Aufbruch ins Mobility-Zeitalter

Die frühen Anfänge des Mobile-Computing-Marktes liegen rund zehn Jahre zurück. Notebooks wurden damals allmählich zu erschwinglichen Preisen verkauft, Apple brachte seinen legendären „Newton“ auf den Markt, und mit der Einführung von SMS im Jahr 1994 stand nun ein zwar simpler, aber zunehmend populärer Standard für die „Daten“-Übertragung der zweiten Mobilfunkgeneration zur Verfügung. Der große Hype ließ jedoch bis 1998 auf sich warten.

„mCommerce“ und „mBusiness“ waren die Stichworte, und in Zeiten der New Economy war die Phantasie bei der Suche nach lukrativen Geschäftsmodellen – oft mit der Zielgruppe privater Endanwender – fast grenzenlos. Immer leistungsfähigere Endgeräte und die Einführung neuer Technologien wie Bluetooth und WAP trugen zu einer hohen Erwartungshaltung bei. Immerhin wurde die Basis für die Hälfte der heute eingesetzten mobilen Lösungen nach Einschätzung der META Group bereits im Jahr 2000 oder früher gelegt.

Die Versteigerung der UMTS-Lizenzen in Deutschland im Jahr 2000 fiel bereits in eine Zeit, zu der sich die New-Economy-Ära allmählich dem Ende neigte. Dabei war UMTS angesichts der eher zurückhaltenden Reaktion der Anwender auf WAP ein wichtiger Hoffnungsträger der Telekommunikationsbranche. Technische Schwierigkeiten bei der Einführung der dritten Mobilfunkgeneration, gepaart mit einer weltweiten gesamtwirtschaftlichen Abschwächung, führten zwischen 2001 und 2003 jedoch zu einer spürbaren Dämpfung der Entwicklungsdynamik am Markt.

Grössere Ansicht

Im Jahr 2003 wich die anfängliche mCommerce-Euphorie einer augenscheinlich realistischen Erwartungshaltung. Gleichzeitig deutet vieles darauf hin, dass sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland wieder zu beleben beginnt. Dies führt zu einer vorsichtigen „Renaissance“ mobiler Lösungen und Dienste. Die vorliegende Untersuchung deutet darauf hin, dass in Deutschland der Anteil der Unternehmen, die mobile Lösungen einsetzen, von knapp 50 Prozent Ende 2003 auf über 60 Prozent in den Jahren 2005/06 ansteigen wird. Die Mobilfunk-Carrier entdecken nunmehr Unternehmenskunden als lukrative Zielgruppe, und die Anbieterlandschaft im Bereich mobiler Lösungen formiert sich im gleichen Maße, wie die Technologien immer leistungsfähiger werden. Nicht UMTS, sondern Wireless LAN (WLAN), GSM und GPRS werden allerdings mittelfristig den mobilen Datenzugriff in Anwenderunternehmen dominieren.

Ab 2005/06 wird der Markt für Mobile Solutions & Services in eine Konsolidierungsphase eintreten. Mobile Middleware wird dann nach und nach zu einem integralen Bestandteil der führenden Anwendungsplattformen. Dies wird auch die mobile Anbindung von Unternehmensanwendungen wie ERP, CRM und BI vorantreiben. Ab 2007 wird der drahtlose Zugriff auf Unternehmensanwendungen und Portale eine weit verbreitete Funktionalität sein, wobei sowohl „smarte“ als auch „schlanke“ Clients unterstützt werden. Erst in dieser Phase wird sich die breite Masse der Unternehmen allmählich mit der Nutzung von UMTS-Diensten befassen. Hintergrund ist der mit der Anzahl an mobilen Endgeräten und Anwendungen rapide zunehmende Bedarf an Netzwerkbandbreite, bei gleichzeitigem Verfall der Preise für Datendienste. Umgekehrt werden die leistungsfähigeren Netze auch für die Einführung neuer Angebote sorgen. Zu den heutigen Visionen zählen etwa der flächendeckende, drahtlose und nahtlose Zugriff auf das Internet und Firmennetzwerke mit Roaming- Möglichkeiten, mobile audiovisuelle Konferenzen und Streaming Media oder auch mShopping und Infotainment, einschließlich standardisierter Bezahlverfahren.

Nach Einschätzung der META Group wird es auch bis zum Jahr 2007 dauern, bis Anwenderunternehmen mobile und drahtlose Technologien routinemäßig in übergeordnete strategische Initiativen integrieren. Die META Group empfiehlt in diesem Zusammenhang, frühzeitig „Mobility Policies“ für die Nutzung von Notebooks, Mobiltelefonen, PDAs und WLAN einzuführen und zu kommunizieren. Gleichzeitig ist ein Center of Excellence (COE) für Mobile Computing einzurichten, das sich aus verschiedenen Gruppen (z.B. Geschäftsbereiche, Anwendungsentwicklung, Support, HR, IT-Sicherheit) zusammensetzt. Die Ausrichtung auf den Nutzen mobiler Lösungen kann gesteuert werden, indem die potenziellen Nutzer entsprechend ihrer jeweiligen Anforderungen segmentiert und die Kosten für mobile Dienste und Infrastrukturen einzelnen Geschäftseinheiten oder Teams zugeordnet werden.

Status und Trends bei Anwendern

Anwenderunternehmen in Deutschland beschäftigen sich schon seit Jahren mehr oder weniger intensiv mit dem Thema Mobile Computing. 48 Prozent von 245 im Rahmen der vorliegenden Untersuchung befragten Unternehmen geben an, bereits in irgendeiner Form eine mobile Lösung im Einsatz zu haben. 33 Prozent haben künftig neue oder Folgeprojekte geplant, davon rund 17 Prozent relativ kurzfristig, das heißt bis Ende 2004. 38 Prozent der Befragten und damit deutlich weniger als die Hälfte der Unternehmen haben weder eine mobile Lösung im Einsatz noch ein derartiges Vorhaben für die Zukunft geplant.

Überdurchschnittlich aktiv war im Bereich des Mobile Computing bislang vor allem der Dienstleistungssektor, gefolgt von der Branche der Versorgungs-, Logistik- und Telekommunikationsdienstleister und der diskreten Fertigung. Die zukünftigen Planungen sind bei der prozessorientierten Fertigung, bei Dienstleistern und in der öffentlichen Hand auffallend ausgeprägt. Letztere wird ihren „Rückstand“ beim Einsatzgrad mobiler Lösungen allerdings nur dann aufholen können, wenn langfristig weiterhin auf der Basis realistischer Business Cases hohe Budgets zur Verfügung stehen.

Das technologische Potenzial, das sich erst heute mit schnellen Übertragungstechnologien (2,5/3G) und intelligenteren Endgeräten darbietet, wird indessen bislang nur in vergleichsweise geringem Umfang genutzt. 50 Prozent der mobilen Lösungen bei den untersuchten Unternehmen wurden bereits im Jahr 2000 oder früher realisiert. Nachdem 2002 ein Tiefpunkt in der Investitionstätigkeit erreicht worden ist, zeichnet sich seit 2003 aber wieder Licht am Ende des Tunnels ab. Für die meisten Unternehmen, die mobile Vorhaben geplant oder durchgeführt haben, spielen Mobile-Commerce-Angebote für Privatkunden (B2C) heute und zukünftig nur eine untergeordnete Rolle. 87 Prozent der befragten Unternehmen mit Investitionsvorhaben im Mobility-Umfeld – und damit eine deutliche Mehrheit – legen ihren Schwerpunkt hingegen auf Angebote für Mitarbeiter (B2E). 32 Prozent adressieren Partner und Kunden (B2B). Die Untersuchung der META Group deutet darauf hin, dass B2B- und Machine-to-Machine-Lösungen (M2M, z.B. in der Telematik) in einzelnen Branchen künftig eine steigende Bedeutung zukommt. Eine nähere Analyse nach Branchen zeigt die Abbildung.

Grössere Ansicht

Mobile Lösungen werden vor allem von der IT-Abteilung und auf Vorstands- und Managementebene genutzt. Häufige Nutzergruppen sind außerdem der Vertrieb und der Kunden- und Außendienst (z.B. Servicetechniker) sowie das Marketing. Die Relevanz mobiler Lösungen wird nach Aussagen der Anwenderunternehmen für Vertrieb und Kunden- bzw. Außendienst am höchsten eingeschätzt. Erst dann folgen mit der IT-Abteilung und dem Management die häufigsten Nutzergruppen. Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass das Thema „Mobile Solutions & Services“ derzeit noch vielfach eine „Spielwiese“ für technologiebegeisterte Mitarbeiter in der IT-Abteilung und im Management darstellt. Diese dürfen aber immerhin als Multiplikatoren und Befürworter für die Verbreitung mobiler Lösungen in weiteren Unternehmensbereichen gelten.

Im Rahmen des Themenkomplexes „Mobile Solutions & Services“ kommt nach Ansicht der befragten Unternehmen Informations- und Kommunikationsaspekten eine hohe Relevanz zu. Effizienz- und zum Teil auch Serviceaspekte stehen beim Einsatz mobiler Lösungen deutlich im Vordergrund der Zielsetzungen. Bei den befragten Anwenderunternehmen genießt die verbesserte Erreichbarkeit und Flexibilität der Mitarbeiter beziehungsweise ein besserer Informationsaustausch den höchsten Stellenwert. Zudem möchten die Unternehmen die Rationalisierung und Beschleunigung von (Geschäfts-) Prozessen, einen schnelleren Zugriff auf geschäftskritische Informationen und Applikationen sowie die Verbesserung der Servicequalität und Kundenbindung erreichen. Die Unternehmen bleiben dabei relativ „bodenständig“: Der Aufbau neuer Geschäftsmodelle oder die Umsetzung von Multi-Channel-Strategien sind in der Regel eher von sekundärer Bedeutung. Die derzeit im Einsatz befindlichen mobilen Lösungen werden vor allem für die Datenabfrage beim Kunden vor Ort, für die Erreichbarkeit und Terminabstimmung unterwegs sowie für den mobilen eMail-Abruf genutzt. Ferner sorgen die mobilen Lösungen für den Datenaustausch zwischen Innen- und Außendienst. Etwas geringer, aber immer noch in signifikantem Umfang, fällt der Anteil der Unternehmen aus, die mobil explizit auf ERP- oder CRM-Daten zugreifen. Dasselbe trifft auch auf die IT-Fernadministration zu. Das Ranking der wichtigsten Anwendungsbereiche wird sich gemäß der Planung der befragten Anwenderunternehmen auch künftig nicht wesentlich verändern. Allein die Vor-Ort-Abfrage von Daten beim Kunden nimmt an Häufigkeit noch deutlich zu. Damit kristallisiert sich ein halbes Dutzend an Kerneinsatzbereichen für mobile Lösungen heraus. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es darüber hinaus eine Vielzahl an funktions- und branchenspezifischen Anwendungsmöglichkeiten gibt.

Dennoch liegt der Hauptfokus vieler mobiler Initiativen bis auf weiteres auf dem „Personal Information Management“ (PIM, d.h. mobiler Zugriff auf persönliche Informationen wie Kalender, Kontakte und eMail). Bei der Einbindung spezifischer Systeme im Vordergrund steht bei allen befragten Branchen der mobile Zugriff auf Groupware und eMail, in deutlichem Abstand gefolgt vom Zugriff auf ERP-Systeme, Portale, CRM-Anwendungen, Business-Intelligence-Lösungen und schließlich auf Machine-to-Machine- (M2M-)Systeme. Die Einbindung von Portalen und Business-Intelligence- (BI) beziehungsweise Data-Warehouse-Systemen nimmt nach Planungen der durch die META Group befragten Unternehmen künftig aber deutlich zu. M2M-Systeme wiederum werden vor allem in der prozessorientierten Fertigung und in der Kategorie der Logistik- und Telekommunikationsdienstleister sowie der Versorgungsunternehmen eingebunden. Nach Einschätzung der META Group wird insgesamt die Mobilisierung von Unternehmensanwendungen bis 2005/06 deutlich zunehmen. Die aus der heutigen Mobilisierung von eMail und Groupware gewonnenen Erfahrungen münden 12 bis 24 Monate später nicht selten in Folgeprojekte, die die Einbindung komplexerer Anwendungen zum Ziel haben.

Die am häufigsten genutzten mobilen Endgeräte bei den befragten Anwenderunternehmen sind Notebooks und gewöhnliche Mobiltelefone. Künftig werden über 90 Prozent der befragten Unternehmen, die mobile Lösungen nutzen, diese Geräte einsetzen. Gut jedes zweite Unternehmen hat im Rahmen von mobilen Lösungen Office-Handhelds beziehungsweise PDAs mit Standardbetriebssystem im Einsatz. Diese drei Kategorien von Endgeräten – Notebooks, Mobiltelefone und Standard-PDAs – werden auch auf absehbare Zukunft die mobilen Infrastrukturen dominieren. Dabei wird vor allem bei großen Unternehmen eine Koexistenz all dieser Geräte zu beobachten sein, da sie auf unterschiedliche Nutzergruppen zugeschnitten sind. Zwar bleiben alle anderen Endgeräte bis auf Weiteres Nischenbereichen vorbehalten. Die Grenzen zwischen verschiedenen Kategorien mobiler Geräte verschwimmen jedoch zusehends, wie beispielsweise die Einführung des Tablet PC verdeutlicht. Der Trend geht langfristig hin zur allgegenwärtigen Mobilität: von jedem beliebigen Ort aus, jederzeit und mit verschiedensten Endgeräten.

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