt allerdings der Umsetzung von breitbandigen Anwendungen Grenzen.FazitDie derzeit zu beobachtende Zurückhaltung bei WiMAX lässt sich auf einige Kernursache zurückführen: – Für die Massenanwendungen sind die Funkmodems bis 2008 zu teuer – Der fortschreitende Ausbau der DSL-Versorgung verringert den Druck, auf alternative Zugangstechniken zurück zu greifen – Höhere Bandbreiten für DSL lassen WiMAX als Substitutionsprodukt im stationären Einsatz unattraktiv erscheinen – Die Funktechnologie ist für viele Netzbetreiber Neuland und erhöht die Komplexität im Netzbetrieb – Mobilfunkbetreiber sehen WiMAX als unerwünschten Wettbewerb zu UMTS – Unternehmensneugründungen, die mit WiMAX neue Geschäftmodelle umsetzen können, bleiben weitgehend aus – Private Netzbetreiber halten sich zurück und haben eine restriktive Investitionspolitik – Der Markt für mobile („nomadic“) Mehrwertdienste befindet sich noch in der EntstehungsphaseDie aufgeführten Gründe lassen eine Zurückhaltung in eine neue Technologie verständlich erscheinen, wünschenswert ist sie dagegen nicht. Erst durch die Bereitschaft, mit neuen Technologien zu experimentieren und neue Geschäftsmodelle zu erproben, werden Märkte weiter entwickelt.Deutschland ist im Hinblick auf die Durchdringung und den Wettbewerb im Breitbandbereich einer der Schlusslichter in Europa. Dabei bietet gerade die Breitbandtechnologie immenses Potenzial für Wachstum und ist eine Basistechnologie für viele andere Unternehmen. Ausgelöst durch eine konsequente Deregulierung rechnet man in den USA laut einer McKinsey-Studie durch die rasche Verbreitung von Breitbanddiensten und fortschrittlicher Zugangstechnologien mit Investitionen in Höhe von knapp 150 Mrd. Dollar in den nächsten Jahren. Ein flächendeckender Breitbandzugang für Privathaushalte könnte zu rund 1,2 Mio. neuen Arbeitsplätze führen.Im Vergleich dazu haben die EU-15 Länder ohne Großbritannien seit mehr als einem Jahrzehnt unterdurchschnittlich in die Telekommunikationsinfrastruktur investiert. Die Pro-Kopf-Investitionen in die Telekommunikationsinfrastruktur in dem Zeitraum von 1997 bis 2003 sind ein deutliches Indiz für die Situation: – Deutschland: € 72 – OECD-Durchschnitts : € 151 – Großbritannien : € 196 – Japan : € 214 – USA : € 261Anhand dieser Zahlen wird deutlich, dass sich der entstandene Abstand und Wettbewerbsnachteil sich derzeit nicht verringert, sondern eher weiter steigen wird. Auf jeden Fall würde eine stärkere Investition auf der Infrastrukturseite helfen, den bestehenden Rückstand von Deutschland in der Durchdringung und Nutzung von Breitbandanschlüssen im Vergleich zu fast allen anderen europäischen Ländern schneller auf zu holen.WiMAX ist zwar nur eine – und bei weitem nicht die gesamtwirtschaftlich gesehen bedeutendste – Breitbandtechnologie, aber sie ist eine Facette im Technologie-Mix, die die Entwicklung neuer Applikationen mit stimulieren kann. Es empfiehlt sich also, die derzeitige Situation zu nutzen, um mit WiMAX neue Anwendungsfelder zu erproben, zu besetzen und neue Zielgruppen zu gewinnen, bei denen z.B. der Bedarf an orts-unabhängigem Breitbandzugang bislang nicht befriedigt werden konnte. Mit der fortschreitenden Preisdegression bei den Funkmodems kann der Vermarktungsfokus ab 2008 auf preissensible Zielgruppen ausgeweitet werden. Bei Fragen zu diesem Thema wenden Sie sich bitte an:Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, Steinbeis Transferzentrum Integrierte Unternehmensführung Zum gleichen Thema:  Drahtlose Breitbandzugänge – eine ernstzunehmende Alternative zu DSL?  Mehr, mehr! 2006 wird mobil!  Breitband: Endlich mehr Wettbewerb  WM 2006 zwischen Vision und Wirklichkeit  Breitband: Europa braucht mehr als DSL

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