eProcurement – Die Kunst des hohen C’s

Dass sich die elektronische Beschaffung insbesondere auch für klein- und mittelständische Unternehmen lohnt, predigen vor allem die Betreiber von Marktplätzen für C-Güter. Die Bandbreite der offerierten Lösungen reicht dabei von komplexen ERP-Systemen bis zum digitalen Multikatalog.

Doch wie bei vielen neuen Dingen scheint zunächst einmal reichlich Überzeugungsarbeit vonnöten. Procurement, dass klingt für viele Unternehmen immer noch nach umfassendem Projektmanagement, nach hohen Implementierungskosten und damit einem finanziellen Aufwand, den sich eigentlich nur große Unternehmen leisten können.

Entscheiden sich Unternehmen dennoch für einen Einstieg in den Bereich der elektronischen Beschaffung, so stehen oft zunächst einmal so genannte C-Güter (z.B. Büroartikel) auf der virtuellen Einkaufsliste. Bei dieser Produktgruppe besteht nicht nur ein enormes Missverhältnis hinsichtlich dem Warenwert und den bei der Bestellung anfallenden Prozesskosten. Vielmehr handelt es sich gleichzeitig um ein Betriebsfeld, bei dem „Anfängerfehler“ in aller Regel zu keinen erheblichen Beeinträchtigungen im Unternehmensablauf führen, also ein nahezu ideales Testfeld. Noch günstiger wird dieses Verhältnis, wenn man – anstatt auf die Realisierung einer eigenen ERP- bzw. Procurement-Lösung zu setzen – die Beschaffung über eine entsprechende Marktplatzlösung abwickelt. Der ROI könnte hierbei noch wesentlich schneller in Sichtweite gelangen.

Für jede Unternehmensgröße und jeden Bedarfsfall existieren inzwischen entsprechende Marktplatzlösungen. Eine Trennung nach dem Muster, „Standalone-Systeme“ für die „Big Player“ und Marktplätze als „kleine KMU-Lösung“, lässt sich heute nicht mehr so einfach vornehmen. Denn genauso wie es viele unterschiedlichste Procurement-Lösungen gibt, bieten Marktplatz-Ansätze gegenwärtig völlig unterschiedliche Integrationsgrade an. Der folgende Überblick, der sich mit der Marktausrichtung und den verschiedenen Features einer ganze Reihe bekannter Anbieter beschäftigt, soll hierbei eine erste Orientierung ermöglichen.

Die „große Lösung“: emaro
Die emaro AG wurde als Tochter der Deutschen Bank (60 Prozent) und SAPMarkets (40 Prozent) im Juli 2000 gegründet. So wurde auch nicht ganz zufällig Walldorf als Firmensitz gewählt. Die eigene Kernkompetenz sieht emaro im Betreiben eines brachenübergreifenden Marktplatzes für die elektronische Beschaffung von MRO-Gütern. Emaro möchte sich nach eigenen Angaben im Markt dadurch positionieren, dass man die Warenwirtschaftssysteme der Käufer und Lieferanten nahtlos verbindet. Den angeschlossenen Lieferanten verspricht man, mit nur geringem Marketing- und Vertriebsaufwand einen Zugang zu einem großen Käuferpotential. Dabei werden die Bestellungen zwischen den IT-Systemen der Marktplatzteilnehmer auf Basis der Technologien von SAP und Commerce One via Internet-Standard ausgetauscht.

Grundlage des emaro Marktplatzes ist das elektronische Einkaufsmodul der SAP (Enterprise Buyer Professional, EBP). Für die Einbindung bietet emaro verschiedene Lösungen an: Über das so genannte Local BBP Szenario wird das auf der Kundenseite vorhandene Einkaufssystem ( z.B. SAP EBP) an den emaro Marktplatz angebunden. Das einkaufende Unternehmen nutzt dabei das Katalogmanagement sowie den Dokumentenaustausch der emaro AG mittels XML Standard. Beim eigentlichen Einkaufsprozess kann der Einkäufer den Multi-Lieferanten Katalog bzw. einen selbst definierten kundenspezifischen Katalog für seine Artikelauswahl nutzen. Mit dem Hosted B2B Procurement sollen Unternehmen angesprochen werden, die nicht auf ein eigenes elektronisches Beschaffungssystem zurückgreifen können.

Für die Lieferantenanbindung existieren ebenfalls verschiedene Szenarien: Bei der Full Integration profitieren die Lieferanten von einer kompletten Einbindung in die ERP-Systeme und sollen hier – aufgrund automatisierter Prozesse – die größten Kosteneinsparungen realisieren können. Für diejenigen Lieferanten, die keine Anbindung in die ERP-Systeme wünschen, stellt emaro auf dem Marktplatz eine Web-Applikation zur Verfügung, über die der Lieferant Dokumente (Aufträge, Auftragsbestätigungen etc.) verwalten, bearbeiten und an den Käufer versenden kann.

Als Hauptzielgruppe hat emaro mittelständische und große Unternehmen sowie Institutionen ins Visier genommen. Nach Angaben von emaro lohnt sich die Teilnahme am Marktplatz ab einem Einkaufsvolumen im Büro- und Technikartikelbereich von ca. 250.000 Euro/Jahr oder einer Unternehmensgröße ab ca. 200 Beschäftigten bzw. einem Jahresumsatz von 50 Mio. Euro.

Neben den Gründern und ersten Kunden Deutsche Bank und SAP sind mittlerweile über 50 Teilnehmer auf dem Marktplatz aktiv und stoßen dabei ein „stark wachsendes“ monatliches Transaktionsvolumen im zweistelligen Euro-Millionen-Bereich an.

Mittelstand im Visier: Allago
Seit Mai 2000 ist die Allago AG mit ihrer gleichnamigen Einkaufs- und Serviceplattform online. Allago, mit Sitz in Bad Vibel bei Frankfurt, wurde im November 1999 als ein Unternehmen der Dresdner-Bank-Gruppe gegründet. Mit dem Angebot sollen vor allem kleine und mittelständische Unternehmen mit bis zu 1000 Mitarbeitern angesprochen werden. Dies erreicht man nach eigenen Angaben durch eine Nachfragebündelung indirekter Güter, so dass diese zu wesentlich günstigeren Preisen angeboten werden können.

Derzeit werden über 20.000 Artikel aus den Bereichen Bürobedarf, Bürotechnik, EDV-Zubehör sowie Hard- und Software angeboten. Zusätzlich werden über einen Marktplatz Services und Dienstleistungen vermittelt. Zurzeit verzeichnet Allago rund 46.000 registrierte Nutzer.

Nach eigenen Angaben stellt Allago als einziger Online-Shop die Expertise seiner Einkaufsabteilung seinen Kunden individuell zur Verfügung. Will ein Einkäufer eine große Menge eines bestimmten Artikels beziehen, kann er seine Großmengenanfrage über die Plattform direkt an das Unternehmen richten. Ein Online-Formular hilft dabei. Die Einkaufsabteilung des Internet-Shops unterbreitet anschließend innerhalb der vereinbarten Zeit ein kostenloses und individuelles Angebot für den angefragten Artikel.

Insbesondere für Mittelständler bietet die Allago AG auf ihrer Website die frei zugängliche eProcurement-Lösung „Allagopro“ an. Damit sollen sich individuelle Organisationsstrukturen des einkaufenden Unternehmens im Internet abbilden und verwalten lassen. Auf diese Weise können Firmen online Budgets für Organisationseinheiten und Mitarbeiter einrichten, Genehmigungsprozesse bei Budgetüberschreitungen automatisieren und unternehmensspezifische Produktsortimente festlegen.

Allagopro soll nach Vorstellung des Anbieters alle Anforderungen an ein eProcurement-System erfüllen und wird in zwei unterschiedlichen Varianten angeboten: nämlich in einer Basis- sowie einer Profi-Version. Die Basis-Version beinhaltet die wesentlichen Beschaffungsfunktionen. Mit ihr kann ein Administrator im Unternehmen zentral die Budgets der zum Einkauf berechtigten Mitarbeiter oder Abteilungen festlegen und Genehmigungsprozesse bei Budgetüberschreitungen einrichten. Die Profi-Version ergänzt diese Funktionen noch um die Einrichtung von unternehmensspezifischen Produktsortimenten sowie um diverse Reports und Statistiken. Im Einzelnen sind die Reports auf Mitarbeiter- und Kostenstellenebene sowie Artikel-, Umsatz- und Budgetreports abrufbar. In den ersten sechs Wochen ist die Nutzung von Allagopro kostenlos, danach ab 25 Euro monatlich möglich.

Klein aber fein: officeXL
officeXL wurde im Oktober 1999 gegründet und ging im Dezember 1999 als nach eigenen Angaben „Deutschlands erster reiner Internet-Anbieter für alle Produkte und Dienstleistungen rund ums Büro“ ans Netz. Laut Geschäftsführer Christian Clermont bedient man mit dem Angebot vor allem Freiberufler und Gewerbetreibende. Als Geschäftspartner stellten „wellington partners“ und „AGF Private Equity“ das erforderliche Venture Capital bereit. Insgesamt flossen in den zwei Finanzierungsrunden 10 Mio. Euro in das Start up Unternehmen. Neben der schon fast klassischen Online-Katalog-Bestellung (den Katalog gibt es bei officeXL auch in gedruckter Form) bietet man eine kostenlose eProcurement Lösung für Unternehmen an.

Dadurch können Unternehmen ihre Berechtigungsstruktur bei officeXL nachbilden. Bei den teilnehmenden Unternehmen sind laut officeXL keinerlei technische Voraussetzungen notwendig und nichts muss vorab implementiert werden. Die komplette Einrichtung und Nutzung ist rein webbasiert angelegt, demnach muss tatsächlich nur ein Internetzugang im Unternehmen vorhanden sein.
Die eProcurement-Lösung bietet unterschiedliche Optionen: So können beispielsweise Budgets auf Auftrags, Positions- oder Zeitebene definiert werden, die eine interne zeitintensive Freigaberegelung im Workflow automatisieren lassen. Durch integrierte Kontrollinstanzen soll der permanente Überblick über die Beschaffungssituation im Unternehmen gewährleistet werden. Prozesskosteneinsparungen will man auch durch die Nutzung von Sammelrechnungen sowie eine kostenstellenbezogene Rechnungsaufstellung ermöglichen.

Der Allrounder: mercateo
Die Mercateo AG wurde im Oktober 1999 gegründet und ist mit ihrem Angebot seit April 2000 online. Gesellschafter von Mercateo sind acht Unternehmen der E.ON Energie Gruppe sowie Management, Mitarbeiter und Business Angels. Als Zielgruppe hat die Gesellschaft primär Unternehmen bis 50 Mitarbeiter im Visier, denen man neben dem Betrieb regionaler Marktplätze sowie eines eigenen Online-Shops auch individuelle eProcurement-Lösungen anbietet. Diese beinhalten u.a. auch das Katalogmanagement für Lieferanten und Einkäufer bei C-Gütern

Im unternehmenseigenem Online-Shop verzichtet man auf die zusätzliche Implementierung von Berechtigungsstrukturen für Unternehmen. Damit entspricht man sicherlich der Gegebenheit, dass in kleineren Unternehmen die C-Artikel-Bestellungen in der Regel nur vom Sekretariat ausgeführt werden und sich hier eine komplexere Rechtevergabe nicht aufdrängt. Als „Kauferleichterung“ bietet mercateo seinen Kunden u.a. die Anlegung persönlicher Einkaufslisten an, die dabei helfen sollen Produkte des regelmäßigen Bedarfs schneller wiederzufinden. So will man seinen Kunden das erneute Aussuchen aus dem Katalog ersparen.

Darüber hinaus stellt Mercateo seinen Kunden ein Co-Shopping-Angebot zur Verfügung. Bei Mercateo heißt dieser Service „PoolBuying“ und durch diese Nachfragebündelung sollen Einsparungen von bis zu 30 Prozent erreicht werden. Nach eigenen Angaben ergeben sich so „Preise, die bisher nur Großunternehmen zugute kommen“. Doch ebenso wie bei Co-Shopping-Angeboten im Endkundenbereich sind bei solchen Aussagen Zweifel angebracht, denn ein Blick auf die Seiten von Preisvergleichs-Agenturen führt nicht selten zu wesentlich günstigeren Angeboten.

In Europa zu Hause: mondus
Die mondus.de GmbH wurde im August 1999 gegründet und ist seit November 1999 online. Hauptanteilseigner ist mit 40,7 Prozent SEAT Pagine Gialle S.p.A., Europas führender Anbieter von Branchenverzeichnissen. mondus sieht sich selbst als Online-Einkaufszentrum für den allgemeinen Unternehmensbedarf und bietet vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen über Multikatalog, Ausschreibungen und Dienstleistungs-Verzeichnis die Vermittlung von Produkten und Services an. In Deutschland besitzt mondus ca. 40.000 registrierte Nutzer, insgesamt sind es in Europa mehr als 170.000.

Kern des „Online-Einkaufszentrum“ ist der so genannte Multikatalog. Er fasst die Produktkataloge von derzeit 30 namhaften Lieferanten zusammen und soll dadurch eine breite Angebotsvielfalt sicherstellen. Der Einkäufer kann die Angebote dort direkt vergleichen und das passende Produkt ordern oder über eine Ausschreibungsfunktion ein individuelles Angebot einholen. Zurzeit stehen 50.000 Produkte in 2.000 Kategorien zur Auswahl.

Zur Kauferleichterung bietet mondus seinen Kunden den „Einkauf Manager“ an. Dort können u.a. Anfragen gespeichert, Angebote verhandelt , der Auftrags-Status der Katalogbestellung verfolgt, sowie Details abgeschlossener Transaktionen abgefragt werden. Verkäufern stellt man den entsprechenden „Verkauf Manager“ zur Verfügung. Einen Nachfragermarkt für individualisierte Procurement-Lösungen oder auch die Anbindung von ERP-Systemen kann Mondus mit Blick auf die eigene Zielgruppe gegenwärtig nicht erkennen und plant dementsprechend in absehbarer Zeit auch keine Integration derartiger Lösungen.

Welcher Handelsmechanismus darf es sein?: Atradapro
Im März 2000 wurde der B2B-Marktplatz atradapro von der Atrada AG gelauncht. Alleingesellschafter der Atrada AG ist seit August 2001 die T-Online International AG. Nach eigenen Angaben handeln auf atradapro mehr als 110.000 Unternehmen. Im Visier hat man dabei vor allem die kleinen und mittelständischen Companies. Beachtenswert an atradapro ist die große Auswahl an unterschiedlichen Handelsmechanismen. Je nach Bedarf und Zielgruppe kann aus angebots- oder nachfragegetriebenen und festen oder flexiblen Preisfindungsformen gewählt werden. So können etwa neben klassischen Auktionen auch TopDown-Auktionen (Reverse Auktionen) genutzt werden. Ferner ermöglicht atradapro Online-Ausschreibungen, PowerBuying (Co-Shopping) sowie herkömmliche Festpreis-Angebote. Eine annähernd unternehmensindividuelle Beschaffungsumgebung soll durch den Einsatz der Beschaffungstools „Atrada BestBuy“ gewährleistet werden. Hiermit können Einkauflisten verwaltet, Auktions-Angebote überwacht und Einkaufsstatistiken ausgewertet werden. Die Nutzung des Marktplatzes ist für Käufer und Verkäufer zunächst gebührenfrei, erst bei erfolgreicher Transaktion fällt für den Anbieter eine Provision an.

Wenn auch die Vielfalt der Handelsmechanismen auf den ersten Blick beeindruckend erscheint, bleibt die Markttauglichkeit mancher Angebote indes fragwürdig. So dürften beispielsweise zeitaufwendige Reverse Auktionen bei der Beschaffung niedrigpreisiger C-Güter insbesondere für KMUs mit geringem Handelsvolumen keine wirklich nutzenbringende Beschaffungsform darstellen.

Fazit
Mit der einfachen Übertragung eines gedruckten Einkaufskataloges ins Internet ist es bei der elektronischen Beschaffung von Büroartikeln heute beileibe nicht getan. Dafür ist die Zahl der Anbieter sowie das bereitgestellte Leistungsspektrum inzwischen viel zu groß geworden. Neben umfangreichen Services hält inzwischen auch zunehmend die Vermittlung von Dienstleistungen Einzug auf den ursprünglich zumeist ausschließlich als Online-Büroartikel-Versender gestarteten Shop-Seiten. Für die einkaufenden Unternehmen sollte demnach auch nicht ausschließlich der Preis der angebotenen C-Güter als Richtlinie für die Anbieterauswahl gelten, sondern vor allem die Vermeidung aufwendiger und komplizierter Bestellvorgänge. Sonst könnte sich so manches „Schnäppchen“ im Nachhinein schnell als „Fass ohne Boden“ entpuppen.

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