Shoplösungen im Härtetest

Wie gut ein Shopsystem tatsächlich ist, zeigt sich oft erst in der Praxis und vor allem dann, wenn es an die Leistungsgrenzen geht. Kein Wunder also, dass nicht nur eTailer alljährlich gespannt auf das Weihnachtsgeschäft blicken. Wie hoch die Messlatte für aktuelle eShop-Systeme ansonsten liegt, verrät ein aktueller ECIN-Marktüberblick.

Es ist schon beinahe gute Tradition, dass sich pünktlich zur so genannten „Holiday Season“ auch Analysten und Marktbeobachter aufmachen, um zu beobachten, wie gut sich die angesagten Online-Shops im Weihnachtstrubel schlagen. Und was ist hierbei nahe liegender, als einfach selbst eine Reihe unterschiedlicher Testkäufe vorzunehmen und anschließend ausführlich über die Ergebnisse zu berichten. Den Anbietern auf die Finger geschaut hat in diesem Jahr „Logistik inside“, eine Fachpublikation des Heinrich Vogel Verlags. Unter der Prämisse, nur die Shops zu berücksichtigen, die aktuell mehr als zwei Millionen Kunden auf sich vereinigen, sandte man insgesamt 30 Bestellungen an die Top-6 der deutschen Online-Landschaft. Das Ergebnis: Nur Otto, Quelle und Tchibo überzeugten, während sich bei Amazon, Bol sowie dem Weltbild Verlag unterschiedlichste Fehler bis hin zur nicht termingerechten oder gar kompletten Fehllieferung einstellten. Die Quote der tadellosen Lieferungen betrug 25 von 30.

Deutlich kleinere Händler würden vermutlich frohlocken, wenn sie in Anbetracht kaum noch überschaubarer Kundenströme überhaupt erst einmal Gefahr liefen, den vielen Bestellungen ihrer Kunden nicht mehr gerecht werden zu können. Für sie gilt es oft zunächst einmal, sich mit den fundamentalen Grundregeln eines erfolgreichen Online-Angebots auseinander zu setzen, wie sie beispielsweise der Dienstleister „Neue Digitale“ erst kürzlich zu Papier gebracht hat.

Die sieben Grundregeln für die Erstellung verkaufsfördernder Online-Auftritte lauten demnach wie folgt:

1. Wer einen Online-Shop betritt und sich dort „nur mal umsehen“ will, stellt eine besondere Herausforderung dar: Genau diesen Interessenten gilt es in einen Käufer zu verwandeln. Dabei hilft ein virtueller Showroom mit Produktempfehlungen, Schnäppchen und Highlights, die zu einer konkreten Produktauswahl führen.

2. Wer etwas kauft, will es zuvor ausprobieren: Animationen, 360-Grad-Drehungen und Zoom-Funktionen regen dazu an, sich intensiv mit einem Produkt zu beschäftigen. Produkte, die interaktiv und emotional erlebbar sind, behaupten sich gegenüber der Konkurrenz.

3. Verbraucher wollen vergleichen: Wenn es ein Online-Shop ermöglicht, mehrere Produkte miteinander zu vergleichen und außerdem deren individuelles Erscheinungsbild (Farbe, Zubehör etc.) zusammenzustellen, spart sich der Interessent den „Weg“ zum nächsten Web-Geschäft – der Vorteil für den Anbieter liegt auf der Hand.

4. Beratung ist erwünscht: Personalisierte Produktempfehlungen, die individuelle Vorlieben des Einzelnen in einer aktivierenden Kundenansprache berücksichtigen, tragen zum Verkaufserfolg bei.

5. „Vormerken“ gehört zu den wichtigsten Funktionen eines guten Online-Shops: Warum soll der Kunde beim zweiten Besuch alle Informationsschritte noch einmal durchlaufen müssen? Besser ist eine Vormerkliste, auf der er alle für ihn interessanten Produkte übersichtlich zusammenstellen kann.

6. Ganz wichtig ist die persönliche Ansprache: Ein guter Verkäufer begrüßt seine Stammkunden mit ihrem Namen und empfiehlt ihnen Produktneuheiten, die ihren individuellen Interessen entsprechen. Im Internet wird dieses Beziehungsmanagement durch Personalisierungsfunktionen wahrgenommen.

7. „Besuchen Sie uns bald wieder!“: Wer regelmäßig neue Produkte herausbringt, informiert seine Kunden per Newsletter über aktuelle Angebote.

Welches Gewicht man im konkreten Falle den genannten Einzelaspekten einräumen möchte, bleibt sicher ein gutes Stück weit eine Frage der persönlichen Entscheidungsfindung. Allerdings kann eine gute Shoplösung heute auch auf diesem Weg wertvolle Hilfestellung leisten, zumal wenn bestimmte Funktionalitäten bereits standardmäßig fester Bestandteil des Lösungsangebots sind. ECIN hat in den vergangenen Wochen eine Vielzahl von Anbietern anhand eines standardisierten Fragebogens zum Leistungsstand und -umfang ihrer Lösungen befragt und zur Grundlage eines neuen vergleichenden Reports gemacht. Das Augenmerk richtete sich dabei weniger auf vollmundige Werbeversprechen, als vielmehr auf gut miteinander vergleichbare Standards sowie auf besondere Features einzelner Lösungen.

Von ECIN verglichen wurden dabei vor allem Lösungen, die sich zum schnellen und möglichst reibungslosen Einsatz für kleine und mittelständische Unternehmen eignen: Sie sollen einerseits preiswert und andererseits möglichst einfach zu implementieren sein.

Diesem Anforderungsprofil entsprechen den Angaben zufolge die meisten der befragten Anbieter, denn nur bei knapp acht Prozent liegen die Anschaffungskosten überhalb 10.000 Euro. Auch der finanzielle Aufwand für die jährliche Bewirtschaftung erscheint bei 73% der eShoplösungen mit weniger als 500 Euro per anno als tragbar.

Weniger leicht zu beziffern ist sicher der Aufwand, der vom Kunden im Rahmen der Implementierung erbracht werden muss. Nicht selten erwecken die Anbieter hier den Eindruck, dass sich ein Online-Shop bereits mit wenigen Mausklicks vollständig und voll funktionsfähig hinaus in den Internet-Markt schieben ließe. Dieses Bild trügt sicher. Dennoch erscheint es für 55% der Anbieter realistisch, den eigenen eShop innerhalb von nur einem Arbeitstag einsatzbereit zu bekommen. Weitere 30% setzen für diese Umsetzungsphase 1-2 Tage an. Möglichen Hilferufen begegnet man dabei heute in der Regel mit kostenlosem Support in Form von Dokumentationen (88%), technischen Hotlines (79%) oder eMail-gestützter Beratung (89%). Wer Wert auf einen Vor-Ort-Service und/oder spezielle Schulungen legt, liegt hiermit bei immerhin 80% der Anbieter richtig, wird hierfür aber auch gesondert zur Kasse gebeten.

Webserver und Datenbanken bilden heute für die Hälfte der befragten Anbieter die unentbehrliche Grundlage für das Aufsetzen einer Shoplösung, werden im Rahmen von ASP- bzw. Mietlösungen jedoch in der Regel auch gleich mitgeliefert. Für weitere 39% ist dagegen laut eigener Aussage keine weitere Software erforderlich, wobei sich PHP übergreifend als tragende Scriptsprache immer stärker zu etablieren erscheint. Bereits 30% aller Lösungen basieren auf PHP, bei weiteren 18% kommt Perl zum Tragen. Serverseitig werden vor allem Linux (80%) und Windows (70%) aber recht häufig auch Solaris (55%) unterstützt.

Weitaus wichtiger als diese bloße technische Anbindung ist in der Regel jedoch die Einrichtung des neuen, virtuellen Ladengeschäfts. Wer bereits auf einen elektronischen Artikelbestand zurückgreifen kann und überdies vielleicht auch ein beachtliches Sortiment sein Eigen nennt, sollte sein Augenmerk vor allem auf für ihn geeignete Im- und Exportleistungen richten. Immerhin zwei Drittel aller Befragten versprechen standardmäßig einen Vollimport für den Produktbereich, wozu die Einbindung von Artikel-Informationen (90%), Artikel-Updates (86%) sowie Preis-Updates (86%) zu rechnen sind. Es gibt aber auch 14 Lösungsanbieter, deren Leistungsangebot noch darüber hinaus reicht und die ebenso den Import von Kunden-, Auftrags- und Stammdaten einschließlich der Warengruppen anbieten. Am unproblematischsten erscheint dabei die Nutzung von Excel- oder CSV-Datenformaten, während ein eher neueres Format wie XML erst von 57% der Lösungsanbieter unterstützt wird.

Vor allem innerhalb der Verwaltung und Darstellung der Storefront weisen auch die Niedrigpreis-Lösungen inzwischen einen sehr ordentlichen Qualitätsstandard auf: Ob es um die bloße Verwaltung der Artikel, zusätzliche Informationen (z.B. Bilder) oder auch die Integration von Sonder- und Aktionspreisen geht, für weit über 90% ist dieses bereits gängiger Standard. Drei Viertel der Anbieter bieten zudem die Hinterlegung von Lieferzeiten bzw. -terminen an. Gefragt nach zusätzlichen Features erweitert sich die Palette noch einmal ordentlich: 76,4% bieten einen integrierten Kundennewsletter, 47% einen Assistenten für die Erstellung des (rechtlich obligatorischen) Impressums, ebenfalls 47% ein Zusatzmodul für die Generierung von Preistabellen (die für die Informationsangabe an Preisvergleichs-Suchmaschinen wichtig sind) sowie 57% sogar eine vereinfachte Gütesiegel-Zertifizierung. Und weil insbesondere für kleinere Anbieter neben dem Online-Shop auch das Geschäft als PowerSeller bei eBay immer wichtiger wird, ermöglichen bereits 30% der Anbieter eine automatisierte Angebots- und Kaufverwaltung für eBay-Auktionen direkt über den eigenen Online-Shop.

Doch um wieder auf den Aspekt der Verkaufsförderung zu kommen, lohnt sich natürlich auch ein Blick auf das Leistungsspektrum der Shoplösungen aus Kundensicht. Die Usability sollte hierbei naturgemäß an erster Stelle stehen. Während mehr oder weniger ausgefeilte Suchfunktionalitäten inzwischen flächendeckend angeboten werden, trennt sich im Rahmen zusätzlicher Bestellservices bereits deutlich die Spreu vom Weizen: So findet sich ein virtueller Wunsch- oder Vormerkzettel gerade einmal bei 39% der Anbieter, eine allgemeine Merkliste bieten 55%, einen Artikelvergleich ermöglichen 31% und eine integrierte Stücklistenfunktionalität bieten 39%. Weitaus häufiger anzutreffen sind dagegen die Festlegung eines Mindestbestellwerts (78%) sowie die Unterstützung von Cross-Selling (72,5%).

Da der Warenkorb den Kern jeder Shoplösung ausmacht, sind die gängigen Funktionalitäten fast durchweg anzutreffen, während Sonderfunktionen, die sich in Richtung persönlicher Einkaufslisten oder Terminierungen von Bestellungen orientieren, eher die Ausnahme darstellen. Für den Kunden, für den dann am Ende (oder vielleicht auch bereits zu Beginn) noch Fragen offen bleiben, können die Anbieter unter Zugriff auf ihre Shoplösungen folgenden Support anbieten: Guided Tour (29%), eMail-Support (78%), FAQ (73%).

Geht es darum, ob seitens eines Kunden eine Transaktion tatsächlich abgeschlossen wird oder – im umgekehrten Falle – der Warenkorb letztlich doch in den virtuellen Gängen des Online-Shops stehen bleibt, spielt auch die Frage nach den unterstützten Bezahlmöglichkeiten eine entscheidende Rolle. Der Euro darf dabei inzwischen durchweg als „Königswährung“ angenommen werden, zudem erfahren der US$ (80%) sowie das britische Pfund (74%) eine weiträumige Unterstützung. Geht es um die Zahlungsmethoden, liegen die „Klassiker“ (und das ist analog zur gängigen Praxis) weit vorne. Unterstützt werden: Rechnung, Nachnahme, Vorkasse und Lastschrift von rund 80% aller Befragten, Micropayment von 47%, mobile Payment von 39% sowie der Liebling aller Online-Shops, die Kreditkarte, von 84%. Spätestens an dieser Stelle wird dann üblicherweise die Frage nach den gängigen Sicherheitsstandards laut: Datenübertragung via SSL-Verschlüsselung erscheint zu Recht obligatorisch (94%), weitergehende Verfahren wie 3D-Secured (verified by Visa) mit 45% oder UCAF (Secure Code) mit 39% finden dagegen noch längst nicht überall Anwendung.

Aber auch was die Sicherheit des Verkäufers in Hinsicht auf plausible Kundendaten und Bonität betrifft, gibt es im Bereich „Standards“ offenbar noch Verbesserungspotentiale. Eine Überprüfung der Postleitzahlen rangiert mit 31% schon ganz weit oben auf Featureliste der Anbieter, während eine Schufa-Abfrage gerade einmal von 17,7% als Option zur Disposition steht. Alle weitergehenden Verfahren wie UStID-, Online-Bonitäts- oder Kreditkarten-Prüfung genießen heute eher noch einen Insel-Status.

Dieses gilt – wenngleich nicht in einem ganz so strengen Sinne – auch für bestimmte Basics bei der Bestellabwicklung. Lediglich 31% der Befragten bieten die Möglichkeit einer Sammelrechnung an, nur 39% ermöglichen eine Online-Reklamation und bei etwas über der Hälfte erfolgt eine automatische Rechnungserstellung innerhalb der Shoplösung. Was wiederum zur Folge hat, dass eine Rechnungsprüfung auch nur von 29% angeboten wird. Einen positiven Erklärungsansatz dafür findet man vielleicht der Tatsache, dass nahezu alle Lösungen auf eine Anbindung mit einer ERP-Lösung wie beispielsweise Navision, SAP, Sage KHK, Oracle oder Peoplesoft ausgelegt sind und diese Funktionalitäten dann ohnehin über dieses Systeme abgewickelt werden.

Fasst man das Gesagte zusammen, so wird deutlich: Für kleine und mittelständische Unternehmen ist eine funktionale und zuverlässige eShop-Lösung heute in jedem Falle erschwinglich. Diese Tatsache entbindet sie jedoch nicht von der Verpflichtung, ein Online-Engagement sorgfältig zu planen und bereits im Rahmen der Produktauswahl sowohl eigene Ansprüche hinsichtlich der Shopeinrichtung und -pflege sowie vor allem die mutmaßlichen Erwartungen und Wünsche der eigenen Zielgruppe zum Maßstab zu machen.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
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