XML – der Durchbruch für EDI?

EDI scheint mit Hilfe von XML zu neuem Leben zu erwachen. Intensiv wird an vielen Orten daran gearbeitet, die erweiterten Möglichkeiten von XML mit den Vorteilen von EDI und EDIFACT zu verbinden. Wird also der Einsatz von XML EDI zu neuem Schwung verhelfen? Dient XML in Zukunft als Grundlage einer Vielzahl neuer Electronic Commerce Anwendungen? Unser Beitrag beurteilt kritisch die Erfolgschancen.

Lange totgesagt, scheint EDI nun mit Hilfe von XML zu neuem Leben zu erwachen. Intensiv wird an vielen Orten daran gearbeitet, die erweiterten Möglichkeiten von XML mit den Vorteilen von EDI und EDIFACT zu verbinden. Wird also der Einsatz von XML EDI zu neuem Schwung verhelfen? Dient XML in Zukunft als Grundlage einer Vielzahl neuer Electronic Commerce Anwendungen?

Vorteile
EDI, der zwischenbetriebliche Austausch von Geschäftsdokumenten wie Bestellungen, Rechnungen oder Lieferscheinen, wird inzwischen von Behörden, Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen in der ganzen Welt eingesetzt wird. Die Vorteile von EDI sind unbestritten:

• Langfristiger Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit
• Optimierung interner Geschäftsprozesse
• Kostenreduktion
• Verbesserung des Kundenservice
• Unternehmenssicherung
• Aufbau strategischer Geschäftspartnerschaften

Dennoch hat sich EDI in Deutschland bislang nicht flächendeckend durchgesetzt. Zwar möchten marktstarke EDI-Anwender in möglichst kurzer Zeit mit vielen Geschäftspartnern elektronischen Datenaustausch betreiben. Unseren Schätzungen zufolge nutzen jedoch lediglich 5-10% der Unternehmen, für die der Einsatz vorteilhaft wäre, bereits heute das Potential dieser Technologie – und dies oft primär aufgrund des Drucks ihrer Geschäftspartner.

Hohe Implementierungs- und Betriebskosten sind häufig der Grund dafür, daß von einer EDI-Einführung abgesehen wird. Tauscht ein Unternehmen nur mit einem einzigen Partner EDI-Daten aus, kann sich diese Einstiegsinvestition kaum amortisieren. Besteht keine Möglichkeit zur Integration der Daten, kann der Lieferant keine Rationalisierung erzielen, das EDI-System fungiert de facto als teures Faxgerät. Fehlende organisatorische Voraussetzungen wie korrekte Stammdaten und eindeutige Nummernsysteme für Artikel, Kunden und Lieferanten stellen häufig ebenso eine Hürde dar.

Doch nun ist das Internet dank seiner weiten Verbreitung, einfachen Zugangsmöglichkeiten (schon ein Browser genügt) und der weltweit vorhandenenen Infrastruktur in der Lage, EDI zu neuem Schwung zu verhelfen.
Eine neue Seitenbeschreibungssprache – eXtensible Markup Language (XML) – kann in diesem Zusammenhang

• als Grundlage der Beschreibung von EDI-Dokumenten dienen
• die einfache und effiziente Weiterverarbeitung der Daten gewährleisten
• die Integration in die betrieblichen Prozesse der beteiligten Geschäftspartner unterstützen
• eine Schlüsselrolle bei der weiteren Verbreitung dieser Technologie übernehmen

Was ist XML?
Mit Hilfe der Auszeichnungssprache XML lassen sich Daten bzw. Dokumente graphisch aufbereitet z. B. im Internet darstellen. Darüber hinaus ist XML ein universelles Datenformat, das auch die Funktionalität der Daten speichert, transportiert und für jedes andere Computersystem verständlich macht. Im Prinzip sind alle Daten eines Unternehmens in XML erfassbar: ergänzende Datenauszeichner (Tags) und ggf. auch Darstellungsregeln (Style-Sheets) bilden die Semantik und die Logik der Datenstruktur ab. Daten lassen sich so nicht nur formatiert ausgeben (z. B. auf Papier, CD-ROM oder via Internet), sondern auch durch Anwendungen weiterverarbeiten, strukturiert mit den Geschäftspartnern austauschen und mit Browsern und Internet-Suchtechnologien für eine gezielte Informationssuche verwenden.

Die zum Verständnis und zur Weiterverarbeitung von Daten notwendigen Informationen müssen nicht mehr fest in die Anwendungen integriert werden. XML erlaubt es, Struktur und Inhalt eines Dokuments so präzise zu beschreiben, daß diese Informationen zusammen mit den auszutauschenden Daten übertragbar sind.
So können z. B. Bestellungen generiert oder eine Anbindung an das interne Warenwirtschaftssystem realisiert werden, ohne daß es beim Datenaustausch einer aufwendigen Konvertierung der Daten bedarf – das ist neu an XML.

Die bisherigen HTML-Webpages erlauben lediglich die Darstellung von Daten, die Tags legen das äußere Erscheinungsbild fest, verraten aber nichts über den Inhalt einer Seite. Eine gezielte Suche nach Informationen ist daher nicht möglich, die reiche, innere Struktur der Daten geht verloren. Mit HTML gestaltete Seiten sind für Menschen verständlich, von Computern jedoch nicht automatisch zu verarbeiten.

Wer in einem XML-Dokument nach Layoutregeln sucht, wird sie nicht finden. Sie werden durch Formatvorlagen in XSL (eXtensible Style Language) festgelegt. Die Abkoppelung der Layoutregeln vom eigentlichen Inhalt ermöglicht es, verschiedene Style-Sheets zu erstellen, z. B. eine für jedes Ausgabemedium. Die Strukturbeschreibung eines XML-Dokumentes wird wiederum in einer DTD (Dokument Type Definition) dokumentiert. Zudem gehören Inhaltsverknüpfungen (XLL) und Datenmodell (UML) zu einer fertigen XML-Anwendung.

Die nächste Generation der Internet-Browser wird die für XML benötigten Tools enthalten, so daß Anwender XML-Dateien ohne spezielle Software beschreiben, strukturieren, versenden, visualisieren und bearbeiten können. Jeder Anwender kann sich somit in XML seine eigenen Formate (DTD) durch Verwendung eigener mit Semantik hinterlegter Tags definieren. Dies ist der große Vorteil zu HTML, aber auch das große Handicap gegenüber EDIFACT. Besteht zwischen zwei Partnern keine Einigkeit über die genutzten Tags und DTD, kann weder eine korrekte Interpretation noch eine Weiterverarbeitung der Daten stattfinden. XML bietet also keine standardmäßige Interoperabilität, sondern ist ein Werkzeugkasten für die Gestaltung interoperabler Lösungen.

Der weltweit und branchenübergreifend eingesetzte Standard EDIFACT dagegen stellt mit seiner normierten Syntax für Nachrichtentypen, einem Repository für Elemente, Segmente usw. genau das bereit, was beim Geschäftsdatenaustausch per XML erst noch definiert werden muß. Durch die eingebaute und jeweils fest verdrahtete Semantik sind Inhalt und Struktur einer Nachricht festgelegt, plattformübergreifender Datenaustausch und maschinelle Verarbeitbarkeit der Daten sichergestellt. Dies erfordert allerdings die Änderung von Implementation Guidelines, wenn ein Unternehmen seine Geschäftsabläufe ändert. Während ein XML-Dokument selbstbeschreibend ist, liegen bei EDIFACT die nötigen Informationen im Konverter und können auch nur durch Eingriffe ins sog. Mapping verändert werden.

Ein Vergleich:

XML – Die Zukunft von EDI?
Eine Arbeitsgruppe der UN/CEFACT hat sich mit der Problematik der fehlenden Normierung der XML-Tag-Standardisierung befaßt. Sie schlägt vor, die bestehende Semantik von EDIFACT-Segmenten und Datenelement-Identifiern bei der Nutzung von XML für den unternehmensübergreifenden Datenaustausch durch XML-Tags zu ersetzen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu vermeiden, daß in der XML/EDI-Welt jeder Partner eigene Geschäftsvorfällen definiert und damit proprietäre Repositories (Verzeichnisse) entstehen. Daher sollen über das Internet abrufbare, allgemein zugängliche Repositories, die de facto die semantische Festlegung für Business-Transaktionen darstellen, eingerichtet werden. Durch die Schaffung eines globalen Tag-Repository zur Übersetzung aller UN/EDIFACT- Komponenten nach XML/EDI würden die in der Vergangenheit im Rahmen von EDIFACT durchgeführten Standardisierungsaktivitäten für XML berücksichtigt.

Die weitere Entwicklung von XML wird davon abhängen, ob es gelingt, die gewünschte Standardisierung herbeizuführen und die nötige Marktdurchdringung XML-fähiger Brow-ser, Konverter und Applikationen zu erreichen. Kurzfristig ist nicht damit zu rechnen, daß XML EDIFACT völlig ablöst, vielmehr sind kombinierte Lösungen im Business-to-Business-Bereich wahrscheinlich. Im Business-to-Consumer-Bereich fehlt bisher noch die Marktdurchdringung XML-fähiger Browser, so daß XML wohl als erstes Einzug für neue Anwendungen im Bereich von Extranets der privaten Wirtschaft finden wird. Hier ist eine schnelle Einigung auf XML-Spezifikationen möglich und die technischen Voraussetzungen sind unproblematisch, wie dies z. B. im Extranet-Dienst WebEDI/XML der Lufthansa-Tochtergesellschaft Air Plus der Fall war.

Mittelfristig sind dagegen neben der Nutzung von XML als standardisiertem Datenaus-tauschformat auch noch zahlreiche andere Anwendungen denkbar. Neben der Verteilung von Prozessor- und Netzlast vom Server zum Client erlaubt XML auch die variable Darstellung von Informationen durch unterschiedliche Sichtweisen auf die gleiche Datenbasis oder die gezielte Suche nach Informationen durch intelligente Softwareagenten der nächsten Generation.

Wichtige XML-Anwendungsbereiche und deren Voraussetzungen

EDI-Datenaustausch
Relevanz:Hoch (langfristig)

Vorraussetzungen:
; • Standardisierte EDI-DTDs je Nachrichtentyp
; • Standardisiertes Semantisches Repository mit der Beschreibung, welches Tag welches Datenelement auszeichnet
; • XML-Konverter zur Konvertierung von XML-Daten in Inhouse-Daten und vice versa sowie zur Kommunikations-
steuerung

WebEDI
Relevanz:Gering (mittelfristig)

Vorraussetzungen:
; • XML-fähige Browser und deren Marktdurchdringung
; • XML-Konverter

Intranet-Anwendungen
(z.B. Data Warehouse, CSCW, Kiosk-Systeme)
Relevanz:Hoch (kurzfristig)

Vorraussetzungen:
; • Möglichst weitgehende XML-orientierte Datenbankorganisation
; • XML-fähige Datenbanksysteme
; • XML-fähige Browser
; • Entwicklungsumgebungen für XML-Lösungen
; • XML-fähige Agenten/ Suchsysteme
; • XML-Schnittstellen zu bestehenden Anwendungssystemen

Dokumentenmanagement
Relevanz:Hoch (kurzfristig)

Vorraussetzungen:
; • Standardisierung von XSL und XLL
; • XML-fähige Datenbanksysteme
; • XML-fähige Browser
; • Entwicklungsumgebungen für XML-Lösungen
; • XML-fähige Agenten/Suchsysteme
; • XML-Schnittstellen zu bestehenden Anwendungssystemen

Extranet- Anwendungen
(z.B. Bestellabwicklung, Direct-Purchasing, Help Desks, Continous Engeneering, Supply Chain)
Relevanz:Hoch (mittelfristig)

Vorraussetzungen:
; • XML-fähige Datenbanksysteme
; • XML-fähige Browseer und deren Marktdurchdringung
; • Werkzeuge zum Aufbau individueller semantischer Repositories
; • XML-fähige Agenten
; • XML-Schnittstellen zu bestehenden Anwendungssystemen

B2C-Anwendungen
(z.B. Shopping, Kiosk-Systeme, kommerzielle Content-DBs)
Relevanz:Gering (mittelfristig)

Vorraussetzungen
; • XML-fähige Browser und deren Marktdurchdringung
; • Entwicklungsumgebungen für XML-Lösungen
; • XML-fähige Agenten/Suchsysteme.

 

XML – der Durchbruch für EDI?
XML und EDI – wie funktioniert das?

Die Verbindung von XML – der eXtensible Markup Language – und EDI – Electronic Data Interchange – bietet die Chance, auch mit bislang nicht EDI-fähigen Geschäftspartnern die komplette Kommunikation über eine einzige „elektronische Datenpipe“ abzuwickeln.

Am Beispiel des Handels, der die Auftragsabwicklungsvorgänge mit seinen Lieferanten automatisiert, kann das Funktionsprinzip von XML-EDI sehr gut demonstriert werden: Der Handelspartner verwendet die bestehende EDIFACT-Schnittstelle zum Austausch von Bestell-, Lieferavis- und Rechnungsdaten. Unter Nutzung des klassischen Kommunikationsweges X.400 werden die Daten zu einem XML/EDI-Server gesendet.

Auf diesem Server erfolgt die Konvertierung der EDIFACT-Daten in das browserfähige XML-Format sowie deren Routing und Weiterleitung an die betroffenen Geschäftspartner. Eine Verschlüsselung/Verkryptung der Daten sorgt für die Sicherheit , so daß sie auch unter Nutzung des Kommunikationsweges Internet nur von den Empfängern gelesen und beantwortet werden können.

Die Anzeige und Bearbeitung der Daten erfolgt im Browser des Empfängers unter Zuhilfenahme von Applets, die es dem Lieferanten ermöglichen, auch ohne EDI-System eine Antwortnachricht zu generieren. Neben den technischen Voraussetzungen sind auch die Kommunikationskosten minimal, da die gesamte Bearbeitung im Offline-Modus erfolgen kann und lediglich für den Aufbau der Kommunikationsverbindung ein Online-Betrieb nötig ist.

Die im XML-Format generierte Antwort (z.B. ein Lieferavis als Antwortnachricht auf eine Bestellung) wird ebenso zum XML/EDI-Server gesendet und dort in das EDIFACT-Format konvertiert. Semantische und syntaktische Prüfungen können ebenfalls auf dem Server erfolgen, so daß der Handelspartner auf diesem Wege von allen Geschäftspartnern Daten statt Papier erhält, die in seinen Applikationen maschinell weiterverarbeitet werden können.

Die Vorteile von XML/EDI auf einen Blick:

• Nutzung bestehender EDI-Infrastruktur und -prozesse in Verbindung mit weitverbreiteter Internet-Technologie
• Ergänzung des klassischen EDI für Vielzahl der kleineren Geschäftspartner
• 100%ige Rückwärtskompatibilität für existierende EDI-Transaktionen
• Jederzeit flexibel anpaßbare und zukunftsfähige Lösung
• Anbindung aller Geschäftspartner über eine einzige „elektronische Datenpipe“
• Einfacher, schneller und kostengünstiger Einstieg in den elektronischen Geschäftsverkehr für Lieferanten/Kunden
• Minimale Folgekosten für Lieferanten/Kunden
• Gute Argumentationsmöglichkeit zur definitiven EDI-Anbindung der Geschäftspartner
• Ausbau zu integrierter Lösung beim Geschäftspartner möglich

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