Die sieben Sünden des Online-Selling – Teil 1

Vor allem unter dem Eindruck des boomenden Weihnachtsgeschäfts ziehen Online-Händler zu Jahresbeginn naturgemäß voller Zufriedenheit Bilanz. Gleichzeitig sollten sie aber besser auch über verpasste Gelegenheiten nachdenken, denn die vielen kleinen Versäumnisse kosten den Gesamtmarkt inzwischen Milliarden.

Maßgeblich für solche Betrachtungen ist dabei stets das Bild vom „zurückgelassenen Einkaufswagen“, der für die Analysten belegt, dass aus Sicht des Kunden irgendwo zwischen dem Betreten des Online-Shops und dem Abschluss des Bestell-Prozedere etwas schiefgelaufen ist. Die Marktforscher von Datamonitor beziffern den Schaden aus so entgangenen Erlösen allein für die USA seit 1999 auf 173 Milliarden US$. Für 2004 prognostizieren sie einen Verlust aufgrund unabgeschlossener Bestellvorgänge in Höhe von 63 Milliarden US$. Und auch eMarketer bemerkte bereits im vergangenen Jahr, dass mit 52 Prozent mehr als jeder zweite Einkaufswagen noch vor der virtuellen Kasse strandet. In diesem Zusammenhang merken die Analysten zudem an, dass bereits kleine Änderungen dieses Missverhältnis deutlich korrigieren könnten.

Ohne damit einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, greift dieser Beitrag nachstehend die wichtigsten Versäumnisse der Online-Händler auf, die in der Regel fast automatisch zum Nichtabschluss einer Transaktion seitens des Kunden führen. Angefangen vom Bewerben des Angebots über Drittanbieter bis hin zum Ausweisen des letztendlichen Rechnungsbetrags an der virtuellen Kasse, kann sich der eTailer gegenüber seinem Kunden mindestens gleich siebenmal folgenschwer versündigen:

Er verspricht mehr, als er halten kann
Wer heute erstmalig einen Online-Shop betritt, kommt nicht selten zunächst von der Website eines Drittanbieters. Hier sind natürlich vor allem Suchmaschinen und Portale zu nennen, die sich als beliebtes Rechercheinstrument längst flächendeckend etabliert haben. Auch viele Online-Händler wissen das und versuchen, aus diesem Wissen möglichst viel Kapital zu schlagen. Getreu der alten Handelsvertreter-Devise: „Habe ich erst einmal einen Fuß in der Tür, mache ich auch das Geschäft“, platzieren sich besonders dreiste eTailer so flächendeckend, dass es den Rahmen des eigenen Produktangebots bei weitem übersteigt. So hat es sich beispielsweise eBay seit Langem zu Eigen gemacht, weitläufig und dauerhaft auf die eigenen Angebote zum jeweiligen vom Nutzer eingegebenen Suchbegriff zu verweisen. Insbesondere bei weniger produktorientierten Recherchen treibt diese Praxis zum Teil recht krude Blüten: Gibt man beispielsweise bei der Lycos-Suche den Begriff „Ärmelkanal“ ein, erhält man auf der Ergebnisseite – neben den relevanten Treffern – auch direkt einen kleinen Werbekasten, der „eBay-Angebote zum Thema Ärmelkanal“ verspricht. Folgt man diesem Link, landet man tatsächlich auf der Website des Auktionshauses und erhält eigentlich wenig verwunderlich: „0 Treffer zum Thema Ärmelkanal“. Amazons-Werbebotschaft findet sich direkt darunter und kann im Gegensatz dazu tatsächlich mit einigen Buchtiteln zum Thema aufwarten. Die versprochenen Artikel zur legendären „Bäckerblume“ bleibt jedoch auch die „Mutter aller Online-Shops“ schuldig.

Während eBay und Amazon aber zweifellos für sich reklamieren können, zu einer Vielzahl der Suchbegriffe auch tatsächlich mit passenden Produkten aufwarten zu können und nur gelegentlich einmal daneben zu liegen, erscheinen andere Angebote grundsätzlich deplazierter. So stelle man sich einen Unternehmer vor, der mittels Google eine neue Werbeagentur sucht. Findet er unter dem entsprechenden Suchbegriff eine Textanzeige “Hallo Werbeagentur“ wähnt er sich möglicherweise schon auf dem richtigen Weg, ohne zu ahnen, dass sich hinter dieser Anzeige keine neue Agentur, sondern vielmehr ein Musikproduzent verbirgt, der sich Werbeagenturen als Dienstleister andienen möchte. Warum er sein Angebot unter dem Suchbegriff „Werbeagentur“ bewirbt, bleibt wohlmöglich ebenso sein Geheimnis, wie die Bewerbung eines Gratisproben-Abo-Service unter dem Begriff „Katzenstreu“ (zu finden unter Yahoo.de). Folgt man dieser Anzeige, erhält man mitnichten das gewünschte Angebot, sondern landet auf der Anmeldeseite des Serviceanbieters.

Vor allem bei den beiden letzten Beispielen bedarf es keiner allzu großen hellseherischen Fähigkeiten um vorauszusehen, dass ein erfolgreicher Geschäftsabschluss hier eher unwahrscheinlich erscheint. Mag der Nutzer dem Link auf der Drittanbieterseite vielleicht auch noch folgen, so verabschiedet er sich spätestens auf der Startseite des Werbenden. Und wenn er besonders verärgert ist, erinnert sich an diese Irreführung auch noch später, wenn er vielleicht einmal wieder über ein Angebot des gleichen eTailers stolpert.

Wo immer zwei Parteien etwas miteinander anfangen wollen, ist der erste Eindruck ganz entscheidend. Zumal, wenn es um Geld geht! Ob ein Online-Shop dabei direkt Vertrauen einflößt oder eher abschreckend wirkt, entscheidet der Nutzer in der Regel zum einen „aus dem Bauch“ – indem er beispielsweise die Gestaltung und Struktur des Angebots „spontan“ beurteilt – und zum anderen nicht selten aufgrund der vorhandenen Anbieterinformationen. Zugegeben: Mit Änderung der Rechtssprechung im Rahmen der angepassten Richtlinie zum Fernabsatz, findet sich wohl auf den meisten Anbieterseiten inzwischen ein Impressum, so dass die notwendigsten Kontaktdaten hinsichtlich der Verantwortung einer Website inzwischen wenigstens nachvollziehbar sind. Warum es vielen Anbietern indes noch immer so schwer fällt, die eigene Herkunft und das Team hinter dem eShop ein wenig ans „Tageslicht“ zu holen, bleibt mitunter ein Rätsel. Selbst ein einst preisgekrönter Anbieter wie Desaster.com liefert unter dem Topic „Kontakt“ lediglich ein Blanko-eMailformular und weist die beiden einzigen genannten Personen (Geschäftsführung) unter der Überschrift „Anbieterkennzeichnung“ aus. Wenn zudem die postalische Anschrift genauso gut zu einem Briefkastenunternehmen gehören könnte, lässt sich daraus zumindest kein zusätzlicher Vertrauensbonus generieren.

Beim obigen Beispiel handelt es sich allerdings wenigstens um einen professionell aufgesetzten Online-Shop, was durch die Gestaltung und Angebotsstruktur noch zusätzlich unterstrichen wird. Schlimmer wird das Ganze, wenn auch der erste optische Eindruck der Website bereits das Bild vermittelt, dass hier eher ein ambitionierter Freizeitdesigner am Werke war. Ein solches „Bauchgefühl“ in Zusammenhang mit nicht ausreichenden oder gar fehlenden Kontaktinformationen führen vermutlich recht schnell zum fluchtartigen Verlassen des Online-Shops. Nimmt man beispielsweise den eShop StyleYourLife.de, so sucht man nicht nur vergeblich nach der inhaltlichen Klammer des Angebots, sondern noch erfolgloser nach einem konkreten Betreiber. Ein Impressum existiert nicht, dafür erhält man in den FAQs den Hinweis, wo man nach einer Bankverbindung bzw. Unternehmensadresse suchen kann. Diese befindet sich nämlich kurioser Weise in den AGBs, was in der Tat so ungewöhnlich ist, dass ein Hinweis darauf wirklich angebracht erscheint. Einen Ansprechpartner bzw. Verantwortlichen für das Webangebot wird man allerdings auch an dieser Stelle nicht finden. Ersatzhalber hat der Betreiber den AGBs aber noch zwei Abbildungen der prachtvollen Unternehmensresidenz angefügt, die nur zufällig so wirken, als seien sie einer Maklerbroschüre für Mehrparteienhäuser entnommen. Es bedarf seitens der Kundschaft vermutlich bereits eines gewaltigen Vertrauensvorschusses, um in einem solchen Online-Shop eine Bestellung abzuschließen.

Mit den Informationen ist das so eine Sache. Man kennt das bereits aus dem stationären Handel. Der dienliche Verkäufer, der sich mit einem fixen „Kann ich ihnen helfen?“ nähert, sobald der potentielle Kunde nur einen Schritt in die Ladentür gesetzt hat, ist nicht überall wohlgelitten. Und die Ansprüche derjenigen, die sich nur einmal kurz umschauen wollen zu denjenigen, die eine ausführliche Produktberatung wünschen, können unterschiedlicher kaum sein. In einem Online-Shop muss der Betreiber mit der Darstellung seiner Produkte und den dazugehörigen Informationen beiden Seiten irgendwie gerecht werden. Im Klartext bedeutet dies: So viele Informationen wie nötig, so wenig Aufbauschendes wie möglich. Wie so etwas aussehen kann, demonstriert der Radsportversandhändler Rose auf seiner Website. Dort bietet er u.a. auch Timex-Sportuhren an, die neben der bloßen Zeitanzeige auch noch eine ganze Reihe zusätzlicher Eigenschaften und Funktionen aufweisen. Allerdings ist seine Produktdarstellung nicht ganz stringent und so finden sich auf einer Übersichtsseite sowohl Modelle (z.B. 1440 sports) bei denen die technischen Informationen direkt mitgeliefert werden als auch solche (z.B. Expedition), bei denen man diese Informationen erst auf einer dahinter geschalteten Seite erhält. Hier reduziert sich die Darstellung zunächst auf einen kurzen werblichen Text. Es wird für den Nutzer recht schwer herauszufinden sein, welchem Prinzip der Anbieter hier folgt, immer vorausgesetzt, er bemerkt überhaupt, dass es für die Modelle des zweiten Typs überhaupt noch Seiten mit weiterführenden Informationen gibt.

Dass sich die Begriffe „Discount“ und „Fachberatung“ nicht per se ausschließen, versucht die Website Telefondiscount.de offenbar zu belegen. Unter der Rubrik „ISDN TK-Anlagen“ gelangt der Kunde nämlich keineswegs auf direktem Wege zu den Produkten, sondern vielmehr zunächst auf einer Beratungsseite, auf der ihm sehr ausführlich erklärt wird, was für verschiedene Arten von Anlagen es in diesem Bereich überhaupt gibt, welche Merkmale für welche Klientel grundsätzlich in Frage kommen und was es sonst noch an wichtigen Details zu beachten gilt. Geht man davon aus, dass sich der Nutzer vielleicht im Vorfeld schon ausführlich mit dem Thema beschäftigt hat und sich nunmehr eigentlich nur noch auf der Suche nach dem für ihn am Besten geeigneten Angebot befindet, hält sich die Freude über das umfangreiche Informationsangebot vermutlich eher in Grenzen.

Doch die Mitteilungsfreude mancher Anbieter beschränkt sich nicht ausschließlich auf die Produktdarstellung. Mitunter werden auch bestimmte Abläufe – etwa das Bestell-Prozedere – so ausführlich beschrieben, dass man befürchten muss, dass der geneigte Käufer vor lauter Informationsaufnahme gar nicht mehr dazu kommt, den Bestellvorgang faktisch abzuschließen. Vielleicht weiß er am Ende auch einfach gar nicht mehr, was er ursprünglich wollte. Ein exzellentes Beispiel für eine solche Informationsflut liefert die Erläuterung des http://www.berlinbaskets.com/bestellung.htm>Bestellvorgangs bei BerlinBaskets.com.

Wie geht es hier weiter, fragen sich häufig Besucher von Websites, die zwar überaus bunt und kreativ, aber wenig übersichtlich gestaltet sind. Während im wirklichen Leben immer klar ist, dass sich die Kunden im Laden entlang der Regale bewegen und ihren Weg finden sollen, scheint sich diese Einsicht im Web immer noch nicht durchgesetzt zu haben. Häufig genug geht es darum, um jeden Preis eine originelle Lösung zu finden, auch wenn damit die Orientierung der Besucher verloren geht.

So versteckten zum Beispiel die Macher von Agip.de den „Eingang“ zu ihrer Website hinter 16 Quadraten, die sich munter entsprechend der Bewegungen der Maus des Besuchers bewegen. Auch auf den folgenden Seiten hat man sich kaum Beschränkungen auferlegt und viele Konventionen außer Acht gelassen: Eine Navigationsleiste am oberen Bildschirmrand und eine am unteren bieten Abwechslung. Steigt man tiefer in das Angebot ein und lässt sich von den wenig aussagekräftigen Begriffen nicht aufhalten, dann eröffnen sich weitere, ungeahnte Möglichkeiten: Bis zu vier Navigationsleisten gleichzeitig auf einem Bildschirm, das ist Spitze! Welche Logik dahinter liegen könnte, bleibt unbedarften Besuchern allerdings schleierhaft.

Weiterführend sind in diesem Zusammenhang einige Anregungen, wie Webangebote „erwartungskonform“ gestaltet werden können. Eine Studie von eResult mit 565 Teilnehmern verdeutlicht, dass erfahrene Webnutzer konkrete Vorstellungen von der Positionierung zentraler Webseitenelemente haben. Wird diesen Erwartungen entsprochen, „dann sollte es gelingen, mehr Erstbesucher zu einem wiederholten Site-Besuch zu motivieren als bei einer nicht erwartungskonformen Homepage-Gestaltung“, schlussfolgert Miriam Yom von eResult. Ausgewählte Ergebnisse der Studie: Die meisten Webnutzer, vom fortgeschrittenen Anfänger bis zum Experten mit mehr als 5 Jahren Web Erfahrung, erwarten die Navigations- bzw. Menüleisten im linken und/oder oberen Seitenbereich, als umgekehrte L-Navigation. Bei anderen Orientierungs- und Hilfe-Elementen wie z.B. einem FAQ-Link oder einem Verweis auf eine Sitemap unterscheiden sich die Platzierungserwartungen der befragten Webnutzer dagegen zum Teil deutlich. Dies gilt jedoch nicht für eine interne Suchfunktion: Das Eingabefeld einer Stichwortabfrage erwarten die meisten Webnutzer im oberen, rechten Seitenbereich einer Homepage. Ein Kontakt-Link stellt für mehr als 95% der befragten Webnutzer ein typisches Homepage-Element dar. Ein solcher Verweis wird am linken, unteren Seitenrand erwartet.

Dabei ist Usability keine Spielerei. Zwar ist natürlich der Preis auch online für die Kaufentscheidung wichtig – wirklich ausschlaggebend ist aber der Bedienkomfort, den eine Website bietet. Positive Erfahrungen wissen die meisten Internetnutzer beim Online-Shopping zu schätzen. So belegt der „Retail Consumer Survey Report“ von Jupiter Research, dass die Kunden sich in erster Linie aufgrund des so genannten „Ease-of-Use“ für oder gegen eine bestimmte Website entscheiden. Und der Bedienkomfort wirkt sich darüber hinaus auf die Kundenbindung aus. Immerhin 29 Prozent der Online-Shopper sind nach den Ergebnissen der Jupiter Untersuchung sowohl besonders ausgabefreudig als auch loyal gegenüber einmal gewählten Anbietern – solange der eShop ihnen positive Erfahrungen vermittelt.

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